Buddha for free

Irgendjemand hat vergessen die Beregnungsanlage abzustellen. Aber ich will raus und Luna auch. Der Hafren Forest soll es sein. Ich denke mir: Bei diesem Wetter ist man dort vielleicht noch ein bisschen besser geschützt. Bergkämme wäre heute wohl eher ungeeignet.

Doch Google kennt nur einen verbotenen Weg und wir stehen nach 30 Min. an einem Schotterweg mit dem Schild „Durchfahrt gesperrt“. Okay, Alternativroute – kein Netz! Dann eben auf gut Glück… und tatsächlich links der Hinweis Hafren Forest 12 Meilen. Und so schaukeln wir wieder mal Single Track Roads entlang, aber diesmal mit wunderbaren Ausblicken zum Clywedog Stausee.

Nur einige Angler haben den Weg auf sich genommen und stehen still am oder im Wasser, sitzen auf Botte oder Stegen. Wir fahren und fahren… Als ich es schon nicht mehr erwarte, erscheint dann doch der Parkplatz zum Wandergebiet und trotz des Regens ist hier ganz schön was los. Gerade wird eine halbe Schulklasse aus dem Kleinbus neben mir gekippt. Macht aber nix, wir nehmen uns Zeit und als wir wanderbereit sind, ist herrliche Ruhe in dem wunderbaren Wald. Die ersten 300m läuft man ganz luxuriös auf beplankten Wegen, bis dann der gewöhnliche Wanderweg zum Wasserfall beginnt. Ein herrlicher Pfad, für den die Bilder sprechen.

Auf halbem Weg treffen wir ein Pärchen, er mit Nikon-Spiegelreflex um den Hals, die vor Nässe trieft. Ganz stolz meint er, sie wäre wasserdicht und wir kommen ins Gespräch. Sie sind mit einem Kastenwagen-Camper unterwegs und versuchen mir einen Tipp für mein nächstes Ziel zu geben. Irgendwas mit Fischadlern, aber so richtig verstehe ich sie nicht – das steckt zu viel Welsh drin. Ein freundliches „Take care!“ und schon gehts weiter zum kleinen Wasserfall.

Durch den tagelangen Regen sind die kleinen Gewässer übervoll, es sprudelt und plätschert und ich freue mich, hier einen so gesunden Nadelwald vorzufinden. Da ist noch Platz zwischen den Stämmen und alle Nadel strotzen vor Saft.

Als wir nach zwei Stunden nass, glücklich und durchbewegt am Dicken ankommen, ruft jemand „Hallo!“ und winkt mir zu. Ach das ist ja die Frau vom Hinweg. In der Hand hält sie einen Zettel, vorsichtshalber schon mal in Plastik verpackt. Es ist der Flyer des „Dyfi Osprey Project“, einer Vogelstation mit Fischadlern. Da haben die beiden extra auf mich gewartet, um mir den Zettel zu geben und für den Fall, dass ich noch länger brauche, war er schon mal in eine regendichte Tüte verpackt. Das finde ich ja megalieb und bedanke mich von Herzen.

Na da muss ich natürlich hin und so klappern wir den Berg wieder hinunter und machen uns auf den Weg zur Vogelstation. Das Wetter wird immer schlechter, es regnet und regnet und regnet. Wir fahren über den Caidar Viewpoint und sehen – – – einfach nichts, stehen faktisch mitten in den Wolken. Drüben wieder runter auf Machynlleth zu, sicher eigentlich mit fantastischen Ausblicken – wir sehen nix. Schade, aber nicht zu ändern

Mit Vogelstationen hatte ich noch nie so richtig Glück, da waren irgendwie selten welche zu sehen. Ja und heute, da ist es leider auch nicht anders. Bei dem Wetter jagt man ja auch keinen Vogel vor die Tür.

Allerdings sind in dem hübschen Holzhaus Liveaufnahmen vom Fischadlernest zu bestaunen. Ein Mann erklärt, welchen Weg sie im Winter nach Afrika nehmen und es gibt einen Souvenir-Shop und ein Café.

