Lydford machen wir vielleicht auf dem Heimweg. Das läuft nicht weg.Lass uns lieber noch ein bisschen hier im Dartmoore verweilen. Ein Tipp meines „Wilde Guide Devon and Cornwall“ ist das Garden House in Buckland. Wir waren ja schon in diesem kleinen Ort – ihr erinnert euch vielleicht: Sir Francis Drake und seine umgebaute Abtei. Da hatte das Garden House allerdings geschlossen… Nun will ich aber doch noch hin, denn die Geschichte ist spannend:

Lionel Fortescue war ein interessanter Mann. Am Eton College leitete er die Abteilung Sprachen, liebte die Natur, fuhr jeden Sommer mehrere Wochen allein zum Fischen nach Island, campte in der Wildnis und kümmerte sich außerdem liebevoll um seine Familie. Als er sich 1945 in den Ruhestand versetzen ließ (mit 53!), kaufte er gemeinsam mit seine Frau Katharine ein Haus in Buckland und 10 Hektar Land.

Eine ehemaliges Pfarrhaus in einem kleinen Tal mit gutem Boden. Innerhalb von 40 Jahren machte das Paar mit Hilfe einiger Gärtner ein Gartenparadies daraus.

Die Anfänge waren schwierig. Viele LKW-Ladungen Pflanzen hatten sie aus Eton mitgebracht. Aber nicht alle wuchsen am neuen Ort an. Nicht selten soll Mister Fortescue den Gärtnern zugerufen haben: „Burn it!“ Doch die Fortescues gaben nicht auf und erschufen ein fantastische Kleinod, das heute von einem gemeinnützigen Verein betrieben wird. Der braucht natürlich immer Geld und helfende Hände. So kann man neben Freiwilligenarbeit, Mitglied des Vereins werden, ein Jahresticket kaufen oder spenden, etwas im Shop erwerben usw. Ich belasse es bei einem Ticket und genieße die ganze Pracht – leider ohne Luna, die darf hier nicht rein.
Im Übrigen sind zwei Pflanzen nach den Fortescues benannt worden : Mahonia x media Lionel Fortescue und Rhododendron Katharine Fortescue
Na gut, einen Carrote Cake mit einem Latte kauf ich mir dann doch im hübschen Café – man muss den Verein ja unterstützen.

Im Park treffe ich zwei deutsche Rentner. Sie fahren jedes Jahr nach England, aber mittlerweile erlauben sie sich maximal 1-2 Gärten pro Jahr, sonst wird das zu viel… wenn die wüssten – das müsste hier mein ??? ach ich hab nicht mitgezählt ??? Garten sein. Aber der Preis! Sie sind entrüstet. Der hat sich ja in den letzten Jahren verdoppelt – von 6 auf 12 Pfund. Ja da haben sie schon recht, die Eintrittspreise sind ind UK satt, aber wenn man bedenkt, was Gartenpflege kostet. Das merkt man schon zuhause. Aber Wasserkosten dürften wahrscheinlich nicht ganz so hoch sein wie in Deutschland. Bei dem Regen immer!

Auf dem wieder einmal sehr verschlungenen und engen Weg hierher ist mir eine Art Hochebene aufgefallen. Weit, eben, grün wie ein Golfrasen – das ist ideal für meine Hundedame zum Austoben nach der Wartezeit. Wir schnappen uns den Ball und genießen das herrliche Wetter.
Die Ausfahrt aus dem Nationalpark gibt noch einmal den Blick in die Weite frei. Über ganz Devon fast bis zum Meer und hinüber nach Cornwall scheint man von hier aus schauen zu können.

Nun brauche allerdings wirklich einen Campingplatz – Womo-Auffrischstationen, wie man sie aus Norwegen oder Schweden kennt, hab ich hier überhaupt noch nicht gesehen. Da es vermutlich in der Nähe des Eden-Projects genug Übernachtungsmöglichkeiten gibt setze ich zum 1,5 Stunden-Ritt an und komme gegen 19:00 auf dem Doubletrees Caravan & Campsite an.

