Alles was ich brauche

 Der Brecon Beacons Nationalpark erstreckt sich im Süden Wales` über 1350 Quadratkilometer. Allerdings wohnen auf dieser Fläche nur 33000 Menschen, also ein Drittel der Einwohner Jenas. Wir beginnen den Tag an seinem westlichen Ende mit einer kleinen Wanderung. Schon gestern Abend hatten wir dem Parkplatz am Carreg Cennen Castle einen Besuch abgestattet, aber das Tor war schon zu. Wild entschlossen nun auch mal einen Zeltplatz anzusteuern, versuchte ich es gleich daneben, aber der war nicht mehr da… oder vorübergehend nicht in Betrieb oder so… Ein großes Schild hatte man mit einer schwarzen Plane zugehangen – ich habe nur vermutet, dass hier einmal ein Campingplatz-Symbol zu sehen war.

So gebe ich mich mich mit dem großen Parkplatz am Ortseingang von Llandeilo zufrieden. Immerhin kann ich hier auf einem Rasenstück unter einer Esche ganz ungestört übernachten. Hinten ein verschlossenes  Tor… da ist schon lange niemand mehr hineingefahren. Herab gebrochene Äste liegen dahinter und alles sieht sehr verfallen aus. Doch ab und zu kommen junge Männer vorbei, schwingen sich mit beeindruckender Geschmeidigkeit über die brusthohe Mauer und haben immer einen Ball dabei. Was da wohl sein mag? Am nächsten Morgen muss ich mir das mal genauer schauen. Auf der morgendlichen Gassirunde finde ich heraus, dass hinter den Zäunen ein großes Sportzentrum liegt. Tregib Sports Facilities nennt sich die Initiative und ein Blick auf die website verrät, hier kann man Hallen mieten. Ehrlich gesagt kommt mir vor, wie damals die alten verlassenen NVA-Kasernen, aber hier scheint noch wirklich Betrieb zu sein…

So richtig gemütlich ist das ganze Örtchen nicht. Eine laute Fernverkehrsstraße zieht sich mitten durchs Zentrum und der Rasen auf dem ich stehe, scheint mir der einzige im fußläufigen Umfeld zu sein – alles andere nur Asphalt mit dem auch Luna nicht glücklich wird.

Da fahren wir lieber wieder die 5km zurück zum hübschen Castle mit Nationalparkblick. Hier wird schon fleißig Kaffee gekocht und Kuchen geschleppt, denn im hinteren Haus findet ein Seminar statt – alles Frauen … vielleicht ein Kräuterkurs? Genug gibt es jedenfalls in der Umgebung zu sammeln. Mein Bedarf an Mädesüß ist für dieses Jahr fast gedeckt.

Ich bezahle die 6 Pfund Gebühr und starte die Wanderung mit einer Burgbesichtigung. Auf einem 100m hohen Kalksteinfelsen thront diese bekannteste der vielen walisischen Burgen über dem Tal und belohnt die wenigen Besucher mit eindrucksvollen Blicken in die Umgebung bis hin zu den Black Mountain. Wahrscheinlich schon in prähistorischer Zeit genutzt wurde der Platz im späten 12. Jahrhundert zur Baustelle der ersten Burg. Urien von Rheged und sein Sohn Owain hatten sich nicht nur einen Platz an King Arthurs Tafelrunde sondern auch diese Baustelle gesichert. Doch die Freude währte nicht lange, denn schon 1277 wurden die Waliser vom englischen König Edward I vertrieben bis sie sich die Burg 1403 wieder zurückeroberten. Doch in den englischen Rosenkriegen folgte die endgültige Zerstörung. 500 Mann haben ihr damals mit Brecheisen und Hacken den Garaus gemacht, um den Rebellen keine Möglichkeit für einen Stützpunkt zu belassen.

Wir genießen jedenfalls den wunderschönen Tag und ich vor allem den Ausblick. Doch auch Lunchen scheint daran interessiert zu sein.

Der Reiseführer schlägt eine Wanderroute als Burgumrundung vor und bietet gleich die GPS Daten dazu – na das machen wir doch. Ein großer Teil der Route führt im Tal an einem kleinen Bächlein entlang, was Luna sehr toll findet.

Gegen Mittag kommen wir wieder am Dicken an und fahren die kurze Strecke zurück nach Llandeilo und da sehe ich, dass auch ein scheinbar hässlicher Ort eine schöne Seite haben kann.

Ich erfahre, dass die alte Brücke von 1852 ein Teil der „Heart of Wales Railway“-Strecke ist, die 120km lang und eine der schönsten des Landes sein soll. 