Ich laufe noch hinter bis zum Beobachtungsturm, da kann man den Kücken auch durch ein Fernrohr live dabei zusehen, wie sie gerade einen Fisch verspeisen. Ich frag mich nur, warum diese Tiere ihr Nest, ähnlich wie Störche, so völlig ungeschützt bauen. In einem Baum wäre es doch gerade bei diesem Sauwetter viel gemütlicher. Man stelle sich jetzt nur noch Sturm vor… da will doch keiner seine Kücken groß ziehen???

da hinten sieht man den Beobachtungsturm

Das Elternpaar, so erklärt der Guide, kommt jeder Jahr wieder genau in dieses Nest. Drei Mitarbeiter stehen nun bei dem Wetter den ganzen Tag im zugigen Beobachtungsturm und warten darauf, dass mal jemand vorbeikommt, dem sie das erzählen können. Auch nicht gerade ein Traumjob. Auf dem Rückweg schau ich mir dann noch die Notationsversuche der Vogelstimmen des „Schilforchesters“ an. Naja, Vogelstationen werden wohl nicht mehr zu meinen Top-Favoriten aufsteigen, aber hier musste ich einfach vorbeischauen, wenn man mich schon so nett darauf hinweist.

Ein Stück Kuchen to go muss natürlich auch mit. Luna hat im Auto gewartet, weil die nicht vorhandenen Vögel im Vogelpark sonst Angst vor ihr bekommen hätten. Und so koch ich mir meinen Kaffee dazu halt selbst und genieße leckeren Cheesecake.

Wir sind im Snowdonia Nationalpark, genauer im Caidar Idris Gebiet angekommen. Der Caidar Idris ist ein Bergrücken im Süden des Parks und wurde nach einem walisischen Helden mit Namen Idris benannt. Caidar bedeutet Stuhl und die Legende erzählt, dass Idris einen magischen Stuhl besitzt, aus dem man als Barde oder Verrückter aufsteht, wenn man darin einschläft.

Leider sehe ich weder den Bergrücken noch den Helden noch den Stuhl – alles Nebel, Regen, Wolken, Dunst – ich suche mir also lieber einen Übernachtungsplatz. Im Nationalpark soll es schwierig sein, wild zu stehen und ich habe mich schon mit einem Zeltplatz angefreundet. Als ich dort ankomme, sehe ich ein Wiese mit 80 Wohnanhängern – wahrscheinlich Dauercamper – und einem Womo. Ich soll jemanden anrufen, wenn ich mich dazustellen will ???? Oh mein Gott!….

Mich als sparsam zu bezeichnen, wäre tatsächlich eine glatte Lüge, doch dafür Geld zu bezahlen, finde ja selbst ich ungerechtfertigt. NE WIESE!!!!! Also Rückwärtsgang und weiter, aber ist das hier richtig? Wieder mal ohne Netz, irre ich ein bisschen durch die Gegend. Die Straßen werden Sträßchen, die Sträßchen werden Wege und es regnet und regnet und regnet … und wenn ich gleich auf einem Einödhof lande , würde mich das jetzt auch nicht mehr wundern. Beinahe wünsche ich mir die Wiese zurück, da zeigt rechts ein Schild auf einen Wanderparkplatz. Und was für ein schöner! Äähhh… ein durchgestrichenes Womo????… komm, ich will hier ja nicht meinen Jahresurlaub verbringen, es geht hier um eine Nacht, eigentlich nur um ein paar Stunden und wer will bei diesem Mistwetter eigentlich einen Kontrollgang in der Einöde machen? Also einparken – fertsch!

Wir machen noch eine kleine Runde und es wird noch besser. Der Weg führt vorbei an einem Bächlein mit Teich und meine saudreckige Luna nimmt zum Abend noch ein Bad im klaren Quellwasser. Welch eine Freude! Auch fürs Frauchen!

