Heilige Steine

Am Morgen erwartet uns und die Nachbarn aus Spanien ein blauer Hummel mit weißen Wölkchen. Alle sind früh auf den Beinen und schon 08:30 Uhr stehen wir an der Einfahrt von Stonehenge. Fünf Minuten später rollt der Dicke als erster auf das riesige Womo-Parkfeld. Die Ausmaße lassen einen Massenansturm vermuten. Ein großes Visitor-Center mit Cafe, Ticketshop, Museum etc. empfängt den Besucher und man kann seltsamerweise durch das Gate hindurchlaufen.

Ich schau mir die neolithischen Hütten und die originalgetreue Nachbildung eines Steinschlittens an, mit dem die heiligen Steine transportiert worden. Ihn zu bewegen, brauchte man 100 starke Männer.

Erst 9:30 öffnet der Ticketshop, aber die ersten stehen schon. Ich stelle mich dazu. 45 Minuten später sind es schon fast 100 Leute – und die haben noch nicht mal geöffnet. Von hier ist noch kein Steinkreis zu sehen. Bis zum Horizont Felder…und es ist außer Luna auch kein weiterer Hund in der Schlange zu entdecken. Mehrere Angestellte laufen vorbei, aber keiner sagt was. Auch ein Hundeverbotsschild ist nirgends zu sehen. Als ich dann dran bin, meint der Verkäufer, dass ich mit Hund nur den Außenweg nehmen könnte. Außenweg? Ja, ich spare mir die fast 30 Pfund Eintritt und laufe 2km bis zum Steinkreis. Außen herum halt. Na herrlich, da hätte ich ja schon vor einer Stunde loslaufen können und hätte den mysteriösen Ort fast für mich allein gehabt uuund… die dicken Wolken, die sich gerade auftun, gab es vorhin noch nicht.

Okay, ich laufe und spare ziemlich viel Geld, die anderen Besucher fahren Bus… Am Waldrand dann eröffnet sich eine kleine Senke und man blickt hinüber zum über 5000 Jahre alten Heiligtum

Schon von weitem kann man sie sehen – die vielen Womos, die am Feldrand in Blickweite zu den Steinen parken. An die 50 könnten es sein, die hier übernachtet haben.

Menschenmengen die alle Busse, die an mir vorbeigerauscht sind, schon ausgespuckt haben, laufen über die Wiesen rundherum. In der Wendeschleife befindet sich der Eingang. Durch den darf ich nicht gehen und werde von einem Weidezaun auf Abstand gehalten.

Aber auch viele der Bezahl-Gäste laufen in dieser Entfernung. Einen großen Unterschied macht das nicht. Auf Tuchfühlung mit den Steinen darf man hier eh nicht gehen. Nicht weit dahinter rauscht die Blechlavine der Fernverkehrsstrasse vorbei, nebenan repariert ein Bauer seinen Trecker. Stimmung kommt hier keine auf, ich gehe innerlich auf Abstand und beobachte einfach nur. Schade eigentlich, denn das, was die Menschen an diesem Ort vor fünf Jahrtausenden geleistet haben, ist unfasslich.

Tonnenschwere Basaltsteine brachten sie z.B. von Wales ca. 400km bis hierher. Mit riesigen Schlitten über eine Holzrollenbahn (das Rad gab es damals noch nicht) bewegte man die Findlinge, behaute und glättete sie vor Ort und setzte sie dann mit Steinzapfen verankert zusammen. Von den religiösen Hintergründen wissen wir heute sicherlich nicht alles genau, aber mich beeindruckt immer wieder, wieviel Kraft und Zeit die Menschheit auch damals schon in Projekte stecken konnte, die nicht direkt der Lebenserhaltung dienten – oder doch? Ist Spiritualität eben doch lebenserhaltend? Eine rein materielle Welt ist vielleicht zum Scheitern verurteilt? Doch Stopp … ich schweife ab.

Was hier nun echt oder unecht, richtig oder falsch ist, kann ich nicht wirklich beurteilen. „Abgeholt“ – wie man Neudeutsch so schön sagt – hat mich der Ort nicht. Und die archäologische Querelen sind in meinem Michael Müller Verlag Reiseführer so schön beschrieben, dass ich sie für Interessierte mal hier abbilde.

