Sagenumwoben

Hier in Cornwall mit einem Auto zu fahren, das größer ist als ein Smart, kann schon eine echte Herausforderung sein. Ich bin da ja einigermaßen hart im Nehmen. Auch Schottland oder Irland haben enge Straßen. Aber das hier bringt mich ans Limit. Anstrengend ist ja nicht nur die Enge. Man weiß auch nie, was in so einer Hecke drin steckt. Wären das alles biegsame Zweige… geschenkt. Aber manchmal verbirgt sich darin eine Steinmauer oder armdicke Äste…

erträgliche Straße – unerträgliche kann man nicht fotografieren, da kämpft man!

Und nun muss ich erleben, dass es noch mehrere Steigerungsmöglichkeiten zu „eng“ gibt. Nämlich „eng und steil“. Meine Herren war das eine Steigung hinauf zum Abendparkplatz. Das hatte ich gar nicht bedacht. Eng und steil heißt ja nun auch, dass es kein Zurück gibt, Wenden ist unmöglich… du musst da durch, zumal die Seitenspiegel eh schon von der Hecke angelegt worden sind und die Sicht nach hinten maximal eingeschränkt ist. Deshalb entfällt auch rückwärts fahren. Also durch!

Dann kommt die nächste Steigerungsstufe: „eng, steil und nass“. Mit seinen 100 PS (oder so, jedenfalls für den Dicken viel zu wenig), kraucht er gerade noch im ersten Gang den Berg hoch und in der Nässe kann ich nur ganz wenig Gas geben, sonst leiern die Räder durch… sie greifen gerade so. Und nun die vorläufig letzte Steigerungsstufe: „eng, steil, nass und Gegenverkehr“… das wars. Nix geht mehr. Ich schwitze. Ausweichen geht nicht. Das rafft auch der Brite in seinem SUV. Selbst er hat Problem, den Berg wieder rückwärts hinauf zu schieben. Und jetzt ich. Anfahren am Berg. Der Dicke ächzt, die Räder leiern. Ich schwitze. Und dann doch… mit letzter Kraft nimmt er den Anstieg und wir kommen wohlbehalten oben an… Gut gemacht mein Dicker. Der Brite schüttelt den Kopf – Mimik reicht mir eigentlich! – und ich mache Pause auf dem Wanderparkplatz. Uff!!! Das hätten wir!

Doch leider ist hier keine ebene Fläche zu finden. Alles schräg, da helfen auch die Auffahrkeile nix. So roll ich nachts aus dem Bett. Aber beim besten Willen fahre ich den Berg jetzt nicht wieder runter.

Da hilft es nur, erstmal eine Runde Gassi zu gehen. Also Luna geschnappt – die übrigens auch in brenzligen Situationen die beste Beifahrerin ist, die man sich denken kann – und losgestapft. Auf meiner Karte geht die Straße hinten weiter, ohne nennenswerte Höhenlinien zu überqueren. Schmal ist sie auch, klar, aber 100m weiter hören die Hecken auf – offene Wiesen. Wunderbar! Wir laufen weiter und stehen vor einem Gatter!? Hä? Mitten auf einer Straße ein Gatter? Nicht, dass jemand denkt, ich rede von Feldwegen. Nein, das sind alles öffentliche Durchgangsstraßen ohne Höhen-, Breiten-, Fahrzeug- oder sonst welchen Beschränkungen. Das Gatter lässt sich öffnen und der einzige Hinweis: Bitte nach Durchfahrt schließen! – lässt mich vermuten, dass es hier weitergeht. Und wirklich, bis zum weiter hinten gelegenen Zeltplatz kann man ohne Probleme weiterfahren. Und die müssen ja von der anderen Seite auch irgendwie mit Ihren Caravans und Womos da hingekommen sein. Und das allerbeste: Ich entdecke unseren Schlafplatz mit Ausblick. Das hab ich mir heute aber auch hart erarbeitet. Nun heißt es einchecken und Ausblick genießen.

Am nächsten Morgen starten wir zeitig bei Nebel und bedecktem Himmel ohne Frühstück schon 07:00 Uhr. Die ersten Jogger wecken uns und ich hab keinen Bock auf Gegenverkehr. Ohne Probleme kommen wir bis zur nächsten größeren Straße und lenken unseren Blick gen Norden. Von dieser Gegend hab ich erstmal genug und hoffe auf entspannteres Fahren.

Lanhydrock House ist mein erstes Ziel. Als NT-Mitglied kann ich hier kostenlos Parken und auf dem großzügig angelegten Areal findet sich gegen 09:00 ein gemütliches Plätzchen zum ausgedehnten Frühstück. Drinnen! Es regnet Bindfäden.

Wir sind fertig und pünktlich hört der Regen auf. Also los zur großen Gassirunde durch die wunderbaren Parks des Anwesens. Hier gedeihen Magnolien, Kamelien, Hortensien und uralte Rhododendron… ja man kann fast sagen -Bäume.

Das Schloss aus dem 17. Jahrhundert wurde nach einem Brand 1881 neu aufgebaut und öffnet erst in einer Stunde. Doch man bekommt von außen auch schon einen kleinen Eindruck. Bis zum Torhaus kommt man heran. Hier wurde übrigen 1993 der Film „Die drei Musketiere“ gedreht. Aber auch Rosamunde Pilchers „Klippen der Liebe“ und „Im Zweifel für die Liebe“ nutzten dies Location.

