Lorna Doone die Räuberbraut

Ich hole Luna aus dem Womo. Sie ist nass, warm und total verschlafen, als sie mir ihr Schnäuzchen aus der „Höhle“ entgegenstreckt. Zwei Stunden Mittagsschlaf in Lynmouth waren augenscheinlich zu wenig. Rundherum alle Vorhänge und Jalousien geschlossen, ist sie völlig abgeschirmt von der Außenwelt und kann sich wunderbar entspannen. Im Süden bei 40 Grad könnte ich das nicht machen, aber hier… da hat das Regenwetter auch mal einen Vorteil. Und so starten wir in die zweite Hälfte des Tages zum Valley of the Rocks. Nach links sollen wir abbiegen… da gehts ja hoch… sollen wir lieber die Standseilbahn nehmen? Ach was, an die Schlange stelle ich mich nicht an … und so stampfen wir munter den Fußweg nach oben. Nur wenige gehen mit uns zu Fuß, aber so hat man immer wieder schöne Ausblicke auf Lynmouth, die Bahn und das Meer.

Ein schmaler Wanderpfad führt oben angekommen immer an der Klippe entlang vor auf die Felsspitze. Von hier aus öffnet sich auf der einen Seite der Blick in das Tal der Felsen auf der anderen hin zum keltischen Meer. Viel mehr Menschen als mir auf dem Weg begegnet sind, vergnügen sich im Tal. Aber es gibt einen Parkplatz, den man über Umwege erreichen kann – nur ein Womo sehe ich nicht darauf. Dann versuch ichs heute Abend lieber nicht, hier zu übernachten.

Auf dem Rückweg über Lynton, den oberen Ortsteil von Lynmouth (unten) nehm ich mir noch ein paar Lebensmittel mit und dann zuckeln wir gegen 18:00 Uhr wieder den Berg hinauf auf die Höhe des Exmoors. Da erkenne ich im Nebel, dass man bei besserem Wetter von hier oben sogar das Meer sehen kann. Doch bei diesem regennass-diesigen Himmel, ist der Ausblick nur zu erahnen. In der Ferne sehen wir noch ein paar Exmoor-Ponys. Die scheinen nicht ganz so zutraulich zu sein. Und dann finden wir einen windgeschüttelten, aber wunderschönen Stellplatz mitten in der Landschaft. Herrlich! So mag ich das doch!

Als es hell wird, frohlocke ich: das könnte heute besser werden, blaue Flecken sind am Himmel zu erkennen. Im Lorna-Doone-Valley will ich heute wandern und scheine Glück zu haben. Erst einmal heißt es aber die 6 Meilen bis dahin zu überwinden. Da ist es immer von Vorteil, zu den Frühaufstehern zu zählen. Kein einziges Auto begegnet mir auf den wie immer sehr engen Straßen, was die Fahrerei zumindest ein wenig entspannt. Ein bequemer National Trust Parkplatz empfängt uns. Angeschlossen ist neben einem Café mit hübscher Gummistiefelausleihstation

sogar eine kleine Lorna Doone Ausstellung. 

Hier erfährt man mehr über die Figuren aus dem Roman Richard Blackmoores. Lorna Doone, ein Mädchen aus anständigem Hause wurde von der berüchtigten Doone-Räuberbande gekidnappt und aufgezogen. Trotzdem kann sie sich ihr edles und gutes Wesen bewahren. Als sie den für sie vorgesehenen Ehemann Carver Doone verschmäht und  ihren Liebsten, den ebenfalls edlen und guten Bauernburschen John Ridd heiraten will, greift der böse Carver zur Waffe und schießt sie vor dem Traualtar nieder… aber das Gute siegt natürlich: sie überlebt… wie es weitergeht kann man in dem Buch oder einer Verfilmung verfolgen. 