Zug fahren möchte ich nicht, lade mir aber vor dem Wochenende meinen Kühlschrank im örtlichen „Supermarkt“ voll, immer wieder entsetzt darüber, wie groß in diesen Tante-Emma-Läden die Alkohol- und Süßigkeiten-Regal und wie spärlich das Gemüse-, Obst- und Brot- (naja nicht gleich „Brot“!) Angebot ist. Was man immer kaufen kann sind diese typischen Blätterteigtaschen (sogar warm), aber nach ein-, zweimal hat man die sowas von über… Da denke ich doch an das Buch von Max Moor und den titelgebenden Spruch, den ihm die Verkäuferin im Brandenburger Dorfkonsum entgegen schleuderte: „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht!“… naja, ich finde schon, was ich brauche und spendiere Luna sogar noch einen fantastischen Ballschleuderwurfarm, den wir im Dinefwr-Garten gleich ausprobieren. Toll, das Ding fliegt gleich dreimal soweit.

Wir sind wieder mal auf NT-Boden und im herrlichen Park befinden sich gleich zwei historische Gebäude: Newton House und Dinefwr (engl.: Dynevor) Castle. 

Luna muss eine kurze Pause im Auto machen, denn ich bummle ein bisschen durch das – nach mehreren Vorbauten – 1856 im neugotischen Stil erbaute Haus. Die Inneneinrichtung ist von 1912 und auch hier begegnet mir wieder „das Sofa“ – gleich in doppelter Ausführung. Außerdem hat man hier eine kleine Pilzkunde erschaffen (auf dem Glas darüber sind die Namen verzeichnet). Auch eine Ausstellung historischer, handgemalter Tapeten, alter Lichtschalter, historischer Kleider und des Stukkateur-Handwerks ist angeschlossen. Der Blick in den Garten verrät, warum Hunde hier nicht erlaubt sind. Ein Deer Park mit Rotwild schließt sich daran an.

Im Keller fühlt man sich dagegen in die Welt der Downton  Abbey zurück versetzt. Hier lebte und arbeitet das Personal genau wie im Film. Besonders schön ist, dass auch noch heute jemand an frische Blumen denkt. In jeder Ecke sind sie zu finden.

Zum Castle darf Luna nun aber wieder mitkommen und nach einer kurzen Pause auf dem weitläufigen Parkplatz genießen wir den Spaziergang und die Blicke ins Weite.

Seht ihr den Dicken?

Morgen möchte ich Dylan Thomas einen Besuch abstatten und deshalb nähern wir uns schon mal Laugharne. Dort steht ein kleines Bootshaus, dass er sehr geliebt haben muss. Viele seiner Texte sind dort entstanden und auch sein Grab findet man auf dem örtlichen Friedhof. Kurz vorher liegt direkt am Weg „The Marsh Campsite“, dem die Ehre zuteil wird, unser erster Zeltplatz in diesem Jahr zu sein. Und ich habe Glück, genau nach meinem Geschmack.

Alles was ich brauche, ist vorhanden: Wasser, Abwasser, Dusche und alles was es nicht gibt, brauche ich auch nicht: Lärm, Pipapo und viele Leute.

Hinter meinem Platz eine Wiese, ein kleines Biotop und nix weiter außer Bäumen. Nur ein anderer Camper steht auf dem kleinen Platz neben mir. Der Besitzer checkt mich für 25,- Pfund noch ein und verschwindet dann. Und jetzt Stuhl raus, Sommerfrische ins Glas, Natur genießen und Ruhe…

Liebe Grüße und… kommt gut durch die Nacht.

5 Gedanken zu „Alles was ich brauche“

  1. Es hört sich alles so märchenhaft an, Burgen , Schlösser, Ruinen, Gärten und herrliche Ausblicke in die wunderschöne, fast menschenleere Landschaft. Könnte mir auch gefallen, liebe Marion! Genieße weiter mit Lunchen, dann bekommen wir ja morgen wieder einen schönen Reisebericht und können sagen: da musste hin!
    Im WDR wird abends in der Lokalsendung immer ein Ausflugsziel vorgestellt, und das endet immer mit: da musste hin!
    Ich wünsche dir Sonne und etwas mehr Wärme, aber euch erschüttert ja nichts!
    Bises, deine Bretagnemamie

    1. Liebe Marion,
      so schön, was ihr in England erlebt. Ich muss tatsächlich auch mal die Gärten live sehen. Mit solchen Impressionen bin ich wirklich motiviert… Kommt auch gut durch die Nacht! Liebe Grüße

      1. Das ist wirklich eine Reise wert, aber die Gärten von Kent und dem Süden sind schöner als die in Wales. Da fahren wir nochmal gemeinsm hin 😃

    2. Nö, uns erschüttert nicht so schnell was. Gerade liegen wir mit guter Aussicht auf Aberporth noch entspannt in der Bordkoje – Luna hat sich einigermaßen beruhigt und das genießen wir noch ein paar Minütchen. Die Ruhe und Leere hier gefällt mir auch sehr. Nicht überlaufen, gerade richtig für uns. Und fast jeder hier hat oder liebt Hunde ❤️❤️❤️ Da musste hin 😊

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