Mit Tootsie in Lucca

Es regnet – schade, aber eigentlich nimmt dieses Wetter auch ein bisschen das Tempo raus. Wir stapfen morgens durch den Niesel und bummeln in den Tag. Der Kaffee dampft in der kühlen Küche und Angelo bringt ofenfrische Croissants – was für eine nette Geste. Dann schmöcker ich noch ein bisschen in meinen Kräuterbüchern und so langsam kommt dann doch ein Lüstchen auf, etwas zu unternehmen. So den ganzen Tag nur verbummeln, schaff ich eben doch nicht.

Lucca solls sein – 1h 20min zu fahren. Toto verabschiedet uns am Auto und los gehts. Auf halber Strecke den Berg hinunter kommt uns Angelo entgegen, sicher hat er in Barbarino das Nötigste eingekauft. Ich warte am schmalen Straßenrand, lasse den Gegenverkehr vorbei und als der genau neben mir zum Stehen kommt, erkenne ich ihn hinterm Steuer. Er senkt die Scheibe und fragt, was wir heute machen wollen. „Lucca?? Na vielleicht trefft ihr da ja Dustin Hofmann, der dreht da gerade einen Film, viel Spaß!“, und schon zuckelt er den Berg wieder hinauf. Dustin Hofmann – in Lucca – na klar…

Der Reiseführer schlägt einen kostenlosen Parkplatz gleich hinter der Stadtmauer vor und da ist bei dem Wetter noch jede Menge Platz. Ich parke neben einem deutschen Womo mit der Aufschrift „Aussi an Board“ und lasse meine Aussi-Dame von Bord gehen. Der scheint nichts mehr zu fehlen. Gut gelaunt und mittlerweile ohne Verband marschiert sie durch den Tag. Ab und zu desinfiziere ich die Narbe noch mit Wundspray, aber sonst ist alles super. 

Lucca ist ein hübscher Ort, der als Handels- und Verwaltungsstadt keinen hässlichen Industriegürtel hat. Schutz bietet immer noch eine dicke alte Mauer, die wir an der Porta Santa Maria durchschreiten. Oben auf dem Wall kann man einen 4km langen Spaziergang machen, wir begnügen uns mit 200m und biegen dann ab in Richtung Piazza Anfiteatro.

Als im Mittelalter der Platz innerhalb der Mauern nicht mehr reichte, baute man hier auf den Resten eines römischen Theaters einfach neue Häuser. Deshalb besitzt der Platz diese ungewöhnliche Form. Ringsum haben sich Restaurants angesiedelt, aber zu so früher Stunde kehrt da noch keiner ein, einzig die Kellner sind am Tischedecken.

Weiter gehts zum Torre Guinigi, einem 44m hohen Backsteinturm der als Wahrzeichen der Stadt gilt und einen fantastischen Blick über die Dächer bietet. Das Besondere: auf seiner Spitze wachsen jahrhundertealte Steineichen. Das möchte ich gern sehen und die Dame am Eingang erlaubt sogar, dass Luna mit hinauf darf. Die Hälfte der 230 Stufen schafft sie locker, doch dann werden es eisernen Stufe durch die man in die Tiefe blicken kann und das ist ihr nicht geheuer.

Vor mit hat zum Glück ein junger Mann aus einer kleinen Gruppe mehr Höhenangst als erwartet und er weigert sich trotz Ermunterung seiner Freunde, die letzten Höhenmeter zu überwinden. Das ist meine Chance und ich frage, ob er sich nicht derweil um meinen Hund kümmern will. „SI!!“, strahlt er mich erleichtert an und so hat er eine gute Ausrede seinen Freunden gegenüber, Luna einen neuen Freund und ich mache mich – auch mit weichen Beinen und stur nach oben gerichteten Blick – auf zur Spitze.

Der Blick ist grandios und wirklich den Aufstieg wert. 

Angelos Bemerkung geht mir nicht aus dem Kopf und ich nutze die Pause und frag mal Google, ob Dustin Hofmann wirklich „in the town“ ist?? Und was finde ich? Genau hier an diesem Platz hat er vor wenigen Tagen auch die Aussicht genossen. Witzig!

Lucca wird auch der „kleine Vatikan der Toskana“ genannt, weil hier exakt 99 Kirchen und Kapellen zu bestaunen sind. Die erste, die mich vor allem mit ihrem Portal beeindruckt, ist die San Michele in Foro. Auch hier baute man vom 11. bis 14. Jahrhundert auf altrömischen Resten: in Foro bedeutet im Forum. An gleicher Stelle erstreckte sich früher also das römische Forum. Die Kirche heute – ein Glanzstück der Steinmetzkunst. Verschiedene Farben, Formen, Muster, Motive, Symbole und Tiere sind hier zu bestaunen und man wünscht sich eine Hebebühne, um alles noch genauer betrachten zu können. Fast unglaublich ist die Geschichte, dass im 19.Jahrhundert die Köpfe oberhalb der Kapitelle durch damals bedeutende Persönlichkeiten ersetzt wurden. Man stelle sich nur vor, am Berliner Dom würden morgen die Sandsteinköpfe von Scholz, Lindner und Habeck prangen… Damals hat man das gemacht und so sieht man irgendwo da oben die Konterfeis Napoleon des III., Garibaldis und Cavours, letzterer ein italienischer Staatsmann.