Für die Gegend aber noch wichtiger als die Legende ist die wunderschöne Beschreibung der Exmoor-Landschaft in Blackmores Roman und deshalb bedanken sich die Locals bei ihm auch mit einem Gedenkstein.

Und tatsächlich scheint er nicht übertrieben zu haben. Traumhaft ist es hier!! Wir wandern in Richtung Cloud-Farm und der Cloud-Farm-Zeltplatz ist der bisher schönste, den ich in England gesehen habe. Fast alle Stellplätze liegen am Lyn River und eine himmlische Ruhe ist hier.

Dann gehts bei herrlichem Wetter immer am Flussufer entlang, durch knorrige Eichenwälder bis hinauf auf die heidebedeckte Hochmoorlandschaft.

Schottland im Kleinformat – ein Traum. Vorbei gehts an einer verlassenen mittelalterlichen Siedlung. Nur ein paar alte Steinhaufen und ein kleiner Feuerplatz aus heutiger Zeit sind zu sehen. Und Schafe, die ich leider erst nach Luna entdecke. Der alte Bock, der sich von seiner Herde entfernt hat, wird nun mit viel TamTam von ihr in seine Schranken verwiesen und zurückgetrieben. Ganz stolz und mit Adrenalin vollgepumpt kommt sie zurück und muss … an die Leine. Das geht so nicht!

Und dann sehen wir sie, die wunderschönen Exmoor-Ponys, ganz nah an einer Wasserstelle. Sie sehen viel fluffiger und wuscheliger aus, als die im Dartmoor.

Schon vor den ersten Siedlern gab es sie in Britannien. Mittlerweile soll es nur noch etwa 800 solcher halbwilden Pferdchen mit dem typischen dunlkelbraunen Zottelfell, an dem angeblich kein Haar weiß sein darf, geben. Typisch sind beige Stellen ums Maul und an den Augen. Deshalb werden sie mittlerweile auch mit einer Zucht zur Arterhaltung überwacht und sind, wie die im Dartmoor auch, nur halbwild. In zwölf Herden dürfen sie fast das ganze Jahr durchs Exmoor streifen. Und ausgerechnet da macht mein Handy-Akku schlapp. Ein paar Bilder bekomm ich noch – dann ist Schluss. Mist. Die Powerbank hab ich mitgenommen, das Verbindungskabel liegt im Womo. Na dann – einfach mal ganz analog genießen. Wir bleiben stehen und gucken – in Lunas Fall kommt noch ein bissl Fiepen dazu.

Wenn ich zu nah ranzoome, fängt das iPhone an zu zeichnen 😉

Der Weg geht weiter bergauf und von oben hat man einen traumhaften Blick über die Hügel. Am Gatter auf der Spitze kommen mir zwei ältere Wanderer entgegen und der eine meint: „Ich bin heute extra den ganzen Weg hier hoch gewandert, um Ihnen das Tor aufzuhalten.“, verbeugt sich und lässt mich durch. Wir lachen, schwatzen ein bisschen und weiter gehts durch die „schottischen Mini-Highlands“. Nach 12 km sind wir glücklich und kaputt wieder am Ausgangsort und nach einem Päuschen gehts weiter in Richtung Dunster. Natürlich wieder eng-steil, aber nicht nass und ohne Gegenverkehr, also völlig im Rahmen. Und so kann ich mit neuer Elektropower auch noch ein Abschiedsbild schießen: Schön wars, Lorna Doone!

Kurz vor Porlock hat man die Wahl für ein paar Pfund einen besonderen Outlooktrail zu fahren, aber wenn ich mir auf der Karte die Serpentinen anschaue, dann lass ich dass mal lieber und fahre über den Porlock-Hill und outlooke dort bis zur im Nebel auftauchenden Waliser Küste über den Bristol Channel… mit viel Fantasie erkennbar 🙂

Dunster-Castle ist schon fast 1000 Jahre alt, wurde aber im 19.Jahrhundert romantisch restauriert, nachdem es im Bürgerkrieg stark beschädigt worden war.

