Das wechselhafte Tier

Anne Hathaway hatte es es sicher nicht immer leicht. Geboren als Tochter eines angesehenen Farmers heiratete sie den acht Jahre jüngeren William Shakespeare – da war sie schon schwanger – was für ein Skandal. Sie bekamen insgesamt drei Kinder, wovon sie Hamnet, den Zwillingsbruder von Judith mit elf an die Pest verlor. Auch hatte sie ihren Mann in den ersten Ehejahren nur selten bei sich. Bis London war es immerhin eine 3-Tages-Reise und dort begann ja gerade dessen Karriere als Stückeschreiber und Schauspieler, erst die letzten 6 Jahre seines Leben, lebten beide zusammen im „New Place“, dem Haus, das er schon Jahre zuvor für seine Familie gekauft hatte.

Heute aber begebe ich mich zu den Wurzeln der Anne Hathaway, dem Cottage, in dem sie groß geworden ist. Wir setzen wieder mit der uns schon fast lieb gewonnenen Fähre über und laufen 3 km durch ruhige Vorstadtstraßen und – gassen. Bestimmt war das zu Shakespeares Zeiten alles unbebaut und er ging durch Wiesen und Wälder, wenn er seine Anne besuchen wollte. Annes Vater war angesehen und erfolgreich mit dem, was er tat und hatte es zu einigem Wohlstand gebracht. Das merkt man sofort, wenn man den Garten betritt. Dieses Haus wirkt viel großzügiger als das der Eltern Shakespeares.

Der Garten ringsumher ist nicht mit denen der Herrenhäuser zu vergleichen, nein hier lebte ein Freier Bauer. Es wurde Gemüse angebaut, sicher auch Schweine gehalten und ein Obstgarten war Pflicht. Daran wurde auch bis heute nichts verändert. Hinterm Haus beginnt der Wald und die Felder der Familie Hathaway sind bestimmt mit den schmucken Eigenheimen bebaut, an denen wir vorbeigekommen sind.

Im Garten sind Hunde erlaubt… im Haus nicht. Aber ich habe Glück. In der Reihe hinter mir steht eine nette Familie mit zwei kleinen Hunden. „Wir können ihren gern beaufsichtigen“, meint der junge Mann, der seine Großmutter am Arm hat. Das nette Angebot nehme ich gerne an und kann mir entspannt das Haus anschauen.

Anne scheint eine sehr häusliche Frau gewesen zu sein. Haus- und Gartenarbeit lag ihr augenscheinlich und regelmäßig ging sie zum Verkauf der Farmprodukte auf den Markt. Annes Familie, so der Guide, war auch wesentlich angesehener als die der Shakespeares. John Shakespeare hatte so einige Probleme mit der Kirche, mit dem Gesetz… aber Hathaways waren von anderem Schlag, meint er. Dann erzählt er noch, dass er ein Napoleon-Fan sei und ist davon begeistert, dass ich bei Leipzig geboren bin und jetzt bei Jena wohne 😉

Im Garten zurück gibt es ein Hallo und begeistertes Loben meines braven Hundes. Sie sind voll der Freude und so war das eine wunderbare WinWin-Situation. Ich bedanke mich und wir bummeln zurück, vorbei am leer stehenden Haus der Tochter Shakespeares. Die hatte den wohlhabenden Arzt John Hall geheiratet, aber dessen Haus ist „vorübergehend geschlossen“, sieht aber von außen schön aus.

Nicht weit entfernt ist die Holy Trinity Church zu finden, in der die Familie Shakespeare begraben ist. Ich darf kostenlos – natürlich ohne Hund hinein – aber wer das Grab sehen möchte, bezahlt allerdings 5 Pfund. Naja, da unterstütze ich doch gern die Hochkultur. Vergleicht man die Qualität der Ausstellungen hier mit denen unserer Dichterfürsten in Weimar, da haben wir für Goethe und Schiller doch ein bisschen mehr Aufwand betrieben. Bei so vielen Besuchern im Jahr muss doch ein bisschen mehr hängen bleiben. Vielleicht kann man davon mal das schnöde Seil entfernen, dass Williams Grab umrahmt und etwas Schöneres anbringen, oder das Hall-Haus mit seiner medizintechnischen Sammlung wieder eröffnen?

Trotzdem hat uns Stratford sehr gut gefallen und nach einer kleinen Pause machen wir uns auf die Socken, denn das Parkticket läuft ab und noch eine Nacht möchte ich hier nicht verbringen. Die Feiern auf dem Embankment haben gestern dann doch ziemlich lange gedauert. Und so fahren wir in Richtung Basildon Park und finden unterwegs einen fantastischen Übernachtungsplatz an der Themse am Shillingford Bridge Hotel.

4 Pfund kostet das Tagesticket, aber da ich mir ein „feudales Abendbrot“ gönne, kostet es nichts. Ein paar Flussschiffe liegen vor Anker, ein Franzosenmobil kommt noch hinzu und ansonsten ist hier Ruhe, Vogelgezwitscher und Wasserplätschern angesagt.

Das findet auch Luna spitzenmäßig und ist vor 10:00 Uhr nicht aus dem Bett zu kriegen. Ich lass sie gewähren und plane schon mal den Tag.

Basildon Park ist eine weitläufige Parkanlage mit einem Herrenhaus aus dem 18.Jahrhundert. Der in Ostindien reich gewordene Francis Sykes kaufte das Gelände und ließ auch das Gebäude erbauen. Danach ging es durch mehrere Hände und wurde im 2. Weltkrieg zweckentfremdet genutzt. Dabei wurden Möbel und Dekorationen teilweise zerstört und nach dem Krieg stand das Haus jahrelang leer, bis es in den 50ern restauriert und an den NT übergeben wurde.