Dafür hatte ich Spaß bei den Campern. Der ein oder andere bunte Vogel war auch hier wieder dabei. Stonehenge übt trotz der weltlichen Zustände , die vor Ort zu beobachten sind, auf viele Esoteriker immer noch eine magische Anziehungskraft aus. Vor allem zur Sonnenwende am 21. Juni pilgerten immer mehr Mensch hierher und campierten tagelang auf den Felder ringsumher. Archäologen schlugen Alarm, die Polizei griff ein und so kam es 1985 zum „Battle of the Beanfield“, bei dem sich  vor laufenden Kameras Druiden, Esoteriker, New Age Jünger und die Polizei eine Schlacht lieferten – ganz weltlich also… Bis 2000 blieben diese Treffen dann verboten und heute… stehen die Womos halt am Feldrand.

Anruf bei den Ahnen?
Zwischen Womo-Park und Autobahn

Doch mehr kann ich mit dem Ort nicht anfangen. Selbst das Umwandern ist nicht möglich, weil die Schnellstraße dahinter die Landschaft durchschneidet. Wir laufen also den Weg zurück. Am Visitorcenter hat sich die Schlange verdreifacht …. und Tschüssssss!

Kleiner Shop in Avebury

Da ist mir Avebury doch mehr ans Herz gewachsen. Hier gibt es den mit 400m Durchmesser größten Steinkreis der Welt. Rundherum von einer Hügelanlage umschlossen, entstand er zwischen 3400 und 2600 vor Christus.

Heute ist er nicht mehr vollständig, wird von Straßen durchkreuzt, viele Steine sind verschwunden und man hat Häuser hinein gebaut. Das Areal ist aber gut begehbar. Man darf friedlich zwischen den Steinen herumspazieren, die blumenbedeckten Wiesen genießen, ein Picknick veranstalten oder an den vier Buchen einen Wunsch verstecken oder einfach nur über das Wurzelwerk staunen.

Mit Steinkreisen kann ich wahrscheinlich auch deshalb nichts anfangen, weil ich nie weiß, wie man die fotografieren soll. Aber der hier ist mir trotzdem sehr sympathisch – da macht sich ein gutes Gefühl breit oder wie der Druide sagen würde – hier stimmen die Energien.

Lunchen verschwindet dann wieder im Auto und ich wende mich Manor House zu, und es wird zu meinem Lieblingsmuseum. Schon beim Eintritt bemerkt man eine andere Atmosphäre. Ist das jetzt jetzt schon die Ausstellung oder wohnt hier eine Großfamilie?

Der freundliche Mann am Eingang klärt mich auf. Das Haus stammt aus dem 16. Jahrhundert und ging dann durch mehrere Hände bis 1991 der National Trust Haus und Land erwarb. Und dann kam 2011 die BBC mit einem Angebot, das NT nicht abschlagen konnte. Der TV-Kanal brauchte für eine Serie („The Manor Reborn“) ein historisches Gebäude.

Das wurde auf BBC-Kosten restauriert mit historischen oder nachgebauten Möbeln ausgestattet und dann gab es mehrere Serien, die die Personen vorstellten, die in dem Gebäude gelebt hatten. Evtl. – man weiß es nicht – hat sogar Queen Anne hier mal eine Zeit verbracht. Die traurige Anne. 18 Schwangerschaften hat sie durchgemacht, ein Kind hat überlebt… bis es 11 Jahre alt war. Im Alter krank und sehr übergewichtig soll sie evtl. hier einmal gewesen sein. Die Räume sind nach dem Stil ihrer Lebenszeit eingerichtet, also 17./18.Jahd. Heute darf man fast alle Gegenstände im Haus anfassen, benutzen und ausprobieren, wie es sich z.B. in so einem alten Bett schläft… liegt… bequem soll es sein, gepolstert mit Stroh und Daunenfedern. Davon lasse ich lieber ab, denn der Einlassmann warnte mich vor den Bettläusen 😉

Aber ich setze mich auf die Recamiere in Queen Anns Ankleidezimmer. „You have to look like a queen!“, sagt die nette Museumsfrau und nun schaut, was dabei rauskommt, wenn ich das versuche, wie eine Lady zu gucken… 

Funfact: Genau dieses gelbe Sofa könnt ihr in dieser kurzen Reportage über Manor House wiederentdecken. Hier werden gerade einige Einrichtungsgegenstände, die entweder nachgebaut oder „von wer weiß woher besorgt wurden.“ (O-Ton Museumsdame) angeliefert.

Auch wunderbar: die Küche. Hier einmal die Auswahl an alten Küchengeräten. Ratet doch mal, wozu die gut waren… die Auflösung gibts später.

