Miracles

Ich habe so gut geschlafen, wie in den letzten drei Wochen nicht. Auf dem unmöglichsten Stellplatz schlafe ich am besten…?? Doch wie immer ist die Nacht gegen 07:00 vorbei, ich streife den Hoodie drüber, wuschle einmal kurz durch die Haare und auf gehts zur Gassirunde. Herrlichstes Wetter begrüßt uns und als wir über die Themse rüber nach Eton laufen, bin ich schon fast mit dem Städtchen versöhnt. Eigentlich doch ganz hübsch

Das Eton College möchte ich mir ansehen. Ungefähr 1400 Jungen im Alter von 13 bis 18 Jahren aus aller Welt besuchen dieses zu den weltweit teuersten Schulen gehörende Institut. Die Grundgebühren von ca. 14.000 Pfund pro Schulhalbjahr werden durch Gebühren für Ausflüge, Musikunterricht und die Schulkleidung ergänzt. Neben den Prinzen William und Harry waren auch einige Premierminister  (Cameron und Johnson) an dieser „Kaderschmiede“ als Schüler angemeldet. Der neue König Charles war woanders und wer „The Crown“ gesehen hat, weiß auch warum.

©Bild: Eton College

Gegründet wurde es schon 1440 und rein darf man nur mit angemeldeter Führung. Als ich ankomme, weiß ich erst einmal gar nicht, welches Gebäude hier eigentlich die Schule ist. Aber an einer Tür steht ein Schild und ich trete näher. „Privat! No entry!“ steht auf dem einen Schild und auf dem anderen. SORRY, ETON COLLEGE IS CURRENTLY CLOSED TO THE PUBLIC… aber die Tür steht auf und ich gehe zaghaft ein Stück näher, um einen Blick in den Innenhof zu erhaschen.

Rechts neben mir ein Geräusch. Vielleicht ist da jemand, den ich mal fragen kann, ob hier nicht ein ordentliches Foto machbar wäre? Und aus der Tür tritt ein älterer Herr im Pförtner-Livree. Freundlich ist er und wendet sich gleich erst einmal Luna zu. Dann winkt er uns herein, und holt ihr erst einmal einen Napf Wasser. Sie solle zuerst was trinken… meint er, bevor ich auch nur „Good Morning“ sagen kann. Das hole ich natürlich nach und schon winkt er mir verschmitzt zu, ich solle ihm mal folgen, das interessiert mich doch bestimmt. Und ohne auch nur darum zu bitten, bekomme ich nun eine kleine Privatführung geschenkt. Nur fotografieren solle ich in den Innenräumen nicht, deshalb musste ich die Bilder leider aus dem Netz klauen.

©Wikipedia

Zuerst steckt er einen alten rostigen Schlüssel seines Schlüsselbundes in eine große Holztür. Dahinter verbirgt sich die Eton College Chapel. Ich halte die Luft an… wow, was für eine Decke und die Orgelbemalung… darauf war ich nicht vorbereitet und muss erst einmal meinen Blick schweifen lassen.

©Andrey Starostin

Luna stört ihn übrigens überhaupt nicht und damit ist die Eton Chapel die erste Kirche die Luna mit Erlaubnis von innen sieht – da werden Maßstäbe gesetzt.

©Bülow Education

Dann zeigt er mir noch den daneben liegenden Saal und führt mich danach in den ältesten Raum aus dem 15.Jahrhundert. Alte schwarze Balken und Holzmöbel dominieren das Zimmer und er erzählt mir, dass heute dort die Eton-Schüler zum Nachsitzen reinkommen, wenn sie was verbockt haben. Im Gang dazwischen sind viele Bronzetafeln mit Namen an den Wänden befestigt und ich frage ihn, wer dort genannt sein.

„Alle Lehrer und Schüler der Schule, die im 2. Weltkrieg gefallen sind. Ganz schön viele – nicht wahr?!“, meint er und zieht die Augenbrauen hoch. Doch gleich zeigt er auf eine andere Besonderheit: in die Wände sind überall Nachrichten geritzt. Die hier ist schon ziemlich alt:

Das sind Botschaften der Schüler. „Die e-Mail des 18.Jahrhunderts.“, meint mein Begleiter und schmunzelt. Ich frage ihn, wie es so sein, mit 1400 Millionärssöhnen zu arbeiten. Er lächelt und zuckt die Schulter: „Wir managen das schon!“ Er weist auf den Bau gegenüber.

rechts: Eton-Bibliothek, links: Aula

Ein barock anmutendes Gebäude. Eine Art 6 Sterne Schulaula. Da sei Asbest drin gewesen. Und ein Vater hat die vier Jahre andauernde Sanierung bezahlt: 15 Millionen Pfund. „Not bad, isn`t it?“ Na das ist doch mal eine Spende an den Förderverein.

