Welcome to the British Summer

… so empfing mich die Ticketverkäuferin am Greys Court, als Luna und ich vor ihr standen, tropfnass von den 150m vom Parkplatz bis hierher. Aber wir lassen uns nicht entmutigen und nutzen den Tag um noch zwei kleine Anwesen zu besuchen. Gärten zu zweit – Haus allein. Mit diesem System kommen wir beide sehr gut klar und ich kann Natur und Kultur verbinden. Augenscheinlich hat sich die englische stoische Gelassenheit gegenüber schlechtem Wetter schon auf mich übertragen, denn ich nehms nicht tragisch.

Auch durch Wälder kann man Wandern, aber das geben wir nach 30 Minuten dann tatsächlich auf. Blätter, Zweige, Stämme klatschnass und die Kühe flüchten unter die Bäume. Ob das was bringt?

Das Anwesen ist wunderschön. Weite Blickachsen tun sich über hügeligem Gelände auf und ein kleiner aber bei Sonne sicher wunderschöner Garten ist angeschlossen. An der Hausfront blüht eine cremweiße Magnolie. Ein Traum!

Das Haus ist schon ziemlich alt, so wie die meisten Herrenhäuser, die ich in den letzten Wochen besucht habe. 1575 wurde es erbaut und ging dann durch viele Hände, bis es Sir Felix und Lady Elizabeth Brunner im Jahre 1937 kauften und restaurierten. Hier zogen sie ihre vier Söhne auf, erlebten den 2. Weltkrieg und verbrachten gemeinsam ihre Lebenszeit.

Sir Felix erkrankte und starb schon 1982 an Parkinson. Dieses Gemälde zeigt die beiden in dieser Zeit. Der Maler konnte allerdings nur Lady Elizabeth direkt abzeichen, Sir Felix war da schon schwer bettlägerig.

Seine Frau allerdings wurde fast 100 Jahre alt und lebte bis zum Schluss 2003 vor Ort. Das Haus hatten beide aber schon zu Lebzeiten 1969 an den National Trust überschrieben.

Eigentlich darf ich ja nicht hinein in die gute Stube, denn Hunde sind natürlich verboten. Aber weil so wenig los ist, bietet sich die Dame am Einlass an, auf Luna aufzupassen. Aus dem Inneren klingt leise Klaviermusik. Und tatsächlich sitz da jemand am Flügel und spielt. Herrlich!

Ich schleiche flink durch alle Räume und finde, dass das hier ein herrlicher Mix aus alt und mittelalt ist. Besonders in Küche und Bad stechen die „modernen“ Armaturen der 70er hervor, zum Fotografieren bleibt da aber keine Zeit, denn ich wollte die Dame nicht so lange warten lassen.

Der Mann am Ausgang gibt uns noch den Tipp, 6km weiter, den Nuffield Place zu besuchen, was ich dann auch prompt erledige. Ich liebe ja Orte, die eine Geschichte erzählen und Nuffield Place hat eine besondere zu bieten.

William Morris, der spätere Lord Nuffield, wurde 1877 geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Als sein Vater erkrankte, musste er mit 15 Jahren Geld verdienen. Bald aber startete er sein erstes kleines Unternehmen – ein Fahrradwerkstatt in Mutters Küche. Das Geschäft lief. Es folgte eine Fahrradmanufaktur, und – als die ersten Personenkraftwagen für den Privatgebrauch auf den Markt kamen – eine Art Autohaus.

Hier das Auto seiner Frau für die kleinen Wege ins Nachbardorf.

Doch dabei beließ es der findige junge Mann nicht, baute später eigene Autos und erweiterte sein Unternehmen, bis er der reichste Mann ganz Englands war.

© Oxford Busmuseum

Der reichste Mann? Dafür ist das Häuschen aber sehr bescheiden. Keine prunkvolle Ausstattung, keine repräsentativen Kunstwerke, nix… Das Ehepaar Nuffield war nicht nur sparsam. Vor allem die Wohltätigkeit lag ihnen am Herzen. Hier sind seine Spenden einmal zusammengefasst.

Insgesamt wären das über die Jahre im heutigen Gegenwert 11 Billionen Pfund, die er an verschiedene Organisationen spendete. So stattete er z.B. Krankenhäuser mit der damals hochmodernen „Eisernen Lunge“ aus, die hier zu sehen ist.

Den Adelstitel hat er übrigens aufgrund seiner Verdienste am Gemeinwohl verliehen bekommen. Er wäre vererbbar, leider hatte das Paar keine Kinder. Als Namen wählte er den Namen des kleinen Dörfchens in dem er 1933 sein Haus gekauft hatte: Lord, Viscount Nuffield.

Außerdem hatte Herr von Nuffield ein Problem. Er schlief schlecht. Und als ich verwundert frage, warum es hier kein eheliches Schlafzimmer gebe, zeigt mir die Museumsdame einen Schrank, der sich in einer Wand des Schlafzimmers seiner Lordschaft befindet.

„Würden sie gern mit jemandem in einem Zimmer schlafen, der regelmäßig nachts aufsteht, um etwas zu bauen?“, fragt sie mich listig und dann erzählt sie begeistert von diesem hier sehr verehrten Mann. Außerdem zeigt sie auf die hellblaue Auslegware. Ein bisschen zusammengestückelt sieht die aus. Ja richtig, die besteht aus Resten seiner Autofirma. Damit waren die Karossen im Fahrerraum ausgekleidet. Die Reste hat der Millionär hier verwendet. Dieser Spruch hing übrigens in seinem Arbeitszimmer:

Als ich in den Garten komme, reißt der Himmel auf, tropfnass und schwer hängen alle Zweige, Blumen und Sträucher zur Erde, aber ich genieße die schöne Atmosphäre.

Dann hole ich mir meinen Lehnstuhl aus dem Auto, koch mir ein Mahl und setz mich mit Luna auf die Wiese neben das Womo zur späten Mittagspause gegen 15:00 Uhr.

Nun scheint es ja in UK immer mal zu regnen. Die Straßenkanalisation ist aber leider darauf irgendwie nicht eingerichtet. Überall strömt und sprudelt es, riesige Pfützen bilden sich auf den Straßen, an den Rändern, mitten im Kreisverkehr, ich produziere bei Gegenverkehr unfassbar große Fontänen, weil ich den „Ozeanen“ nicht ausweichen kann und weiß oft nicht wirklich, durch welchen Wasserstand ich da gleich durchfahre, wie hier vor der Einfahrt in den Garten zu sehen.

Wir machen uns auf nach Windsor, da will ich morgen zum Gottesdienst. Die Jenaer „Octavians“ singen und Annes Sohn ist dabei.

Schloss nich geflaggt – King nicht zuhause, der treibt sich doch wieder in Scotland rum 😉

Das finde ich Klasse und stell mich auf einen nahegelegenen Parkplatz ohne Nachtprakverbot. Nicht besonders schön, aber praktisch. Ein spätnachmittäglicher Bummel durch Windsor ist allerdings etwas ernüchternd. Ist das vielleicht die Gefahr bei großen Namen? Stonehenge, Windsor, Cornwall… Ich fand die kleineren Entdeckungen alle irgendwie besser.

Hier ist alles irgendwie verstopft, verzwickt und … na ja… unaufgeräumt. Historie gemixt mit Baustelle, Einkaufsmeile, regelmäßigen Flugzeugüberflügen der Startbahn Heathrow Airport, Eisenbahnlinie und Bahnhof…

Ein paar nette Kneipengässchen schließen sich ans Schloss an – dass schon gegen 16:00 geschlossen ist. Funfact: Überall ist Betrieb… nur der Prince Harry Pub ist leer. Zufall? „He is not popular in Britan!“, meinte gestern die Museumsfrau. Ha, und das ist der Beweis: Kein Beer im Namen des „Verräters“!

Nicht mal die Taxis sind richtig… so gehört sich das nicht in good old UK
Geschlossen!

Durch einen reichlich mit herumlungernden, seltsamen Gestalten belagerten Alexandra Garden laufen wir an der Themse zurück und machen es uns im Womo gemütlich. Ich freu mich auf morgen. 10:45 in St. Georges Chapel.

…und da isser wieder der Regenhimmel…

Kommt gut durch die Nacht.

2 Gedanken zu „Welcome to the British Summer“

  1. Ich fand alles wieder sehr interessant zu lesen und zu sehen, liebe Marion! Ihr scheut den Regen nicht, aber oft ist’s nicht so angenehm!
    Morgen viel Spaß und Freude bei den Jenaer Octavians in der St. Georges Chapel. Das ist doch wirklich Glück!
    Schlaft gut, liebe Grüße, die Médrouxer

  2. Danke, liebe Medrouxer, den hatten wir 😃 siehe Blogpost morgen. Heute ist nun das Gas leer, Strom geht auch wieder mal dem Ende entgegen und so ist die Heimfahrt nicht mehr fern 🥹 Noch zweimal schlafen 😴

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