Im Vergleich zu den anderen Herrenhäusern ist das hier eher schmucklos und auch der Garten hat nicht viel zu bieten, außer ganz viel Platz für Picknick und Kinder, wovon heute zum Sonntag reichlich Gebrauch gemacht wird.

Das Innere des Hauses ist sehr schön hergerichtet und gewinnt durch einen Pianomann an Flair, der den Besuch passend untermalt.

Interessant ist allerdings die Filmografie, die diese Mauern aufzuweisen haben. Vermutlich gibt es hier zumindest außen nicht so viel zu beachten, kaputt zu machen oder zu entweihen wie an anderen Orten, sodass Filmschaffende den Ort besonders mögen. Die Liste der Filme, die hier gedreht worden sind, ist wirklich beachtlich.

Nun die Frage des Tages: Soll ich nochmal nach Geat Dixter fahren – da ist heute große Pflanzen-Messe, ich hab Bilder bei Instagram gesehen und bin total hibbelig…. allerdings ist das weit und ich war schon da.

Oder nehm ich den Schaugarten der Royal Horticultural Society, der Königlichen Gartengesellschaft? Das ist größer, näher und hat auch einen Pflanzenmarkt… naja, Pflanzen, kann ich ja eh nicht kaufen, also nehm ich Wisley und die Königliche Garten-Gesellschaft. Seit 1904 hat diese Vereinigung, der mittlerweile 240.000 Mitglieder aus aller Welt angehören, hier einen Mustergarten eröffnet, in dem alle möglichen Gartentrends vorgestellt werden. Rosen-, Wildpflanzen-, mediterane -, Cottage-, Stauden-, Kräuter-, …gärten sind über das Gelände verteilt zu finden.

Neben einem alten Haus im Tudorstil befindet sich die Eingangshalle und der größte Gartenmarkt, den ich je gesehen habe. Dort gibt es wirklich fast alles zu kaufen und im Schaugarten stehen auch an wirklich jeder Pflanze Schildchen, damit der geneigte Kunde dann auch ganz genau sagen kann, was er gern in seinem eigenen Garten pflanzen möchte.

Aber ich bleibe tapfer, nur ein paar Samentüten hüfen in meine Tasche. Für den Garten habe ich noch genau 2:35 Stunden – so die Einlassfrau, als ich frage ob sich das bei dem Eintrittspreis noch lohnt. Das wäre okay, zumal die meisten Besucher – und der Parkplatz ist rammelvoll – meistens schon vor der Schließzeit gehen. Und tatsächlich treffe ich in der letzten Stunde nur noch wenige Besucher und kann die wunderbare Anlage aus vollen Zügen genießen.

Manche haben sich auch hier zum Picknick verabredet und sind sogar farblich auf die Möbel abgestimmt 😉

Und die Pflanzen… ja die sind eine Pracht. Ich hab mir von den schönsten gleich immer das Schildchen mit fotografiert, damit ich – wenn mal wieder Platz wird – genau weiß, was da hinkommen soll.

Nun sollte hier eigentlich noch ein kleines Bouquet aus fantastischen Blumen folgen, doch leider hat dieses wechselhafte Tier von Internet mal wieder keine Lust mehr. Falls ihr der Meinung seid, mobiles Netz in Deutschland sei schlecht, dann probiert es mal hier außerhalb von London. Ich krieg ne Meise!!!! Vor allem, weil es so wechselhaft ist. Du sitzt an ein und dem selben Ort, änderst nichts am Setting und das Netz ist so wechselhaft wie das Wetter. Sorry, aber die Bilder krieg ich heute nicht mehr. durchgequetscht. – Wutausbruch Ende… und schon klappts auch mit dem Internet…. Voilá

Wildpflanzengarten
moderner Garten

Völlig müde und erschlagen schleiche ich also zum Auto zurück. Nein, übernachten darf man auf diesem fantastischen, wunderbar großen und mega geeigneten Platz natüüüürlich nicht. Aber ich finde einen superschönen Platz, 15 km weiter, an Wald und Wiese, ohne Höhenbegrenzung, was hier in der Gegend eigentlich immer Standard ist. Prima! Noch ne Runde mit Luna und dann schön was zu essen kochen.

Und dann kommt der Fall, dass ich mich doch nochmal umentscheide. Ich will gerade die Messer schärfen, um Zwiebeln zu schneiden, da biegt ein grauer, fensterloser Kastenwagen auf den Parkplatz ein und ein seltsamer Typ öffnet die Schiebetür. Mein Blick fällt auf totales Chaos im Wagen. Wasserkanister, Gasflaschen, Bretter, Bettwäsche… Der Typ richtet seine Antenne aus und macht den Fernseher an. Alle Türen stehen auf und ich hab ein seltsames Bauchgefühl. Nö, mit diesem Nachbarn hier nachts allein – da kann ich nicht ruhig schlafen. Also nochmal los und was Neues suchen. Spaß macht das nicht, ist aber manchmal die bessere Entscheidung. Und so landen wir nach 15 Minuten hier: NT Denbies Hillside – auch schön 😉

Kommt gut durch die Nacht.

1 Gedanke zu „Das wechselhafte Tier“

  1. Ach Marion, ich ziehe wirklich alle Hüte, die ich habe. Wenn ich in diesen Gartenmärkten unterwegs wäre, gäbe es im Womo womöglich keinen Platz mehr zum tanzen…😅 Witzig, dass du schon wieder auf Filmspuren unterwegs warst. Das gab es doch auch schon… Danke für diese herrlichen Impressionen der Königlichen Gartengesellschaft….

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