Das Castle selbst ist heute schon geschlossen, aber die Gärten lohnen den kleinen Spaziergang am Nachmittag unbedingt. Vom Rundweg um die Burg eröffnen sich bis zum Meer herrliche Blicke und überall wächst und gedeiht Subtropisches und Gewöhnliches.

Am Schloss gibt es einen Haustierfriedhof mit über 20 geliebten Verstorbenen. Am wunderbarsten ist aber der Rivergarden, der zu einer kleinen Wassermühle führt. Hier wachsen riesige Mammutbäume neben Palmen und Hortensien. Ein Traum!

Im Reiseführer las ich mal etwas über einen „Tall Trees Trail“. War er das jetzt, wegen der riesigen Sequias? Ich bin mir nicht sicher. Aber bei der Suche nach einem Übernachtungsplatz wird diese Frage quasi gratis mitbeantwortet. In meiner wunderbaren TOPO GPS App finde ich ein Parkplatzzeichen mitten im Wald. Nichts wie hin, kurz hinter Dunster, wunderbar! Keine No`s!

Hier bleiben wir und sehen: „The Tall Trees Trail“. Der kleine Rundweg startet genau am Womo und so bekommen wir den größten Baum Englands gleich noch mitgeliefert. 2009 war diese Douglasie 60,05 Meter hoch und vor allem der Stamm ist sehr beeindruckend. Sie steht aber in guter Gesellschaft, denn noch viele weitere große Bäume gibts zu bestaunen.

Die Nacht im Wald war herrlich. Natürlich tröpfelte es durchgehend aufs Dach, aber schlafen kann man so natürlich hervorragend. Luna will morgens gar nicht aufstehen. Das hab ich bisher auch noch nicht erlebt und lass sie ein bisschen weiterduseln. Noch vor dem Frühstück wechseln wir den Stellplatz. Dunster selbst hab ich gestern nur beim Durchfahren kurz gesehen und will ganz in Ruhe das morgendliche Mittelalter-Städtchen genießen. Das gelingt mir auch.

Der zweite Plan, auf dem Parkplatz neben der Touri-Info, meinen Blog zu ergänzen, schlägt fehl. Nicht mal hier gibt es Netz… So fahren wir 5 Meilen weiter zur Cleeve Abbey. Die öffnet zwar erst in zwei Stunden, aber so habe ich Zeit zum Schreiben und fürs Frühstück. Zwei Camper stehen schon auf dem ruhigen Klosterparkplatz, denn auch hier ist das Übernachten nicht verboten. Doch wieder nichts mit Internet. So nutze ich die Zeit, trinke meinen Morgenkaffe, schreibe den Text erst einmal in Pages und beobachte die Unmengen an englischen Hundebesitzern, die ihre Bellos ausführen. Luna schläft. Ob ich sie wohl zu sehr stresse? Na dann nehmen wir heute mal das Tempo ein bisschen raus – für die Hundedame.

Ich besuche die Reste eines Klosters, das im 13.Jhd erbaut und unter Heinrich VIII wieder geschlossen wurde. Zwischendurch war es dann eine Farm … bis im 19.Jhd. jemand gemerkt hat, dass dafür das ganze Gebäude echt zu schade ist. Heute gilt es als ungewöhnlich gut überstandene Abbey. Vor allem die erhaltenen Fliesen haben mich beeindruckt.

Für einen besonders großen Boden hat man sogar ein Extrahaus gebaut. Nun sehen diese Fliesen ja aus wie bemalt. In der Ausstellung erfahre ich aber, mit welcher komplizierten Technik sie tatsächlich entstanden sind. Und da zieh ich schon den Hut, denn zwei verschiedene Tonsorten zusammen ergeben nicht immer das, was man sich wünscht…

Es macht Spaß durch Abbey zu streifen. Um 10:00 sind wir nur zwei Besucher und so kann man sich jedes Detail in Ruhe ansehen. Immer wieder staunt man über die Schönheitsideale, die hier den Bau bestimmt haben. Und ich wünsche mir, dass die alten verwitterten Stufen, Hölzer und Türen, über die schon so viel Geschichte hinweggegangen ist, erzählen könnten.