1.
2.
3.
4. … besonders interessant für Enrico 😉

Und „tagesaktuell“ liegen Times und Daily Miror bereit… die fühlen sich wirklich echt an… das hat die BBC gut hinbekommen. Da brannte doch bestimmt wieder mal ein Elektroauto und hat das schöne Schiff kaputt gemacht…

Der Garten ist klein aber hübsch. Im Küchengarten werden einige Beete gemeinsam mit der ortsansässigen Grundschule betreut. Schulgarten im Herrenhaus – gute Idee.

Der Tag war lang und ich brauche einen Übernachtungsplatz. Diese Gegend ist vollgestopft mit historischen Orten und auf den nächsten zwei Kilometern kommen wir am Silbury Hill, dem größten von Menschen gemachten Hügel Europas und einer der größten der Welt vorbei. Keiner weiß übrigens warum. Es folgt The Sanctuary – noch ein Steinkreis und, und, und… hier könnten neolithisch Interessierte wahrscheinlich jahrelang Urlaub machen, aber die Parkplätze an den Kultstätten sind leider zum Übernachten nicht geeignet. Zu klein, zu laut.

Dann fahre ich halt in den Wald… Höhenbegrenzung 🤪

Versuch auf dem Wald- Parkplatz am Postern Hill? 19:00 Uhr kommt der hupende Parkwächter vorbeigefahren und schmeißt uns raus. Schranke runter! 🤨

Hm, wir trudeln zurück nach Marlborough. Hier soll übrigens Merlin begraben worden sein – mein Gott ist das eine mystische Gegend – und dann sehe ich das Long Stay Parkplatz Schild. Mitten in der Satdt an einem kleinen Bach mit Wiese und Blumen, Internet uuuuund… Dönerauto 🙂 🤩 „Einen Chicken Kebab bitte!“, ab ins Womo und leeeeecker Abendbrot genießen. Manchmal brauchts zum Glück eben einen etwas längeren Anlauf… Kommt gut durch die Nacht.

Lösung:

1 Waffeleisen

2 Flaschenöffner / Korkenzieher

3 Messerschleifer

4. Teigknetmaschine 🙂

4 Gedanken zu „Heilige Steine“

  1. Hallo liebe Marion
    ein Wahnsinns Tag liegt hinter euch beiden, voller Eindrücke, die erst einmal verarbeitet werden wollen. Ganz ehrlich „Stonehenge „ irgendwie hatte ich eine andere Erwartungshaltung. Wenn ich an deine Naturerlebnis und Bilder von Bäumen und die Weite an der Küste , mit den wunderschönen Ausblicken denke die du erlebt hast…….ja dann ist Stonehenge….irgendwie enttäuschend. Aber egal, alles hat seine Berechtigung und wenn es die Erfahrung ist „nicht alles was glänzt ist Gold“.
    Ganz liebe Grüße und weiterhin viele wunderschöne Erlebnisse
    Sabine🙋‍♀️🐶👍☀️

  2. Hallo liebe Sabine, lieben Dank für deine schönen Feedbacks 🥰. Mit dem Verarbeiten ist das wirklich so eine Sache… Das Schreiben hilft mir da sehr. Einerseits reflektiere ich am Abend die Erlebnisse noch einmal. Aber auch nach der Reise ist es eine sehr schöne Erinnerung auch an das, was ich an dem Ort empfunden hab. Aber meine „Festplatte“ ist jetzt schon ganz schön voll 😅
    Liebe Grüße 🙋🏻‍♀️🐶

  3. Ach, war das wieder schön zu lesen…. Ich hatte ehrlich gesagt von Stonehenge auch eine andere Vorstellung/ Erwartung. Aber dafür hast du wahrscheinlich schon so viel anderes Schönes, Mystisches, Interessantes…. erlebt. Wie du es so schön formulierst: die Festplatte ist voll. So ging es uns in Island auch…. Ich fand tatsächlich aber auch andere Dinge sehr viel beeindruckender. Ein Museum zum anfassen. Die Grundschule betreut den Schulgarten. Das ist richtig toll!!! Hab einen schönen Tag und fühlt euch lieb gedrückt!

    1. Das glaube ich dir gern, in Island habt ihr so viel gesehen und erlebt. Das braucht Zeit zum „Setzen“. Ich grüße dich ganz herzlich vom vorvorletzten Übernachtungsplatz – übermorgen geht unsere Fähre zurück 😢

Schreibe einen Kommentar zu Netti Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert