Der große dunkle Van hat keine Fenster. Aber einen Schornstein auf dem Dach. Niemand ist zu sehen, nur ab und zu läuft mal der Motor. Dann fährt er weg doch nach einer Stunde steht er wieder da. Keiner zu sehen. Noch 4 weitere Übernachtungsgäste stoßen mit Van oder Zelt dazu, Frankreich, Deutschland, Schottland, aber da lässt sich keiner sehen.

Hinter der Frontscheibe liegt ein ausgeblichener Schädel… irgendwas mit Hörnern, Ziege vielleicht und meine Fantasie fängt an, Kapriolen zu schlagen. Als ich am nächsten Morgen mit Luna von der Gassirunde zurückkomme, hält ein Audi vor dem Van, der Fahrer steigt aus, klopft und heraus kommt ein bärtiger, etwas verwahrloster Typ. Keine Ahnung, wie alt der ist, das kann man unter dem langen Rauschebart nicht erkennen. Ein Blick in den Van offenbart: das ist wirklich ein Schornstein, denn drinnen ist neben einem kleinen Kamin Holz gestapelt… hast so was schon mal gesehen, ein Holzofen im Van. Der Audi samt Verwahlostem rausch ab und das holzbefeuerte Auto bleibt stehen. Sachen gibts… vielleicht war das sein Bewährungshelfer?
Ich habe einen Termin und fahre los. 10:00 beginnt die Führung und die schlechte Nachricht ist, man darf keine Bilder machen… Schade.
Nahe am Dornoch Firth liegt also seit 1843 die Glenmorangie Distillery. Zuerst war das eine Brauerei, dann wurde auf dem Gut eine Whiskybrennerei eröffnet. Der Name leitet sich vom gälischen Gleann-Moor-na-sithe ab und bedeutet so viel wie ”Tal der Ruhe”.
Auch Whisky hat einen gälischen Ursprung: ”Uisge-beatha” heißt so viel wie Wasser des Lebens.

Um sich Single-Malt-Whisky nennen zu dürfen, muss das Getränk mehrere Kriterien erfüllen: es muss
- aus einer Brennerei stammen
- in Schottland destilliert, gereift und abgefüllt sein
- nur aus Gerste, Hefe, Wasser hergestellt sein
- mindesten 3 Jahre in Eichenfässern gereift sein
- mit einem Alkoholgehalt von mind. 40% abgefüllt werden.
Außerdem hat die Gelnmorangie-Distille ihre eigene Quelle und bezieht die Gerste von 80 Farmern aus dem Umland. Der Whisky hier ist durch seinen milden und mit sehr vielfältigen Aromen versehenen Geschmack bekannt. Einfluss auf die Milde haben vor allem die langen Röhren der Destillierapparate. Mit 5 Metern sind das die längsten in ganz Schottland und es wird so vermieden, dass die schweren, öligen Geschmäcker nach oben gelangen. Nur die feinen Dämpfe können in derHöhe destillieren und ergeben den weichen Geschmack.



Auch die Art und Qualität der Fässer spielt eine Rolle und so gibt es eine unheimliche Vielfalt an Geschmacksnoten, die ein Wishkey entfalten kann, hier zusammengefasst vom Scottisch Whiskey Research Institute.

Auf der Führung sehen wir auch einen recht beeindruckenden Unterschied zwischen früher und heute. Wenn die LKWs mit dem Korn heute anrollen, öffnet sich die Luke da im Boden und über unterirdische Gänge befördert man das Korn in die Mühle. Früher wurde der Stein da links genutzt, um das Korn in die kleine Mulde zu schütten und dort mit einem Mörser zu brechen. So kommt man natürlich nicht unbedingt auf die heutige Produktionsmenge von ca. 6 Mio. Liter im Jahr.