Keine Meile ist es mehr bis zum Eden-Project und ich bestaune erst einmal die fantastische Sicht, die man auf dem terrassenförmig angelegten Areal hat. Die freundliche Besitzerin weist mir für 25£ einen Schotterplatz mit Wasser und Strom zu. Wir drehen unsere Abendrunde und verschwinden bald im Bett – nur an Schlaf ist nicht zu denken. Irgendwoher dringt halblaut Rockmusik, live… hat sich einer seine Rock-Collection-live als CD mitgebracht? Bis 23:00 Uhr – dann endlich Ruhe, nur die Leucht-Flacker-Schläuche am Neben-Caravan blinkern die ganze Nacht durch in rot, grün, weiß… ich weiß, warum ich Campingplätze nicht mag. Doch die herrlich heiße Dusche am Morgen entschädigt voll und ganz und pünktlich 09:30 Uhr zur „Ladenöffnung“ rollen wir auf dem Parkplatz des Eden-Projects ein – mit 50! anderen Autos. Das ist neu. So zeitig und schon so viel los. Aber macht nix. Luna muss wieder mal warten, aber ihre Morgenrunde war lang und ich ziehe los. Es regnet. Der Weg schlängelt sich abwärts. Ab und zu erhascht man einen Blick in die ehemalige Kaolingrube, in der sich heute mehrere futuristische Gebäude befinden.
Viele haben ihre Tickets schon. Ich muss noch bezahlen. „Wir verkaufen hier keine Tagestickets, es gibt nur Jahreskarten. 40 £ bitte.“ – das sind 46,67 Euro… meine Herren! Da waren die 12 £ von gestern ja geschenkt. Vielleicht sollte man sich hier doch vorher im Internet Tickets bestellen. Die scheinen günstiger zu sein.
Aber nun zum Project. Bis 1998 sah es an diesem Ort noch so aus:

Eine ehemalige Kaolingrube, so groß wie 35 Fußballfelder ließ in Tim Smit eine Vision entstehen. Smit, der bisher als Archäologe, Anthropologe, Denkmalpfleger, Musikproduzent, Texter und Komponist gearbeitet hatte und schon die Gärten von Heligan wiederaufbereitet hatte, sah in dieser Grube etwas Besonderes.

Er sah riesige Gewächshäuser entstehen, die 5000 verschiedene Pflanzenarten aus den unterschiedlichsten Klimazonen beherbergten. Er besorgte Geldgeber, organisierte Gärtner, Ökologen, Wissenschaftler und Freiwillige und machte diesen Traum wahr. 83.000 Tonnen Erde wurden herbeigeschafft, 141 Millionen Pfund verbraucht und vom Baubeginn 1995 baute man man 6 Jahre bis zur Eröffnung 2001.

Ich beginne meinen Rundgang im Außenbereich, der thematisch geordnet ist. Besonders witzig ist der kleine Global Garden. Hier gibt es Beete die typisch für verschiedene Regionen der Erde sind. Der englische Standardgarten sieht demzufolge so aus:


Aber auch dem Thema Insekten widmet man sich hier sehr ausführlich.

Dann gehts in den Regenwald und das ist wirklich beeindruckend. Bis zu 30 Grad werden hier drinnen – heute sind es nasswarme 22 Grad.

Ich schließe mich einer Führung an. Ein junges Mädchen begrüßt uns 5 Leutchen superfreundlich. Sie erzählt begeistert von dem Konzert, das gestern hier stattfand. „The Who“ hätten gespielt. The Who? Gibt es die noch? Alles klar – ihr wart die Störenfriede gestern Nacht 😉

Außerdem schwärmt sie von der Stimmung bei den sogenannten „Eden-Sessions“, alles sei erleuchtet und die Leute hätte eine gute Zeit. Das schau ich mir natürlich mal im Netz an… bestimmt cool dabei zu sein und es nicht nur als Störgeräusch im Hintergrund beim Schlafengehen zu hören.

Nun gehts aber los und die junge Frau macht das so fantastisch, dass sich in wenigen Minuten bestimmt 30 weitere Personen dazugesellen. Ausdrucksvoll mit unglaublicher Begeisterung erzählt sie über dieses einmalige Projekt, erklärt, warum Vanille so teuer ist, zeigt uns verschiedenste Pflanzen, lässt alle am Zimt-Ästchen schnuppern und freut sich wie ein Kind, dass es gelungen ist einen dieser größten Samen der Welt – den Samen der Coco der Mer (deu: Seychellenpalme) zum Anwachsen zu bringen. Diese Art wächst nämlich ansonsten nur auf den Seychellen und ist unheimlich schwer zu kultivieren.
Der riesige Wedel da oben – das ist ein Coco de Mer-Baby. In wenigen Jahren wird dann ein Date mit einer anderen Palme verabredet, denn die Pflanze ist einhäusig, man braucht also Pflanzen beiderlei Geschlechts, bis wir in ca. 15 Jahren wissen, ob hier einmal Früchte wachsen werden.
Und das hier ist übrigens Vanille, die meist aus Madagaskar kommt und dort zum großen Teil (oder vielleicht komplett??) von Hand bestäubt werden muss… ich hoffe ich habe das richtig verstanden. In ihrem eigentlichen Heimatland Mexiko übernehmen das die Kolibris, die aber in Madagaskar nicht überleben. Danach vergehen noch weitere 5 Monate, bis man ernten kann. Deshalb ist Vanille nach Safran das zweitteuerste Gewürz der Welt.
Das Highlight ist die Aussichtsplattform und ich habe noch Glück und muss nur 10 Minuten warten. Die Schlange wird immer länger und länger, es dürfen aber immer nur ca. 20 Personen hoch. Von oben hat man einen fantastischen Überblick, allerdings stacheln die Gitterroste wieder meine Höhenangst an – die Knie werden weich – aber ich schaff das!