© Warner Brothers vermutlich 😉
© ZDF – mit einem Auge sieht man besser 😉

Gern möchte ich das Schloss wenigstens von oben sehen, wenn wir schon nicht hinein können. Wir laufen hinter dem inneren Garten entlang und entdecken eine kleine eiserne Tür, die unverschlossen ist. So spazieren wir ganz allein die Gartenwege entlang, auf denen ich Luna gar nicht hätte mitnehmen dürfen und schauen über das Schloss in die Ferne… bis der Regen wieder einsetzt.

Weiter gehts nach Tintagel. Dort steht England bekannteste Burgruine – das sagt zumindest der Reiseführer – ich kannte sie nicht, man sieht auch nicht mehr viel von ihr.

Der Bauplatz von 1145 (oder sogar noch früher, man vermutet, dass hier im 6. Jhd. ein keltisches Kloster gestanden hat) ist jedenfalls fantastisch. Und wer hat nun diese alte Burg errichtet? Es soll die legendäre Festung Camelot sein (die übrigens auch noch 3 andere Orte für sich beanspruchen). Hier soll Artus geboren worden sein und später mit seiner Frau Guinevere gelebt haben.

Seit dem 19.Jhd. schlägt man in dem kleinen Dörfchen jedenfalls daraus Profit und die Anzahl der Besucher lässt sich an der Größe und der Menge der Parkplätze ablesen.

Viele haben einen Hund dabei und so strömt die Masse den immer gleichen Weg hinauf zum Felsen. Das ist mir zu viel und so laufen wir eine größere Runde, treffen dort fast niemanden und sehen uns das Treiben von der Ferne an. Leider verpassen wir dabei das Artus-Denkmal, aber wir haben ja ein Bild davon.

© Dreamstime

Gegen Nachmittag lädt der eigentlich ganz gute Parkplatz zum Päuschen ein. Ganz hinten, neben einer Wiese hat man uns einen Platz zugewiesen und für 6 £ kann man hier 24h, gern auch über Nacht stehen. Luna ist kaputt von dem Gedrängel in den Gassen. Überall schnuppert es anders, Unmengen von Hunden sind dabei… jetzt ist erst einmal Ruhe angesagt. Dann schlendere ich noch einmal los und schau mir das kleine Museum in „The Old Post Office“ an.

Ein windschiefes Häuschen mit verbogenem Dachgiebel steht seit dem 14. Jahrhundert an diesem Ort. Heute soll es ein typisches cornisches „Hall House“ darstellen. Ein Haus mit zentralem Wohnraum

und drei kleinen Räumen drumherum.

Alles ist herrlich schief und krumm, gemütlich und hübsch hergerichtet. Auf seinen Kopf muss man allerdings ständig achten, denn 183-Menschen haben hier unter Garantie nicht gewohnt.

Für eine Pfund Spende zur Unterstützung des National Trust hat man an der Kasse ein „Blind Date with a book“. Was für eine schöne Idee, da mach ich natürlich mit. Aber vielleicht hätte ich doch lieber rechts zu den Kinderbüchern greifen sollen… das ist mir dann doch zu viel englischer Text und reif für die nächste rote Telefonzelle mit Büchertauschangeboten.

Auch außen kann man sich an diesem alten Gemäuer gar nicht satt sehen, aber auch die anderen Häuschen sind oft sehr hübsch.

Zum Abschluss decke ich mich beim ansässigen Bäcker – bei dem man jetzt gegen 17:00 Uhr auch mal eine Chance hat dranzukommen, mit allen notwendigen Zutaten für den typisch cornischen Creamtea ein: Scone, clotted Cream, Marmelade und cornish tea.

Lunchen sitzt auch schon bereit uns so verabschieden wir uns für heute von sagenumwobenem Boden aus dem Reiche des Merlin und der Ritter der Tafelrunde. Wir wenden uns jetzt unserer Tafel zu und den Freuden des Gaumens. Gott zum Gruße edle Ritter und Damen, kommt gut durch die Nacht

4 Gedanken zu „Sagenumwoben“

  1. Hallo Marion, ich habe meinem Mann gerade deine Steigungsmöglichkeiten von „eng“ vorgelesen. Da war ja unsere Fahrt über den Trollstigen ein Spaziergang und ich habe schon manchmal die Augen zugemacht, wenn uns ein Womo an einer Engstelle entgegen gekommen ist. Ich bewundere dich, wie du das alles meisterst. Viel Glück weiter. 😊👍

    1. Danke und ja, das ist hier manchmal ganz schön herausfordernd, aber mit Geduld und Spucke…
      Ich hoffe ihr habt Spaß in Norwegen und könnt das Womo-Fahren genießen. ♥️

  2. Du kommst einfach durch, liebe Marion, ob eng, rauf oder runter! Am Ende wird man dann mit herrlichen Ausblicken belohnt! Auch unser Berlingo musste „zielsicher“ gesteuert werden. Du entdeckst so wunderschöne Gegenden, man möchte einfach mitfahren.
    Schlaft gut, bis morgen, 👵🏼🐕👩🐕

    1. Wenn ich nicht gerade das Steuer umklammere und völlig verspannt versuche, nur nicht anzuecken, dann kann ich schöne Ecken finden 😝😝😝 Heute sind wir nur 3km gefahren und ich fühle mich gleich wesentlich erholter 😂 LG 🐶🙋🏻‍♀️♥️🚙

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