Berühmtes Fenster und flotte Sohlen

Heinrich VIII hat nicht nur viele Frauen verschlissen, auch auf katholische Kirchengebäude hatte er es abgesehen, nachdem er vom Papst enttäuscht gewesen war, weil dieser eine Scheidung nun so gar nicht angemessen fand. Kurzerhand gabs also eine neue Landeskirche – The Church of England – passte ja auch gerade gut, da ein gewisser Herr Luther die Reformation angezettelt hatte. 

Nun war das aber für die kleine Abtei in Lacock ein Problem. Schon seit ungefähr 1200 hatten hier die Nonnen ein Zuhause und nachdem die katholische Kapelle auf Heinrichs Geheiß zerstört worden war, kaufte es 1540 ein Höfling der Tudors, William Sharington, für  783 Pfund. Er gestaltet die Abbey in seinen Landsitz um. Dafür wurden die Schlaf- und Essensräume in die beliebten Galerien umgewandelt, in denen hochherrschaftliche Damen bei Schlechtwetter lustwandeln konnten, Räume wurden verkleinert, aber zum Glück ließ man den wunderschönen Kreuzgang samt einiger Nebengelasse im Erdgeschoss bestehen (damit er später zum Schulflur der Hogwarts-Schule werden konnte ;)).

Über verschlungene Erbfolge-Pfade bekam es dann im Jahr 1800 der gerade mal 5 Monate alte William Henry Fox Talbot von seinem verstorbenen Vater vererbt. Warte mal – den kenn ich doch – na klar: in meinen Zeiten des Medienkunde-Unterrichts hab ich meinen Schülern im Modul Fotografie ausführlich über ihn berichtet. Talbot erfand nämlich das Negativ-Verfahren in der Fotografie. Und genau hier – in der Lacock Abbey hat er gelebt. Ein kleines Museum ist ihm gewidmet.

Auf meinem Rundgang durch die Abbey zeigt mir ein (wie immer beim NT) sehr freundlicher Mitarbeiter das berühmte Fenster. Hier saß er, an einem sonnigen Tag wie heute , der Herr Talbot und erstellte aus Experimentierfreude das erste Foto in der Art und Weise, wie es dann die ganze Welt bis zur Erfindung der Digitalfotografie nutzen sollte. Dass es aber nur so groß wie eine Briefmarke war, habe ich bis dato nicht gewusst.

Ich genieße die Zeit und die Leere in der morgendlichen Abbey und hole dann mein Lunchen, um mit ihr noch ein bisschen durch die umliegenden Auen zu streifen. Heeeerrrrlich, genau mein Wetter – leichtes Lüftchen, nicht mehr so heiß und blauer wolkenbetupfter Himmel – so mag ich das.

Mit frischem Brot versorgt machen wir uns auf zum nächsten Ziel – Machs gut du hübsches Lacock.

Gut einen Kilometer weiter ist ein kleiner Zeltplatz und ich muss den Dicken noch frisch machen. In der Rezeption ist keiner zu sehen. Ich klemm 5 Pfund unter den Tresen-Aufsteller. Als ich den Dicken rangiere, um an den Wasserhahn zu gelangen, kommt eine Dame auf mich zu und meint, das Trinkwasser sei da hinten, da käme ich besser ran. Neben ihr ein Mann, der freundlich lächelt. „Oh, danke“, sage ich, „und wenn sie die Besitzer sehen, sagen sie bitte Bescheid. Ich habe Geld hingelegt, weil ich ja nicht hier übernachte.“ Und was antwortet die Frau? „Vielen Dank, aber wir sind die Besitzer.“ Klasse, oder. Der Zeltplatz war so klein, die haben bestimmt gewusst, dass ich da nicht hingehöre. Und trotzdem war es kein Problem, dass ich meinen Dicken frischmache… das hab ich noch nicht erlebt. Super und deshalb eine dicke Empfehlung, falls ihr mal in der Nähe seid:

Eins der schönsten Dörfchen Englands soll Castle Combe sein. Da muss ich natürlich hin. Die Parkuhr am empfohlenen Abstellplatz verstehe nicht nur ich nicht, ein verständnisloser Pulk bildet sich um den Automaten –  und so ziehe ich die kostenlose Parkbucht oben an der Landstrasse vor – passt! Von da an gehts auf der Straße hinab ins Tal – nicht gerade ein schöner Weg, dafür aber ein hübsches Dorf. Von Castle Combe gibt es nicht viel zu berichten, aber Liebliches zu zeigen:

Nur ein Sträßchen, eine Kirche und ein Hotel bilden das Dorf und der Hingucker sind heute mal wieder drei lustige Chinesinnen in den seltsamsten Aufmachungen und verwunderlichsten Foto-Posen. Den Rückweg machen wir im Grünen, ich finde einen Trampelpfad unter Bäumen. Oben entscheide ich mich für rechts – ist das richtig? Ein paar Gatter später stehe ich auf einer Wiese und weiter hinten stoppt jemand seinen Rasentraktor und schaut irgendwie ausdauernd in meine Richtung. Eine ältere Frau kommt auf mich zu und ich frage nach der Straße. Das sei hier Privatland, meint sie. „Oh, I`m sorry, but can you show me the right way.“ Na klar, kann sie das und begleitet mich sogar ein Stück. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählt, dass sie das mit der Parkuhr ganz blöd findet, weil jetzt die Leute überall parken, nur nicht auf dem Parkplatz. Ähmmm, ja… ich hätte ja wollen.

