Opfer der Fluten

Ab 17:00 Uhr macht es keinen Sinn mehr, sich draußen aufzuhalten. Es schüttet. Die schöne große Wiese des Zeltplatzes ist frisch gemäht und überall hängen nasse Grasschniüsel: in Lunas Fell, an meinen Schuhen, zwischen den Zehen… auch der Boden des Womos sieht schon aus wie Kunstrasen. Also heißt es schon mal eher: Hund trocken rubbeln, Betten bauen und im warmen verkriechen. Lunchen schläft gleich, ich lese noch und plane den nächsten Tag.

Wir haben supergut geschlafen und ich lausche gleich nach dem Aufwachen auf das altbekannte Geräusch, Tropfen auf dem Womo-Dach? Oder ist es nur der kleine Fluß, der da an unserem Schlafplatz vorbeirauscht. Tatsächlich! Es hat aufgehört! Yeah, wir hüpfen aus dem Bett und drehen die erste Runde über den Platz. Der Untergrund ist ganz schön nass und der Weg hat sich in Schlamm verwandelt. Ob der Dicke nachher die Anhöhe zur Rezeption hinauf schafft? Ich bin mir da nicht sicher, aber die haben hier mehrere Traktoren, die Unterstützung leisten könnten. Rinder, Schafe, Gänse, Hühner… alles das gibts auch auf dem Westermill-Hof und ich könnte mir hier sogar eine Portion frisches Angus-Steak mitnehmen… aber das lassen wir mal lieber. Auf dem ganzen Zeltplatz steht außer mir nur noch ein anderer Camper, ein Hauszelt und ein italienischer Motorradfahrer mit seinem Minizelt. Und das in der Hochsaison… Wahrscheinlich machen Womofahrer doch lieber einen Bogen um diese Region mit den engen Straßen. Wenn man sich eins ausleiht, ist das hier auch nicht zu empfehlen. Die Heckenkratzer werden dann sicher in Rechnung gestellt.

Ich hole Anlauf – nix. Die Räder greifen auf dem Matsch nicht. Ich versuche es rückwärts, keine Chance. Dann nochmal mit großem Bogen über flacheres Gelände … und … der Dicke schaffts am Ende eben doch immer. Gut gemacht. Zur Belohnung erhält er dann noch eine Frischekur und wir machen uns auf den Weg nach Lynmouth. Dort möchte ich am Flüsschen Lyn zum Watersmeet Teahouse machen. Von den zwei Womo-Parkplätzen im Zentrum ist noch einer frei – welch ein Glück und so zahle ich tapfer die 10£ Parkgebühr. Dann gehts los, immer am Ufer entlang, herrlich.

Der Lyn River rauscht nach all dem Regen und wir sind fast die Einzigen auf dem 4 km langen Weg zum Teahouse. Immer wieder neue fantastische Ausblicke auf den Fluss eröffnen sich. Nur näher ran wage ich mich nicht. Auf den glitschigen Ufersteinen rutscht selbst Lunchen aus.

Das Teahouse liegt auf einer offenen Lichtung und ist ganz gut besucht. Hier gibt es einen näheren Parkplatz oben an der Straße, den viele Gäste nutzen und natürlich serviert man auch den beliebten Cream-Tea.

Auf dem Rückweg entdecken wir eine alte Mineralwasserfabrik, die ebenfalls von der Flut in den 50er Jahren zerstört wurde. Das hatten wir ja gestern schon an der Clapper-Bridge.

Zurück in Lynmouth verkriecht sich Luna für ein Schläfchen ins Womo und ich bummel ein bisschen durch den Ort.

Fudge ist nicht gleich Fudge

Dabei entdecke ich eine Erinnerungshalle an die Flut am 16. August 1952 mit Zeitdokumenten, Fotos, alten Film- und Zeitungsbeiträgen.

