Es wird eng

Es hat aus Eimern geregnet, die ganze Nacht, genau so, wie es mein Van-Kollege neben mir gestern vorausgesagt hatte. Doch pünktlich zur Gassirunde am Morgen hört es auf. Perfekt. Schönstes Urlaubswetter sieht zwar anders aus, aber das hier ist mir auf alle Fälle lieber als 40 Grad im Schatten.

Die Natur ist ringsum erfrischt und noch ganz nass, als wir uns auf den Weg zum Gospelpass machen. Diesmal nicht zu Fuß – der Dicke muss ran, denn hinterm Pass liegt unser Ziel. Nach einigen Anstrengungen hat unser Womo den Anstieg geschafft – wir sind ja auch nicht im Hochgebirge. Trotzdem eröffnet sich uns von oben ein wunderbarer, wenn auch ein bisschen wolkenverhangener Blick auf die Mitte von Wales und die Ausläufer der Black Mountains.

Ein Camper steht schon da und hat die regnerische Nacht wohl hier oben verbracht. Gleich darauf hält ein Taxi und lädt zwei Bergab-Wanderer aus. Na gut, die sind nicht mehr ganz jung – die dürfen das.

Da hinten, das Dünne ist die Straße.

Luna liegt derweil auf weichen Decken gebettet in ihrem Panoramasitz und kontrolliert wieder die Schafe.

Bisher war es ja nur die schmale Single-Track-Road, aber bergab wird es dann doch ein bisschen enger. Die typischen WeißdornWachholderHaselnussstrauchHecken grenzen größere Gefährte ganz schön ein – zum Teil auch nach oben und da fährst du dann quasi durch eine Röhre. Ich mach lieber langsam und habe zum Glück kaum Gegenverkehr. Nach 19km ist dann unser erstes Ziel erreicht: die verlassene Llanthony Priory – eine ehemalige Augustiner-Abtei von 1118. natürlich sind heute nur noch Ruinen zu sehen, aber in einem Teil davon hat ein kleines Hotel mit nur vier Zimmern eröffnet.

Herrlich mitten in der Natur gelegen, erinnert dieser Ort an die Ruinenbilder der Romantiker. Caspar David Friedrich hätte das hier sicher sehr gut gefallen und auch ich streiche mit Begeisterung um die Ruinen herum. Ein paar Gäste checken gerade ins Hotel ein, ansonsten ist das hier die Mitte von Nirgendwo. Genau 20 km sind es in beide Richtungen. Nur ein paar kleine Siedlungen von 2-3 Häuschen liegen am Wegesrand oder mal ein alter Bauernhof.

Das kleine Örtchen Cwmyoy sehe ich nur von weitem. Da hier die Hauptstraßen schon so eng sind, traue ich mir die Nebenstraße gar nicht erst zu und fahre lieber weiter. Doch schon im Vorbeifahren sieht das kleine dicke Kirchlein mit dem schiefen Turm so herrlich aus, dass ich am liebsten anhalten würde. Doch da ich den „Verkehr“ nicht stillegen will, hab ich lieber ein Bild aus dem Netz geklaut.

Das hier ist die Seite und da gibt es noch mehr lustige Bilder der kleinen Klapperkirche zu sehen:

Die Fahrt durch das Vale of Ewyas ist richtig schön. Noch schöner wäre es sicher im Mini, da hat man dann auch etwas mehr von der Landschaft und muss nicht immer in die letzte Ausweichbucht zurücksetzen, wenn mal einer kommt. Das nächste Ziel wird auch aus genau diesem Grund leider nichts: es ist zu eng. Zwei Zufahrten zu einem Wandergebiet des NT probiere ich aus, doch das wird nichts. Es ist für den Dicken zu gefährlich – da kommt der ohne Kratzer nie durch!!!.

Dafür landen wir aber eher zufällig am Tretower Court und Castle. Das „Two-in-one architectural wonder“ umfasst eine 900 jährige Geschichte, so sagt es jedenfalls Cadw, der walisische Verein zur Sicherung historischer Gebäude. Reste eines Turms von 1100 und ein Herrenhaus aus dem 15. Jahrhundert sind hier in einem Anwesen vereint.

Der ausnehmend freundliche Einlass führt mich herum, zeigt mir die wichtigsten Plätze und öffnet mir alle notwendigen Türen – ich bin neben einer Familie der einzige Gast. Außer den Steinen ist an diesem Ort nichts mehr wirklich echt, meint er. Aber man hätte es so eingerichtet, wie es mal ausgesehen haben könnte. Ich dürfte mich auf jeden Stuhl setzen und alles anfassen. Mir gefällt das ausnehmend gut. Klar haben Möbel und Behänge keine Patina, aber ich kann mir richtig vorstellen, wie die Gelage in diesem Raum stattgefunden haben.

Besonders gelungen finde ich die kleinen Animationen im Nebenraum, die den Kindern die Geschichte des Hauses erklären soll. Eine Schlange erzählt vom Wappen der Familie und dass es Weisheit bedeutete, wenn man jemanden mit einer ihrer Artgenossen um um den Hals gewickelt darstellte. Mein Guide meint aber, das sei vielleicht ein Gerücht oder ein Symbol für die um den Hals gewickelte Nabelschnur.