Nach diesem fantastischen Ausflug in die Welt des Regenwaldes sind solche Installationen wie die folgende sehr wirksam und man möchte die Menschen wachrütteln. Wie kann man diesen Zauber vernichten, wo doch auch für die Palmöl-Plantagen-Arbeiter genug Geld auf dem Planeten vorhanden ist…

Und auch danach trifft sofort Fantasie auf Realität: Hungrige Menschen in Massen…

Vielleicht sollte man den mediterranen Teil zuerst machen, denn so schön er gestaltet ist – mit den Tropen kann er nicht mithalten.
Neben uralten Olivenbäumen, traumhaften Blüten und einer Nachgestaltung der Dionysos-Mythen im Weinberg findet sich eine Schärfe-Statistik, der nebenan eingesetzten Chilli-Pflanzen. Dorset Naga ist in größeren Mengen bestimmt kaum noch genießbar.
Auch das Außengelände hat viel zu bieten. Neben Klettwerwald und unzähligen Spielplätzen gibt es weitere Gärten, Wanderwege und sogar eine Zip-Line-Rutsche, mit der man über die Gewächshäuser fliegen kann. Ab und zu hört man in schwindelerregender Höhe das Sausen der Wagemutigen durch den – heute leider sehr bedeckten – Himmel.

Kunstwerke zum Thema Natur kann man im letzten Gebäude bestaunen. Hier die papierne Nachbildung eines Einzellers, des Bakteriums Escherichis coli.E.coli durch die Künstlerin Rogan Brown sowie die Skulptur „Seed“ (Samen) von Peter Randall Page. Dabei versucht er mit einem ursprünglich 167 Tonnen schweren Einzelstein aus Cornwalls Granit zu zeigen, wie faszinieren der Gestaltungswille der Natur ist. Bei der Umsetzung des überdimensionalen Samens hat bei Pinien, Sonnenblumen und Ananas abgeguckt. Überall fand der Künstler in der Gestalt der Pflanzen die Fibonacci Sequenz wieder und setzte das bei seinem Samenkorn ebenso ein.
Nach drei Stunden ist meine „Festplatte“ voll und ich ziehe mich zurück.
Luna ist verschlafen und taumelt mir entgegen. Wir legen eine kleine Mittagspause ein und fahren dann weiter zu den „Lost Gardens of Heligan“ .
Auch die haben ein Geschichte zu erzählen… und wieder ist der Kreative Tim Smit von der Partie…. aber damit es nicht zu viel wird, gibt es die im nächsten Post…
Kommt gut durch die Nacht.
Hallo Marion, das waren ja tolle Bilder und Eindrücke. Die Gärten in England zu sehen sind auch nochmal ein Wunsch von mir. Das fand ich in Irland schon toll. Der Service (kostenlos) in Norwegen für Womos ist wirklich super. Mittlerweile haben wir auch schon ein bisschen Routine darin. Gestern hatten wir einen Sonnentage nach dem Regen, aber heute ist es auch wieder trüb. Weiter gute Reise!
Prima, das es euch gefällt 👍 Man grooved sich irgendwann ein. Das dauert bei mir auch jedes Jahr wieder ein bisschen… Euch noch tolle Erlebnisse und eine gute Fahrt 🙋🏻♀️🐶
Was für ein phantastisches Erlebnis! Du schaffst es wirklich, dass ich nun auch die englischen Gärten auf meiner Reise-Wunsch-Liste stehen haben. Ich glaube, dass das eine Offenbarung ist. Vor allem auch Eden… Witzig ist, dass eine Freundin gerade auf den Seychellen Urlaub macht und tatsächlich die gleiche Kokosnuss in ihrem Status hatte… Ich umarme euch fest und wünsche euch weiterhin wunderbare Erlebnisse! Liebe Grüße von der Netti
Kann die eine Nuss mitbringen? Sicherlich nicht… ist bestimmt nicht gestattet. Liebe Grüße auf die Seychellen 😂