Wenn es irgendwann mal soweit ist, dann möchte ich genau so begraben werden:

Mitten in einer Wiese aus Gräsern und Margeriten, die die alten Steine überwuchern, mich wieder eins sein lassen mit der Natur, unterm Eichenbaum mit weit ausladender Krone, der die frühen Sonnenstrahlen bricht und den Boden golden betupft. Ist das nicht schön?? Vorgestern fuhr ich an Antwerpen oder war es Brügge vorbei und sah gleich neben der Autobahn einen riesigen Friedhof komplett aus Stein. Kein Grün, keine lebendige Natur, sogar die Blumen waren aus Plastik.

Hier dagegen hält man sich gern auf. Die wenigen morgendlichen Besucher lächeln, grüßen freundlich und setzen noch ein „What a peaceful morning“ hinzu. Die kleine Kirche von Beneden strahlt in warmen Sandsteintönen und selbst Luna ist willkommen an diesem Ort, stromert neugierig durch die Wiesen. Ich setze mich auf eine Parkbank und genieße den Tagesanfang, es zirpt, summt und zwitschert, mehr ist nicht zu hören.

Ich habe Zeit, denn erst um 10:00 Uhr öffnet das Tor in Sissinghurst, eine Stunde später die Gärten. Deshalb können wir uns auf diese Morgenrunde viel Zeit nehmen und auch das Frühstück am sonnigen Stellplatz genießen. Ab und zu bringen ein paar Mütter ihre Kids in den nahegelegenen Kindergarten, aber ansonsten ist das hier angenehmer als auf jedem Campingplatz.


Nach 7km und pünktlich 9:45 stehen wir am Tor, dass sich nur mit Zahlencode für Eingeweihte öffnen lässt, ganz brav am Rand und warten. Es dauert nicht lange, da kommen weitere PKW dazu und die legen nicht so viel Zurückhaltung an den Tag und nutzen die nächste Toröffnung und brettern hinterher. Frechheit, ich war die Erste und weil ich jetzt die Letzte bin und das Tor noch immer offen ist, starte auch ich den Dicken und komme am Garten an, noch bevor der Parkwächter sein Häuschen bezogen hat.

Sissinghurst, Klappe, die Zweite, wir kennen uns aus. Eine Stunde kann ich noch mit Luna durch die Umgebung streifen und den Hundeweg am See entlang mit der Hunde-Bade-Rampe finde ich auch gleich.




Wieder gibt es ne Menge Hundebekanntschaften zu machen und natürlich auch ein erfrischendes Bad. Das Schild gibt mir zu denken: „Wenn Sie die Baderampe nutzen, helfen Sie dabei, die Uferzonen zu schützen und lassen das Wild gedeihen.“ steht da recht freundlich. Klingt irgendwie anders als: „Hundebaden verboten“.

Kurz vor 11:00 hat Luna ihren Schattenplatz im Dicken bezogen und ich stehe mit einigen andern am Sissinghurst-Garten der Sackville-West-Harolds. Diese exzentrische Paar habe ich euch schon im letzten Jahr vorgestellt. Heute begleitet mich ein kleines Buch mit Teilen ihrer Aufzeichnungen und Korrespondenzen zu diesem Anwesen.
Ich konnte mir nicht vorstellen, mit welcher Präzision und Genauigkeit sie alles geplant, durchdacht, verworfen und neu konzipiert haben. Harold hat z.B. den Umfang und die Größe der angepflanzten Bäume jährlich gemessen und dokumentiert. Sichtachsen, Tordurchbrüche, verwendete Ziegelsteine, Bepflanzungen… alles haben sie auch miteinander diskutiert und bei Nichtgefallen verworfen. Dieser Garten ist ein Lebensprojekt und auch wenn manchmal das Geld knapp war, haben beide immer wieder genug zusammengekratzt, um diesen weltbekannten Garten zu kreieren. Zuletzt half ihnen das Erbe nach dem Tod der Mutter Ritas, für das sie allein 46 000 Pfund Erbschaftssteuer zahlen mussten, und sie waren alle Geldsorgen los. Schon nach wenigen Jahren empfingen sie in ihrem Refugium Gäste, die den Garten bestaunten, heute sind es jährlich mehr als 160 000 Menschen.