Ein Blick durch die Tür, die ich mit Luna an der Leine nicht durchschreiten darf, zeigt einen recht schmucklosen Innenraum und so bummeln wir weiter durch die Gassen der gemütlichen Stadt. Zur Genüge säumen Schuh-, Klamotten-, Souvenir- und Parfümläden die Straßen. Auch Pizza und Eis gibt es an jeder Ecke, doch ich möchte mir gern den Palazzo Mansi anschauen. Doch vorher bringe ich mein Hündchen noch für eine Pause zurück ins Auto, denn ins Palazzo-Museum darf sie natürlich nicht mit hinein.

Unterwegs dann viele Miet-Transporter, eine Tonwagen, wuselnde Techniker – und ein schön geschmücktes … na bestimmt! Ist das nicht ein Filmset? Kronleuchter und weiß gedeckte Tische. Hier dreht bestimmt bald der Herr Hofmann. Ein Blick ins Netz verrät: Es entsteht ein neuer Film mit dem britischen Regisseur Peter Greenaway, ein Film in Luccas historischem Ambiente. Die Handlung erzählt die Geschichte eines New Yorker Schriftstellers, der sich ein Sabbatical gönnt und Lucca besucht, um seine italienischen Wurzeln zu erkunden. Als Hintergrund die Welt von 2001 mit dem Anschlag auf die Twin Towers. Okay, na da bin ich aber sehr neugierig drauf. Vielleicht erkennt man ja dann auch dieses Set.

Da hier alle noch am Aufbau sind, ist vom Hollywoodstar weit und breit nichts zu sehen. 

Nun aber los in den Palazzo und seine prunkvollen Gemächer des 17.Jahrhunderts. Dass die Familie Mansi eine reiche Tuchhändler-Dynastie war, lässt sich an den vielen, mit wertvollen Stoffen ausgekleideten Räumen unschwer erkennen, auch die Schlafgemächer sind über und über mit kostbaren Designs bedeckt.

Eine Gemäldesammlung, fantastische Deckengemälde und die herrliche Ruhe nehmen mich gefangen. Außer mir sind nur noch zwei weitere Besucher anwesend.

Eigentlich möchte ich noch ins Botanische Museum, aber die gemütliche Pizzaria lockt dann doch zu sehr.

Als Nachtisch gibt es ein Eis im Laden um die Ecke und auch hier in der Gelateria hat Dustin seine Spuren hinterlassen. „Was für ein freundlicher und einfacher Mensch“, meint die Verkäuferin verträumt. Ihr Lieblingsfilm sei „Tootsie“, sagt sie und übergibt mir zwei Kugeln leckersten, hausgemachten Eises.

Den Botanischen Garten lasse ich heute lieber. Es ist schon spät, das Wetter wird auch nicht besser und Luna wartet. Langsam schlendere ich den Weg zurück und hole meine verschlafene Hundedame aus dem Käfig. Nach einer kleinen Runde über den Platz machen wir uns auf den Heimweg und ich denke daran, dass es schon die letzte Nacht bei Angelo sein wird. Morgen gehts auf nach Florenz. Hoffentlich klappt alles, wie ich es geplant habe:

11:00 Parken in der Garage Bargello (bis zum nächsten Tag 13:00 gebucht)

Einchecken in der Wohnung Via dei Pandolfini nahe des Zentrums

14:00 Uffizien (Tickets schon gebucht)

So müsste es klappen und ich habe noch genügend Zeit, Luna an die neue Umgebung zu gewöhnen ☺️

Soweit der Plan – schaumerma… Kommt gut durch die Nacht.

Schillerndes Freskenmosaik an der Kirche San Frediano

6 Gedanken zu „Mit Tootsie in Lucca“

  1. Ich wünsche dir eine schöne Zeit in Florenz. Die Uffizien sind gigantisch, aber nach einem halben Tag dort waren wir platt. Man kann das gar nicht alles erfassen. Liebe Grüße Kordula

    1. Lieben Dank, das mach ich. Außer den Uffizien hab ich auch nix weiter vor. Vor Jahren war ich dort mit Mann und Kind. Da blieb wenig Zeit. Sarah hat vor Begeisterung über einen Engel Da Vincis die Alarmanlage ausgelöst- das ist in die Familienchronik eingegangen… Nun nehm ich mir so lange Zeit, wie ich brauche und dann bummel ich mit Lunababy am Arno entlang 🥰
      Liebe Grüße 🙋🏻‍♀️🐶

  2. Meine liebe Marion, das hat sich ja wieder herrlich lesen lassen… Bei den Treppen habe ich Luna verstanden. Das hätte ich wahrscheinlich auch nicht geschafft. Aber der Ausblick war tatsächlich grandios. Dieses Lucca ist wirklich reizend! Ich freue mich für dich, dass deine Kunstreise bisher gut verläuft. Hab morgen eine entspannte Fahrt und einen wunderschönen Tag in Florenz. Ich freue mich schon jetzt auf deine Bilder… Morgen starten wir dann auch! Liebste Grüße

    1. Danke meine Beste und auch euch eine gute Zeit 🤗🤗🤗
      Hoffentlich kann sich Luna in unserem Zimmer in Florenz gut einkuscheln, denn für die Uffizien brauch ich ne Weile… Ich werde berichten 🙋🏻‍♀️🐶♥️

  3. Es ist einfach wieder unglaublich schön, deinen zauberhaften Worten und Erlebnissen folgen zu dürfen meine Liebe …. ganz viel Spaß und Freude wünsche ich dir für dein nächstes Ziel ….
    Liebe Grüße von Gabi

    1. Danke liebe Gabi, auch mit Nieselwetter kann man Schönes sehen und ich mach weiter die Augen auf 👀
      Sei lieb gegrüßt und heute Abend gibts die News aus Florenz 🙋🏻‍♀️🐶♥️

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