Das Gästebuch der Familie gibt Auskunft darüber, welch wichtige Personen hier weilten. Das erzählt der kleine Mann in der Animation dann auch in Walisisch. Hört mal:

So ein schöner Ort und kaum Publikum. Lange braucht man nicht, um alles zu erkunden, aber auch der kleine Picknick-Garten macht es vor allem mit Kindern zu einem wunderbaren Ausflugsziel. Ich schwatz noch ein wenig mit dem augenscheinlich unbeschäftigten Guide über Van-Life und lohnende Ziele in der Umgebung und dann setzen wir unseren Weg fort.

Der führt uns heute noch bis nach Builth Wells am Wye-Fluss. Außer einer Einkaufsstraße und einer schönen Brücke gibt es hier noch eine wunderbare Hundewiese und genau daneben am Fluss einen Parkplatz, wie ich ihn brauche. Sonst ist nicht viel los.

So ähnlich ist das auch im Nachbarort Llanwrtyd Wells, aber die haben sich mit dem Ausdenken skurriler Veranstaltungen einen Namen gemacht:

  • Schlammschnorcheln (World Bogsnorkelling Championsship jährlich im August)
  • mit Pferden um die Wette laufen (The Man Versus Horse Marathon jährlich Mitte Juni)
  • Welsh Open Stoneskimming Championsship (walisische Meisterschaft im Steine-übers-Wasser-hüpfen-lassen Ende August)
  • Real Ale Woble & Ramble, eine Meisterschaft, bei der man nur betrunken gegeneinander antreten darf werden dort veranstaltet.

Außerdem haben sie seit 2012 die Alternativen Olympischen Spiele ins Leben gerufen. Zu den Disziplinen zählt: Regenwürmersammeln, Ehefrauentragen, Eierwerfen, Rückwärtslaufen und Mountain Boarding. Bei letzterem fährt man mit einem Snowboard, an das luftbereifte Räder angebaut wurden, die Hänge runter.

So sind sie die Waliser – erst nicht rausgucken wollen und dann die Sau rauslassen – einen kleinen Eindruck (übrigens auch vom heutigen Wetter) bekommt man hier:

Na dann sucht euch was aus für euer nächstes Workout und wie immer:

Kommt gut durch die Nacht.

5 Gedanken zu „Es wird eng“

  1. Susanne und Andreas

    Liebe Schulzi,
    du hast völlig Recht mit den 40 Grad.Noch ist es nicht ganz geschafft,aber 35 Grad sind auch heftig genug.
    Wir schleichen von einem schattigen Plätzchen zum nächsten und versuchen es mit viel Wasser zu kompensieren.
    Wie glücklich wäre Grunis.
    Liebe Grüße und bis bald.

    1. Oh ja, das Wetter, wann ist uns das schon mal recht 😂 im Moment versuche ich hier bei 15 Grad und Dauerregen Schuhe, Klamotten und Hund irgendwie trocken zu kriegen 😂 Aber es wird schon! Liebste Grüße

  2. Guten Morgen, liebe Marion, mit etwas Verspätung melde ich mich bei euch👩🐕!
    Bei deinen wunderschönen, interessanten „Erzählungen“ kommt mir Wales so verwunschen, so märchenhaft vor, mir gefällt‘s. Mir fällt immer wieder das alte Lied, wann ich es gehört und gelernt habe????, ein: an der Saale hellem Strande—-,“ hörst du mich singen, du kennst es ja sicher auch!
    Erstaunt bin ich, wie dünn besiedelt dieser Teil der Insel ist, du wirst ja noch mehr berichten.
    Besuchst du auch die Grabstätte von Diana, Princess of Wales?
    Wettermäßig liegen wir wohl auf gleicher Linie, wenn‘s nicht regnet, kann man es aushalten. Knuddel Lunchen und lass dich drücken, love, die Médrouxer

  3. Meine liebe Marie, klar kenn ich das Lied, handelt ja von meiner Wahlheimat – Jena liegt an der Saale 😊 Ich höre dich singen 😊 Lunche pennt heute schon den ganzen Vormittag- die Pause tut ihr sehr gut. Wir stehen gemütlich am Mündungsgebiet des Mawddach Flusses und ich wollte eigentlich den Wanderweg mal ausprobieren- bisher waren mir die Regenpausen zu kurz 😂 Da hole ich mir wohl jetzt zur Abwechslung mal ein Buch raus.
    Ob ich Dianas Grab besuche, weiß ich noch nicht… schaumermal 👸Liebste Grüße 🙋🏻‍♀️🐶❤️

    1. Ach herrlich, liebste Marion… Ich habe jetzt sehr gelacht bei den alternativen olympischen Spielen in Wales! Und dass es dazu sogar eine Kika Sendung gab, ist echt der Hammer. Ich hätte beim „Steine übers Wasser hüpfen“ mitmachen wollen… 😅 Liebste Grüße!

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