Ich freue mich wie bekloppt über diese Möglichkeit, das alles zu sehen. Ich – ungewaschen, ungekämmt und im Schlabberlook – im Eton-College – der Hammer! 

Ich bedanke mich bei ihm ganz herzlich: „You made my day!“, sage ich lachend zu ihm und frage dann nach einem Foto. Na klar meint er und: „Sie wissen doch, der frühe Vogel fängt den Wurm!“ Sorry, lieber Traugott, aber ich glaube ich habe jetzt einen anderen Lieblings-Hausmeister 😉

Dann gibt er mir noch einen Tipp: Alles hier, jedes Gebäude gehört zum College. Da wohnen die Schüler, dort gibt es die Schulkleidung und da hinten, die lange Mauer, da finden sie kleine Kerben in der Wand. Dort klettern die Jungs immer hoch, wenn sie bei den sportlichen Wettkäpfen (irgendein Spiel – währscheinlich Quidditch 😉  ) zuschauen wollen und keine Plätze mehr bekommen haben. Das schau ich mir natürlich an.

Kletterhilfen
Unterkünfte der Jungen
Griffindor oder Slytherin

Klamotten für die Millionärssöhne:

Glücklich über den Tagesstart kommen wir am Womo an und dann folgt das Morgenprogramm. Heute muss ich ordentlich aussehen, es geht zum Gottesdienst.

St. Georges Chapel im Windsor Castle

 Luna ist schon in ihrer „Höhle“ verschwunden und ich laufe pünktlich los. Bei den Wachleuten, die hier überall herumlaufen, informiere ich mich, wie das hier so abläuft, denn die St. Georges Chapel ist im Schlosshof, braucht man da nicht ein Ticket? Nö. Man stellt sich neben eine bestimmte Lampe und wird dann abgeholt. Wer an einem Sonntag hier ist, sollte sich diese kostenlose Chance nicht entgehen lassen. Es ist einfach ein Traum. Bis dahin ist aber noch ein bisschen Zeit und ich kaufe mir ein Ticket fürs Castle danach, Einlasszeit: 11:30 Uhr, passt.

Das war zum Glück nicht die Kassen-, sondern die Gruppenschlange

Dann trinke ich noch einen gemütlichen Cafe und wundere mich über das Cinnamon Bistro gegenüber. Da sitzen fast nur Biker. Rundherum sind massenweise Fahrradständer und manchen schmeckt das Frühstück am besten mit Helm. Was ist hier denn los. Bin ich bei der Tour de France gelandet?  Google hilft. Das „Cinnamon“ gibt Bikern 10% Rabatt und so kommen viele sogar von der City of London bei ihrer morgendlichen Radrunde hier vorbei und machen ein Pause. So sieht das aus, denn die Räder, die hier davor stehen, sind sicher alles sehr teuer… aber wenn man beim Frühstück spart, hat man irgendwann so ein sauteures Bike zusammen – City-Community halt.

Nun aber los, der Service wartet nicht. Kurz vorher stößt Anne mit Tochter dazu und auch andere Angehörige der „Octaviens“ stehen an der Lampe. Stefan sucht noch einen Parkplatz… Und dann sitzen wir direkt im Chorgestühl unten rechts in der Mitte, dort wo sonst die Ritter vom Hosenbandorden sitzen – Wahnsinn.

Ich bin begeistert und obwohl man keine Aufnahmen machen darf, schieß ich ganz heimlich ein paar „aus der Hüfte“. Sogar ein paar Videos sind gelungen, falls einer Lust hat die Octaviens zu hören.

Der Pfarrer hält – obwohl ich nicht alles verstehe – eine wunderbare Predigt. Anschaulich und zugewandt spricht er über Wunder und wie man sie erleben kann… heute genau mein Thema, denn das hier ist schon das zweite Wunder.

Das dritte ist Wunder ein bisschen anstrengend, aber auch wunderbar. Anstrengend, weil alles an einem Tag stattfindet, Unmengen an Menschen dabei sind und es für die verbleibende Zeit einfach zu viel ist. Wunderbar, weil es das bisher beeindruckendste Schloss ist, was ich gesehen habe: Windsor Castle. Da weiß ich gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Mal kurz im Telegrammstil: riesige prunkvolle Räume, aufs Beste erhalten, unfassbare Gemäldesammlungen und Kunstschätze, man braucht vielleicht ne Woche, um hier einigermaßen alles zu erfassen. Ach Quatsch – reicht nie!