Mein liebster Ort ist der Rosengarten, der neben Rosen auch noch unzähliche andere Arten bereithält, farbe, Formen und Düfte kombiniert. Hier steht jetzt im Juni alles in voller Blüte und gedeiht nach einem nassen Frühjahr besonders prächtig.





Aber auch der Weiße Garten lässt alle Besucher staunend stehen. Welche Pracht!!!



Im Violetten Beet nahe dem Haupthaus sind alle Töne der namensgebenden Farbe versammelt und eine Gärtnerin erntet gerade Duftwicken in rauen Mengen.





Der wilde Obstgarten lädt zum Verweilen ein und der heiße Tag wird durch den umliegenden Kanal ein bisschen heruntergekühlt. Am Eingang habe ich mir einen Sonnenhut gekauft und sehe nun mit meinem geblümten Kleid fast so aus, wie die Frauen gestern aus dem Gartenreise-Bus – na ja, zwei drei Jährchen hatte die bestimmt mehr auf dem Buckel.
Ja, es lohnt sich, hier erstens wiederzukommen – der Garten sieht immer anders aus – und

zweitens pünktlich zu sein – auch heute reißt der Besucherstrom nicht ab.

Die Sonne steht hoch am Himmel und ich habe vorerst genug Sonne abbekommen – da machen wir uns auf nach Tudeley, einem Drei-Häuser-Dorf bei Tonbridge. Hier ist nix los. Es gibt einen Pub, das wars. Wäre da nicht die kleine Dorfkirche und ein ziemlich tragisches Ereignis aus dem Jahre 1963.

Diese junge Dame hier ist Sarah d’Avigdor-Goldsmid, die Tochter des Barons und reichen Erbes eines Edelmetallgeschäfts Sir Henry d’Avigdor-Goldsmid. Bei einer Segeltour im Ärmelkanal ertrank Sarah mit 1963 im Alter von nur 21 Jahren.

Ihr Vater bat darauf hin den Künstler Marc Chagall, in der nahegelegenen Kirche ein Gedenkfenster für seine Tochter anzufertigen. Diese hatte zwei Jahre zuvor in Paris einige seiner Werke gesehen und war fasziniert gewesen.

Als Chagall nun höchstpersönlich erschien, um das Buntglasfenster einbauen zu lassen, war er sofort begeistert von der kleinen Kirche und bot sich an, alle Fenster zu erneuern. Und nun hat dieser kleine Ort mehrere Chagall-Fenster zu bieten – was allerdings heute nur mich und maximal drei andere Leute interessiert.






Eigentlich super, denn schon habe ich meinen nächsten fantastischen Übernachtungsplatz gefunden.

Nun gibts aber erst ein wunderbares Mahl, denn wir waren eben mal noch schnell im Sainsbury`s keine 3km entfernt einkaufen.

Die Sonne hat immer noch Kraft, als wir gegen 16:00 zu einer kleinen Wanderung aufbrechen. Der Hinweg zu einer weiteren kleinen Kirche führt wieder mal durch Felder… vielleicht mach ich eine kleine Feldweg-Collection durch liebliche Landschaften.


Am Kirchentor ist schon ein Hündchen angebunden, also warte ich, bis das freundliche Paar die Kirche verlässt. Luna wartet brav an der Bank, doch als ich die Tür öffnen will, ist alles fest verschlossen. Da hatten die wohl den Schlüsseldienst, denn ab 17:00 Uhr ist hier geschlossen, schade.


Der Plan für morgen ist auch schon ausgedacht und nun sitze ich hier an der Chagall-Kirche und schreibe meine Zeilen in herrlich ruhiger Abendstimmung. Luna hat sich ins Gras gelegt und träumt von Eichhörnchen. Ich glaube in diesem Jahr könnte ich es schaffen: Tempo rausnehmen und langsam sein, zumindest habe ich gut angefangen 🙂

Kommt gut durch die Nacht.
Ich liebe dieses Klatschmohnbild!!! Und ja, eine Feldweg- Kollektion ist eine gute Idee… Es ist so schön, mit euch zu reisen. Und Lunchen ist eine wirklich brave Hundedame! Da kannst du stolz sein…. Lieben Gruß aus der Heimat!