Am beeindruckendsten sind für mich aber die Lager mit den alten Eichenfässern. Da während der Reifung ungefähr 60% der Geschmacksrichtungen entstehen, ist diese besonders wichtig und beim Glenmorangie ausgewiesener Maßen exzellent. Traditionelle Lagerhallen mit Lehmboden, Steinmauern und Schieferdächern sorgen gemeinsam mit dem relativ gleichbleibenden Klima für gute Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Wer weiß, wieviele Liter unter diesen Dächern reifen…




Zum Schluss kommt die allseits beliebte Verkostung. Zwei Sorten werden gereicht: der Klassiker 10 Jahre und der ”Spions” (von spicy – würzig)

Wie erwartet kann ich dem Klassiker mehr abgewinnen, nutze dann aber die bereitgestellten Gläschen für die ”Fahrerabfüllung”. Wie schön es doch wäre, diesem Genuss verfallen zu können, aber ich komm da wirklich nur begrenzt ran, auch wenn ich mir die größte Mühe gebe… schade!


Wie man sehen kann hab ich mich nicht so ganz an das Fotoverbot gehalten. Nur in der Hightech-Produktionshalle blieb mein Handy lieber aus. Heute gehört die Brennerei übrigens dem Großkonzern Moet Hennesy Louis Vuitton und ist börsennotiert. Also nix mehr mit kleiner schottischer Destille.
Wir setzen unsere Fahrt fort und ich mache eine kleine Pause im Örtchen Portmahomack. Hier auf dem letzten Zipfel der Tarbart-Halbinsel zwischen Dornoch Firth und Moray Firth geht es gemütlich zu.



Besonders schöner fakt am Rande: noch nie habe ich einen Strand in Schottland gesehen, an dem Hunde verboten sind… und auch noch nie, wirklich nie! bin ich in einen Kothaufen am Strand getreten.
Weiter gehts zu Spitze – Tarbart Ness – mit einem klassisch rot-weißen Leuchtturm, vorbei an den Getreidefeldern aus denen wahrscheinlich der so beliebte Glenmorangie gebrannt wird. Eine wahre Abwechslung zum sonst zu unverwüstlichen Grün der Wiesen im schottischen Norden.






Der Leuchtturm wurde übrigens von Robert Stevenson, dem Großvater des Autoren der ”Schatzinsel” um 1820 erbaut und ist heute in privater Hand. Hier soll man Delphine beobachten können, aber die hatten wohl gerade Wichtigeres zu tun. Trotzdem schön:

Nicht weit davon entfernt, wurde ein altes Kirchlein zum Tarbart Discovery Centre umgebaut. Als man auf dem Friedhof alte Grabsteine fand, die bis ins 6.Jahrhundert zurückreichten, suchte man weiter und legte Baureste einer alten Krypta frei, und entdeckte noch viele weitere Zeugnisse piktischer Kultur. Achso: wer sind eigentlich diese Pikten. Das ist hier ganz gut und einfach erklärt:




Im Kirchlein kann man für 4 Pfund eine wirklich ambitionierte Ausstellung begutachten. Sehr anschaulich und vor allem auch für Kinder zum aktiven Mitmachen anregend ist hier der Fund aufbereitet.




Die Reste der 1. Kirche sind in der Krypta noch zu sehen.

Auch das Grab eines Clanchefs wurde eröffnet und untersucht. Mit 4 anderen Totenschädel wurde er hier bestattet – wer das wohl gewesen ist und: mussten die extra sterben??? – und das ”FaceLab” hat sogar rausbekommen, wie er früher mal aussah. Eine Rekonstruktion seiner Überreste liegt dem Besucher zu Füßen und kann durch Gitter begutachtet werden.




Verabschiedet werde ich vor der Ausstellung von einer stolzen Dame – der Pikten-Königin – einer zeitgenössischen Skulptur.

Es gibt zwei Möglichkeiten, über den Cromarty-Firth zu kommen: die Brücke oder die kleine Nigg-Fähre, die nur im Sommer verkehrt. Ich entscheide mich für Letztere und hoffe,. dass ich Glück habe. Unterwegs warnen kleine Schilder, man solle sich bei Instagramm über die aktuelle Lage der Fähre informieren…

Plötzlich erscheinen am Horizont gelbe Ungeheuer. Wie Wesen aus einem Sience Fiction Film ragen sie in die Landschaft.

Das sind bei näherer Betrachtung Füße der Windkrafträder für die Off-Shore-Anlagen draußen auf dem Meer. Neben der Fähre gibt es eine Art Werft, da werden die hergestellt. Als ich am ”Fährterminal” ankomme, wird gerade ein solches Ungetüm Meter für Meter aufs offene Meer gezogen.