Dann zeigt sie mir ihre Pferde, beide schon über 20 Jahre alt – der Braune sogar 29 – und man merkt, wie gern sie die beiden hat. Sie dürfen hier bei ihr auf dem Hof ihren Ruhestand genießen und eins ist mit einer Decke liebevoll gegen die Bremsen geschützt. 84 Jahre alt ist sie und bewirtschaftet ihren kleinen Hof fast allein. Ab und zu kommt jemand, der ihr hilft, wenn es zu schwer wird. Ich erzähle ihr, dass wir mit dem Womo unterwegs sind, das findet sie toll und so stehen wir am Zaun und schwatzen. Zum Abschluss frage ich noch nach einem Bild. Erst will sie nicht so recht, aber weil es für mein „Reisetagebuch“ ist, willigt sie dann doch ein… 

…meine britische Marietheres…

Nun ist es schon später Nachmittag und ich finde auf dem Malmesbury Long Stay Car Park einen fantastischen Stellplatz am Tetbury Avon Flüsschen mit herrlichen Wiesen unter Bäumen. Oben kann ich einen Blick auf die Malmesbury Abtei erhaschen und hier unten nimmt mein Lunchen erst mal ein erfrischendes Bad. Das Abendessen ist schnell gemacht und wir genießen beide die herrliche Feierabend – Stimmung. Ein älteres Ehepaar führt den Hund aus und streckt den Daumen hoch. Falls jemand meint, ich dürfe hier nicht stehen, zeigen sie mir noch einen Alternativstellplatz auf Google Maps.

Na das passt ja, dann machen wir es uns jetzt mal gemütlich… und als ich mich gerade ärgern will, dass WordPress hängt und ich meinen Blog nicht schreiben kann, ertönt von draußen liebliche Musik, das klingt doch wie live gespielt. Was machen denn die da hinten???

Ich natürlich gleich raus und hin… Da probt eine Tanzgruppe typisch englische Volkstänze und die Frauen – alle nicht mehr so ganz jung – nehmen mich begeistert in ihre Runde auf. Ich darf sogar ein Filmchen machen.

Das sind die Malmesbury Morris Dancer. Sie proben wöchentlich und haben nur im Winter ein Quartier. Im Sommer geht das outdoor. Am kommenden Mittwoch ist Auftritt und deshalb müssen sie heute straff üben. Trotzdem – wenn ich meine Schlappen wechsle – darf ich einen Tanz mitmachen. Zum Glück gibt es davon keinen Film, aber Spaß hatten alle ´ne ganze Menge. Danach werden noch Fotos geschossen, Fragen gestellt, Facebook-Kontakte geteilt… die Stimmung ist toll und ich bekomme sogar einen Button geschenkt.

Das war doch wieder mal ein Tag, so ganz nach meinem Geschmack. Kann gern so weitergehen. Kommt gut durch die Nacht.

6 Gedanken zu „Berühmtes Fenster und flotte Sohlen“

  1. Das ist ja einfach herrlich, was du gerade erlebst. Und die Engländer sind so nett. Ich freue mich dolle für dich!
    Dieses Dörfchen ist wirklich zauberhaft. Könnte auch Filmkulisse sein…
    Kommt gut durch die Nacht und bis morgen….

    1. Und da sind sie wieder..deine tollen Geschichten denen ich so gern folge 🤗 noch viele schöne Erlebnisse liebe Marion
      Grüße aus der Heimat

      1. Das war glaube ich die Antwort für die Netti 😂 aber auch an dich die herzlichsten Grüße und viel Spaß bei den Geschichten, von denen ich auch nie genug bekommen kann 😊

  2. Gabriele Eberhardt

    Hallo meine liebe Marion, seit dem Beginn deiner Reise VERFOLGE ich dich und bin von deinen traumhaften Fotos und Erlebnissen immer wieder auf’s Neue begeistert.
    Ich wünsche dir weiterhin zauberhafte Ereignisse und Begegnungen ….
    Liebe Grüße Gabi

  3. Liebe Grüße meine beste Gabi, ohne dich ist es nur halb so schön 🤗🤗🤗 Klasse, dass du mich wieder begleitest. Liebste Grüße 🙋🏻‍♀️🐶🇬🇧❤️

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