Das Wetter ist wechselhaft. Mal regnets, mal nieselts, mal gießt es aus Kannen… und so fahren wir heute weiter in Richtung Glastonburry, dem legendären Avalon. Zwischendurch finde ich am Sainsburry – Discounter in Tauton ein bisschen Internet – nicht gleich auf dem Niveau von 2023 – aber es reicht um mit viel Gefluche diese Zeilen und Bilder „durchzuquetschen“. Also falls sich jemand fragt, wo das mobile Netz noch schlechter ist als ind Deutschland: ich bin fündig geworden… Nun ist es ja geschafft und ich freu mich, mit euch diese tollen Erlebnisse teilen zu können. Vielleicht machen wir noch einen Stopp zum Laufen in Montacute House, aber morgen melde ich mich bestimmt aus Avalon.

Beste Grüße in die Heimat.

7 Gedanken zu „Lorna Doone die Räuberbraut“

  1. Ich bin beruhigt, wieder ein Bericht mit vielen Erlebnissen, vielen Besichtigungen in einer wunderschönen Landschaft. Luna genießt und strolcht durch nasse Wiesen, und das liebe Frauchen entdeckt ja auch so interessante Orte. Toll, liebe Marion, poh, du bist so mutig! Ich freue mich so über deine herrlichen Berichte!
    Und wie immer: passt gut auf euch auf, Marietheres

    1. Lieb, dass du uns so aufmerksam begleitest, da gehen wir nicht verloren 🥰🥰🥰 Liebe Grüße in die Ferne und einen Knuddler für euch und die Hunde zu Lottchens Geburtstag 🎂

  2. Susanne und Andreas

    Liebe Schulzi, jetzt Versuche ich es ein drittes Mal mit einem Kommentar.
    Es ist einfach toll,zu sehen und zu lesen,was du jeden Tag erlebst.Da ist der Urlaub doppelt so lang.
    Wir genießen mit dir mit.
    Liebe Grüße von Fam Stör

    1. Noch genau eine Woche, dann geht die Fähre zurück… es ist wunderschön und ich bin so froh, dass ich alles aufschreiben 😂 nix würde ich noch wissen, wenns vorbei ist ♥️🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿

  3. Hallo liebe Marion
    endlich hattet ihr auch mal einen Tag Sonne und die Bilder von der Exmoor Landschaft mit seinen Pferden und die wunderschönen Natureindrücke sind faszinierend. Ich bewundere dein Durchhaltevermögen trotz Regen und ich finde es klasse wie du dich über eine kurze Regenpause freuen kannst. Ich genieße deinen Reisebericht am liebsten bei einer Tasse Tee und freue mich schon auf die Bilder und deine Eindrücke von Avalon.
    Ihr beide seid ein tolles Team🐾
    Ganz liebe Grüße Sabine🙋‍♀️

  4. Danke liebe Sabine, es ist wieder eine sehr eindrucksvolle Reise – das merke ich an unseren Zuettgehzeiten … das wir jeden Tag früher – weil wir müde sind 😂 … ich glaub ich brauch dann erstmal Erholung 😝

  5. Was für ein erlebnisreicher Tag mit üppiger Flora und Fauna. Ich bin sooooo begeistert. Diese englischen Gärten sind wirklich immer wieder der Wahnsinn! Ich kann mir gut vorstellen dass ihr erschöpft seid. Du hast schon so viel gesehen erlebt, Kilometer hinter dir gelassen. Gewiss brauchst du dann Urlaub vom Urlaub! Alles Liebe!

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