Da hat es auch im Sommer so viel geregnet, dass die Lyn, die hier gleich aus zwei Richtungen ankommt, fast den gesamten Ort – 98 Häuser wurden zerstört – weggerissen hat. Das ehemalige Urlauberörtchen war ein einziger Schutthaufen und über 30 Menschen verloren ihr Leben. Ein kleines Dorf, dass nur einen Kilometer entfernt war, versank mit seinen 10 Häusern komplett im Meer.

Hier ist auch noch einmal die kleine Mineralwasser-Fabrik als auch das ganze Tal im Modell dargestellt.

Das Besondere: „radioactive“!

Vor der Tür gibt es ein Denkmal für die Opfer. Die Erinnerungen an die Muldenflut kommen hoch. War das nicht auch im August? Und immer wieder muss ich an das letzte Opfer denken: A Women only known to God zwischen 18 und 25. Wer das wohl war? Auch ein Wanderin, die gerade noch das Flusstal genossen hat?

Am Ende des Hafens gibt es noch eine kleine Besonderheit. Ober- und Unterdorf sind durch eine 1870 in Betrieb genommene Standseilbahn verbunden, die auch heute noch ihre Passagiere zuverlässig transportiert. Mit Hilfe von Wassertanks werden die beiden gegenläufigen Wagen den 150m langen, sehr steilen Weg hinaufgezogen.

Mich ziehts allerdings in einen Pup auf ein Sandwich und auf der Suche nach Strom. In diesem gemütlichen Café werde ich fündig und schreibe nun bei Latte und Tunfisch-Sandwich (ich weiß – komische Kombi) meinen heutigen Blogeintrag während alle Geräte laden.

Eine kleine Runde will ich heute noch drehen. Hier gibt es noch das Valley of Rocks, aber auch das sagenumwobene Tal der schönen Räubertochter Lorna Doone interessiert mich. Die Geschichte der als Kind gekidnappten und später in den edlen Bauernjungen John Ridd verliebten Räubertochter stammt aus dem 17.Jhd. und wurde hier im Doone Valley verfilmt. Auf dem Weg hierher habe ich schon einige mögliche Stellplätze mit Ponysichtung ausgecheckt, da kann man auch nicht zu spät hinfahren…

Es gibt also noch viel zu entdecken und ich habe noch 9 Tage. Schaumerma. Liebste Grüße aus dem Exmoor NP 🙋🏻‍♀️🐶

3 Gedanken zu „Opfer der Fluten“

  1. Was für eine schaurig traurige Geschichte vom kleinen versunkenem Dorf, liebe Marion. Aber ihr beiden wandert am Fluss entlang und verwöhnt uns mit märchenhaften Fotos und trotzt dem Regen und nassen Boden.
    Bei uns hat es gestern den ganzen Tag cats and dogs geregnet, einfach den Mut nicht sinken lassen!
    Auf in den neuen Tag, passt auf euch auf, eure Bretagnemamie

  2. Mich hat das auch sehr beeindruckt, wie schnell aus einem idyllischen Dorf ein Ort der Verwüstung werden kann. Bei uns in Wurzen hab ich das schon einmal erlebt, als die Mulde alles verwüstet hat. Den Respekt vor der Kraft der Natur sollten wir uns immer bewahren… Wir sitzen gerade beim Frühstück mit Blick über das Exmoor – herrlich. Liebsten Dank für eure Kommentare – sie versüßen mir den Morgen ☺️ und ich freu mich jedesmal über einen Gruß 😃♥️♥️ Am Himmel gibt es heute blaue Löcher, die Hoffnung geben 😂 Seid herzlich gegrüßt von 🙋🏻‍♀️🐶♥️♥️♥️

  3. Wieder phantastische Bilder, liebe Marion!!! Bei dem Fudge-Laden bist du also nicht schwach geworden? Respekt! Und du hast absolut Recht, dass man die Kräfte der Natur niemals unterschätzen sollte…. Liebste Grüße!

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