Außerdem werden hier in der Cromarty-Bucht Ölplattformen repariert. Fünf solche Stahlklötze stehen im “Wartezimmer”, auf dass sie an die Reihe kommen.


Eine Plattform mit dem martialischen Namen ”Excalibur” steht in der Werft und wird wahrscheinlich gerade ”behandelt”.

Auf dem Weg hierher schwante es mir schon, als nicht ein einziges Womo auf meiner Strecke zu sehen war. Angekommen an der Fähre stand da ein PKW und als die Fähre ankam, wurde es mir klar: da passe ich niemals drauf.

Der Skipper kam freundlich ans Fahrerfenster und meinte, er würde liebend gern mein Geld nehmen, aber das Auto sei zu lang. Der setzt beim Drauffahren auf, sorry. Na dann Ahoi mein kleines rotes Schiff. Machen wir halt den ”Einkehrschwung” an den nahegelegenen Strand zur verspäteten Mittagspause.



Den Umweg von ca. 50 Meilen nehmen wir dann auf uns und genießen das spänachmittägliche Licht.

Ein Ziel steht heute noch auf dem Plan: Auf der nun erreichten Black-Isle, die ihren Namen der fruchtbaren Erde und dem milden, meist frostfreien Klima verdankt, gibt es den Ort Fortrose. Die dortige Landzuge Chanonry Point ist laut eigenem Bekunden der beste Ort auf der Welt, um von Land aus Delphine beobachten zu können.

Obwohl der Parkplatz nicht für Womos geeignet sein soll, finde ich einen Punkt und laufe vorbei am Leuchtturm vor zu Spitze.

da bin ich nicht allein. Auf der Landzunge stehen schon viele andere Delphin-Süchtige. Mit und ohne lange Teleobjektive warten sie auf die 200 VIPs, die hier mit Einbrechen der Flut wohl sehr oft zu beobachten sind. In der Meerenge zwischen hier und dem gegenüberliegenden Fort Geotge – einer Festung, die nach dem Massaker in Culloden errichtet wurde, um die verbliebenen Schotten in Schach zu halten – herrschen Strömungsverhältnisse, die ein Baden zum tödlichen Unterfangen machen können. Das Strudeln des Wassers macht das schon vom Strand aus deutlich.


Die Lichtverhältnisse wären perfekt, im Windschatten harren die Fotoprofis mit ihren Stativen, alle haben die Kapuzen gegen den Wind hochgezogen – wer nicht erscheint sind die Damen und Herren Define. Ich kann warten…

Für die Nacht ziehen wir uns auf den Wanderparkplatz am Ende des Örtchen Rosemarkie zurück. Doch am Morgen wird an den wunderschönen Strand gewechselt. Deutlich wärmer ist es hier. Gegen 7:00 sind wir fast allein und sehen ganz hinten am Ende des Strandes noch einmal den Delfintreffpunkt. Vielleicht laufen wir heute einfach noch einmal dahin, wenn die Flut hoch steht… vielleicht auch nicht. 😜



Vor dem Frühstück noch ein kleiner Bummel durch den Ort. Besonders schön finde ich den alten Pub ”The Plough Inn” ein uriges Inn aus dem Jahre 1691 (!!), wenn der Reiseführer nicht schwindelt – das Aussehen könnte dem Alter aber gut und gerne entsprechen.



Heute in einer Woche kommen wir in Amsterdam wieder an und die wunderschöne Reise neigt sich dann dem Ende zu. So möchte ich die letzten Tage noch intensiv nutzen und lasse alles etwas langsamer angehen. Jetzt ist es 10:00, der Strandparkplatz füllt sich, Luna schläft auf dem Beifahrersitz – das ist mittlerweile ihr Lieblingsplatz geworden und ich schreibe noch diesen Text zuende. das Meer rauscht, die Möwen kreischen und Familienväter versuchen, ihre Kinder zu erziehen… ohne Erfolg. Und ich kann noch eine Woche einfach nur machen, was ich will )nachdem ich das ja auch die letzten Wochen schon ausschließlich getan habe). Also Beine hoch und noch eine Tasse Kaffe gekocht… Habt einen schönen Tag!