Es ist wunderschön hier, trotz des Regens und wir verbringen eine fantastische Nacht. Auf der Wiese daneben nur die Kühe und kein Auto stört unseren Schlaf. Ich glaube fast, dass uns das schlechte Wetter in diesem Fall zum Vorteil gereicht, denn vielleicht wäre es sonst hier voller. Keine 20m weiter finden wir am Morgen einen zweiten kleineren Parkplatz direkt am Bach und eröffnen dort unser Frühstücksbüffet und eine Morgenrunde mit Wissenszuwachs ist natürlich auch noch drin.

Dolgellau wird heute unser erstes Ziel, vielleicht kann man ja dort die Zeit bis zum nächsten Sonnenstrahl verbringen. Naja, fangen wir mit dem Positiven an: es gibt einen Bäcker. Perfekt, das ist in dieser Gegend eine Seltenheit. Fleischer sind kein Problem, die gibts überall, aber Brot kauft der Waliser im Supermarkt und da gibt es nur Toastbrot, das man mit leichtem Drücken in einen undefinierbaren Klumpen verwandelt. Widerlich!

Ansonsten ist das Hauptmerkmal des Städtchens seine Farbe: Grau. Also ich weiß nicht, ob es das Wetter ist, aber hier ist einfach alles irgendwie grau. Steine grau, Jesus grau, Lampen grau, Grabsteine grau, Wolken grau, Gesichter grau…. Und was das ganze noch ungemütlicher macht: Busse, LKW, PKW, Camper… irgendwie alle fahren direkt durchs Zentrum… also ich würde hier depressiv werden.

Vielleicht verschenkt ja deshalb auch ein Bewohner einen Buddha mit Regal for free… na ob das hilft?… und schaut euch mal die Farbe des Buddahs an!!!!!

Mit einem Bäckerbeutel voller Leckereien machen wir uns aus dem Staub… oder besser gesagt Matsch… und suchen uns einen Platz neben der Zollbrücke am Mawddach-Fluss, der sich alsbald in ein 12km langes sandiges Mündungsgebiet in die Irische See auffächert. Sein Wassern diente im 19.Jahrhundert übrigens auch zum Goldwaschen, aber zur Deckung meiner Reisekosten wird das, was man heute hier noch rauswaschen kann, wohl kaum genügen…

Da ich ehrlich gesagt nicht genau weiß, was der Dicke so auf die Waage bringt und ungern im sandigen Mündungswasser landen will, biege ich lieber nach links ab und ziehe mich auf den Parkplatz am kleinen Pub zurück. Da hab ich nun alles, was ich brauche: Trockenheit, Wärme, einen Kaffe und frische Kuchenstückchen, Netz und einen Blick auf den Fluss und kann den säumigen Blogbeitrag nachholen. Langsam hört der Regen auf, der Parkplatz füllt sich und neben mir an der nassen Bank hat eine unerschrockene Wandergruppe zum fröhlichen Picknick geladen. Na dann wolln wir auch mal die Wanderwaden in Bewegung bringen.

Euch wünschen wir aus dem 15 Grad nasskalten Wales einen nicht zu heißen Tag und senden abkühlende Grüße in die Ferne.

Kommt gut durch den Tag.

2 Gedanken zu „Buddha for free“

  1. Hier ist es auch nicht besser, meine Liebe, aber der Wald die kleinen Bäche und Wasserfälle sind wirklich märchenhaft, da stört nicht mal the rain! Den Insulanern macht das ja übrigens nichts aus english weather! Morgen ist ein anderer Tag, vielleicht Sonne, keine grauen Städtchen, immer freundliche Menschen: nice to see you, alles wird gut!
    Auch für dich, liebe Marion, deine Bretagnemamie

  2. Wie schön, dass du dir von dem schlechten Wetter nicht die Laune verderben lässt und allem etwas Positives abgewinnen kannst… Euer Wald der letzten Übernachtung sah ja wirklich wunderschön und märchenhaft aus. Habt weiterhin eine schöne Zeit!
    PS.: Hier hat es auch tagelang geregnet. Und inzwischen ist es einfach zu warm….

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