Heilige Reste

Der morgendliche Terrassenblick wird immer besser. Heute liegt eine dicke weiße Wolkenschicht wie ein kuschelig weiches Federbett über Barbarino di Muggelo und dem großen Teich. Angelo freut sich, denn wir hier oben haben Sonne, die unten im Tal nicht.

Aufstehen, Ausblick genießen, Kaffe kochen, weiter Ausblick genießen… das ist mein Morgenritual und leider kommt Yoga schon wieder nicht drin vor, obwohl ich die Matte extra mitgenommen habe. Luna hat sich schon jetzt in den Schatten verkrümelt und ich kann den Tag ganz langsam beginnen.

Angelo meint, wir könnten doch mal das Tal des Sieve-Flusses entlangfahren, da gäbe es viel zu sehen. Also starten wir gegen 11:00 gemütlich in Richtung Vicchio. Am Weg ein auffälliges Gebäude, dass mit gestern schon direkt an der Hauptstrasse zwischen San Piero und Barberino ins Auge gestochen ist. 1450 ließen hier die Medici auf den Resten der Festung ihrer Vorgänger, der bislang herrschenden Ubaldini Familie, eine beeindruckende Villa errichten, die Villa di Cafaggiolo.

©Bild: Visti Tuscany

Hier soll Lorenzo der Prächtige sich von seinen Geschäften erholt und einer der ruhmloseren Nachfolger namens Pietro seine bildschöne Gattin Eleonore eigenhändig erwürgt haben. Leider kann man die wertvolle Innenausstattung sowie den Park nicht besichtigen kann, da die neuen Besitzer hier ein Luxusresort eröffnen wollen und so bleibt es beim Vorbeifahren, denn einen Parkplatz gibt es auch nicht. Nicht mal ein Foto ist drin und ich muss „klauen“.

Nahe Vicchio ist einer der berühmtesten italienischen Maler und Wegbereiter der Renaissance geboren: Giotto. Neben verschiedenen Fresken und hauptsächlich religiösen Gemälden stammt von ihm auch der erste Entwurf zum Campanille des Domes von Florenz. Als Giotto starb, war allerdings erst das Erdgeschoss fertiggestellt.

©Bild: Wikipedia

Ich folge den Hinweisschildern zu „Giotto Casa natale“ kurz vor Vicchio in Vespignano und auf dem Parkplatz nahe des Gebutshauses stehen schon einige Autos. Hier muss es sein und obwohl Montag ist, scheint das Museum ja geöffnet zu haben. Die Umgebung ist schon einmal wunderschön – einfach „malerisch“😉

Aber leider kommen mir die Menschen entgegen, keine läuft in meine Richtung und langsam leert sich der Parkplatz. Machen die etwa Siesta im Museum? Am Häuschen mit dem hübschen Garten angekommen kann ich keinen Besucher mehr sehen und schleiche durch den Garten. Nix los hier… Doch. Da hinten, eine Tür und es kommt Musik heraus. Luna stürmt vornweg und steht plötzlich mitten in einem Multimediaraum, in dem gerade zwei Männer eine Lichtbildshow einrichten. Beide lachen vergnügt über die unerwartete Besucherin und meinen, hier wäre heute geschlossen. Nun ja, ich drehe mich um und sehe, woher all die Menschen kommen: Nebenan aus der kleinen Kirche führt ein Pfarrer im purpurnen Ornat die Trauergemeinde den Weg hinunter und vornweg fährt der gläserne Mercedes mit dem Sarg. Da bin ich doch in Giottos Geburtsort mitten in eine Beerdigung geraten. Da oben rechts neben den beiden Zypressen, das ist der Friedhof und hier unten seht ihr rechts den Kirchturm.

Giottos Geburtshaus und Kirche daneben

Nicht weit entfernt ist die Ponte di Ragnaia. An dieser Brücke soll Giotto als Knabe gesessen und ein Schaf gemalt haben. Cimabue – sein späterer Lehrer – soll ihn dort entdeckt und sofort in seiner Werkstatt aufgenommen haben, so erzählt zumindestens die Legende.

Das Örtchen Vicchio selbst ist klein, verschlafen und obwohl auch der Maler Fra Angelico hier das Licht der Welt erblickte, kann man in der Stadt kein einziges Bild der beiden Berühmtheiten betrachten. Aber beim Gang durch die Stadt hab ich dann doch noch etwas entdeckt: Heilige Reste. Ja genau vor der städtischen Kirchentür: die sind bestimmt von gestern übriggeblieben und da der Segensspruch der Nonne geholfen hat und Lunchens Narbe trotz des Arno-Wasser- Bades gut heilt, leg ich meine kleine Gefährtin sofort unter den Olivenzweigsegen-Tisch. Kann ja auch nur helfen…

Unmengen heiliger Zweige für den kranken Hund

Auf dem Markplatz guckt der berühmte Sohn der Stadt – Giotto himself – mit dem Klemmbrett unter dem Arm, den Pinseln in der Hand gestreng auf die Ereignisse der Gegenwart und scheint nicht begeistert zu sein. Drüben, neben dem Gemüseladen kann man sehen, was hier so an Markttagen los sein kann, also nicht so totenstill wie heute wird das dann hoffentlich sein, vielleicht hat dann auch der olle Giotto mehr Spaß.

Nach einem kleinen Bummel fahren wir zurück nach San Piero. Auf dem Hügel über der Stadt trohnte einst stolz – jetzt eher zugewachsen und verhuscht – eine der vielen Festungen, die die Medici überall in der Toskana errichten ließen. Von 1434 bis 1737 herrschte diese Familie in der Region und musste dabei sicher auch so manche Schlacht schlagen. So entstanden viele imposante und wehrhafte Festungen von denen 10 hier bei Visit Tuscany vorgestellt werden:

Vom Zentrum San Pieros geht es immer bergauf. Auch jetzt ist es – um die späte Mittagszeit -vollkommen ruhig überall. Ansässige machen Pause , Touristen sind keine zu sehen und so haben wir beide – oben angekommen – die ganze Festung für uns alleine… doch leider nur von außen. Hier gibt es wieder mal keinen Eintritt, die Festung erscheint uns im wahrsten Worte uneinnehmbar, aber auch außen herum ist das ein ziemlich imposanter Brocken.

Hier seht ihr einen Videostill des Drohnenflugs von Wide Angle über das Fort und wer mag kann aufs Bild klicken und wird für den kompletten Flug zu Youtube weitergeleitet.

Wir trödeln also den Berg wieder hinab und ich mache hier und da noch ein paar von den typischen Detailfotos… ich kanns einfach nicht lassen:

Nun gehts heim an den warmen Kamin, den Angelo bestimmt schon wieder angefeuert hat, denn abends wirds frisch in der Wohnhalle überm Hühnerstall. Vorher noch frische Tomaten und Baguette, die Flasche Wein steht schon kalt. Kommt gut durch die Nacht

1 Gedanke zu „Heilige Reste“

  1. Hallo liebe Marion und natürlich Luna
    Ein wunderschönes Fleckchen habt ihr da oben. Morgens mit Vögelgezwitschere und einen traumhaften Blick zu frühstücken..einfach toll.
    Luna scheint es besser zu geh’n… kein Wunder bei der Pflege von Frauchen ! Ich wünsche euch eine richtig gute Zeit mit eindrucksvollen Erlebnissen.
    Grüße aus der Heimat

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