Ich leihe mir, von König Charles beäugt, einen Audioguide aus, gebs aber nach 10 Minuten auf, mein Gehirn will nicht mehr. Und dann lasse ich alles nur noch wirken.

Auch hier ist Fotografieren verboten, deshalb ist die Qualität der heimlichen Fotos nicht so toll, sorry.

Hier hängt der Cranach neben dem Dürer, dann kommt Rubens und Bruegel der Ältere undsoweiterundsofort….

Aber der hier ist mein Favorit. Keine Ahnung, wer der Künstler ist, doch das Schlitzohr da rechts ist doch prächtig dargestellt, isn`t it?

Einen kleinen Wallgarten zum Erholen gibt es auch noch und einen Turm und eine „Große Küchenführung“ und einen Wald … Schluss für heute!

Pünktlich zur abgelaufenen Parkuhr bin ich zurück, verlängere noch eine Stunde und lass Luna erst einmal Freilauf. Dann überlege ich mir, einen Garten vom NT anzufahren. Da kenn ich die Fakten: guter, kostenloser Parkplatz, Park rundherum, kleines Bistro… also los zu Emmets Garten, das ist schon in die richtige Richtung. Und dann verfranse ich mich auf der blöden M25 und fahre beinah 30(!) km Umweg…oh Mann… das fällt aus, also nächste Ausfahrt runter und neues Ziel anvisieren. Ich bin ziemlich platt, hab Hunger und nehme den nächsten Park, der sich anbietet. „ChartWell“. Und wieder ein kleines Wunder! Ich wusste gar nicht, dass dies das Wohnhaus und Anwesen Winston Churchills war. Gegen 15:30 kommen wir an und haben noch bis 17:00 Zeit, dieses Refugium zu genießen. Wir wandern durch den Garten, es gibt im kleinen Garten-Cafe den wahrscheinlich letzten Creme-Tea des Jahres, die Aussicht ist fantastisch und Luna kann durch die Wiesen schnüffeln. Herrlich!

Sir Winstons Lieblingsplatz

Nun hab ich aber wirklich genug für heute, nur ein Stellplatz muss her. Den finden wir auch im benachbarten Westerham – einfach, aber machbar und unweit des Zentrums. Ein kleiner Spaziergang zum CoOp ist noch drin und ich kaufe noch ein paar Lebensmittel. Auch hier wird Mister Churchill mit einer – naja zumindest nicht schmeichelhaften Statue verehrt und das kleine Kirchlein mit umliegenden Häusern leuchtet im abendlichen Licht. 

Morgen halte ich bestimmt nochmal in Chartwell an. Churchills Atelier möchte ich dann doch gerne sehen. Der große Politiker war nämlich auch ein ganz begabter Maler.

Nun endet ein Tag, der in zwei Wochen gepasst hätte und ich bin unbeschreiblich dankbar für diese Wunder. „Miracles“ – darüber hat der Pfarrer der St. Georgs Chapel heute gesprochen. „Miracles“ – die hab ich heute erlebt.

Kommt gut durch die Nacht.

4 Gedanken zu „Miracles“

  1. Hallo Marion, da hattest du ja wirklich einen Tag voller großer Eindrücke. Das muss man erst mal alles sacken lassen und verarbeiten. So tolle Bilder und Beschreibungen. Den Artikel über die Octaviens habe ich bei meiner nachträglichen Zeitungsschau auch gelesen. Es war für die Sänger sicher auch ein besonderer Moment in einer solchen Kirche aufzutreten. Wir sind seit Samstag wieder zu Hause und ich wünsche dir auch eine angenehme Rückreise. Liebe Grüße von Kordula

  2. Danke, liebe Kordula. Ihr habt ja auch eine tolle Reise mit vielen Highlights hinter euch 👍 Aber wie sind denn nun eure Womo-Erfahrungen? Nochmal oder nie wieder 😅?
    Herzliche Grüße und noch erholsame Tagen 🙋🏻‍♀️🐶

  3. Das war wirklich wie im Traum, liebe Marion, was du da erlebt hast und sogar ETON mit Luna!
    Wird es noch mehr Höhepunkte geben oder geht’s bald heimwärts?
    Ich wünsche dir noch wunderschöne Tage, passt auf euch auch, Marietheres

  4. Hallo liebe Marietheres- das war das fulminante Finale 😂 ich werd vielleicht noch ein zwei Posts machen, aber wir pendeln gerade ein bisschen aus. Am Mittwoch 21:00 Uhr geht die Fähre zurück und dann muss ich nur noch fahren… 780 km 🤪 Aber das schaff ich schon 😃 Ich hoffe euch geht es super und die Sonne lässt sich bei euch auch mal wieder blicken ☀️
    Liebe Grüße aus Deal 🙋🏻‍♀️🐶

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