Should I stay or should I go?

… das frage ich mich am nächsten Morgen. Dicke Wolken verhängen den Himmel und auch von unten ist nur Nässe zu erwarten. Meine Wanderstiefel sind über die Nacht auch kein bisschen trockener geworden – an Zeitung zum Ausstopfen hatte ich natürlich nicht gedacht.

Unser gewünschte Traumstellplatz hatte leider einen kleinen Haken. Ab 20:00 Uhr geschlossen und 24h Bezahlparken. Da schlendern wir lieber nur ne kleine Runde durchs Paradies und setzen dann wieder um, an die alte Baumallee von gestern. Auch schön.

Gemütlich wärs hier allerdings gewesen. Aber manchmal ist das Paradies eben auch geschlossen.

Heute stehe ich nun etwas ratlos in der Gegend rum. Eigentlich würde ich gern noch ein bisschen im Dartmoor bleiben. Es ist wunderschön hier und man kann noch so viele Wege gehen – doch bei diesem Wetter ist mir der halbe Kilometer zur Gunpowder Mill zu viel. Alles quietsch und matscht. Und natürlich setzt der Regen sofort ein, als wir losstapfen.

Ruinen einer alten Munitionsfabrik

Anne meldet sich. Auch sie verbringen einige Tage in Südengland und haben gerade ein hübsches Häuschen in Brixham. Sie schickt ein Foto: Wolkenloser Himmel… hm… sollte ich doch? Während wir telefonieren steh ich bis zum Knöchel im Matsch. Langsam läuft mir das Wasser in die Schuhe und ich kann mich immer noch nicht entscheiden. Hab ich vielleicht Schiss? Vor den Tourimengen, den viel zu engen Straßen an der Küste. Auch Annes VW-Bus hat den Weg zum Häuschen gerade so geschafft und von einem Besuch bei ihr mit dem Womo rät sie ab: „Da haben unsere Spiegel schon Heckenkontakt!“

Nun gut. Ich bleibe und schau mir heute mal wieder was von innen an. Wir schippern in Richtung Princetown. Das alte, steingraue Ungeheuer des riesigen Gefängnisses ist schon von Weitem zu sehen.

1806 sollten hier französische Kriegsgefangene das Moor trockenlegen – was natürlich nicht gelang. Für diese errichtete man die ersten Gebäude. Ab 1850 wurden im entstandenen Dartmoor Prison Schwerverbrecher interniert, zeitweise bis zu 9000 Menschen. Die Lebensbedingungen bei Kälte, Nässe und schlechter Ernährung waren unerträglich, sodass die Anzahl der Ausbruchsversuche stieg und die Flüchtigen wurden dann mit Bluthunden durchs Moor gehetzt. Logisch, dass dies eine Steilvorlage für Gruselgeschichten a la Canon Doyle ist.

Ich möchte aber nicht ins Gefängnismuseum, sondern zu einer anderen berühmten Person: Sir Francis Drake – seines Zeichens Freibeuter, Entdecker und erster englischer Weltumsegler.

Nachdem Mister Drake die Welt umrundet hatte und durch die Überfälle auf spanische Schiffe reich geworden war, kaufte er sich 1581 eine ehemalige Zisterzienser Abtei. Die Abteikirche hatte schon ihr Vorbesitzer in ein Wohnhaus umgebaut und nun sollte es über 400 Jahre das Zuhause der Familie Drake werden.

Heute ebenfalls zum NT gehörig, ist auch hier der Kidssummer eingezogen und man kann überall liebevolle Aktionen für Kinder finden. So liegen ganz einfach zurecht gesägte Holzteile zum Bauen bereit:

Im Obergeschoss kann man sich wie auf Drakes Schiff fühlen:

Die Kleidung der Kinder dieser Zeit wird vorgestellt und hängt zur Anprobieren bereit.

Und eine freundliche Dame liest Piratengeschichten vor.

So kann man mit den kleinen „Quälgeistern“ wunderbar einen oder mehrere Regentage verbringen. Meinem „Quälgeist“ reicht eine oder mehrere Gassirunden und das richtige Futter und schon schnarcht sie entspannt im Womo und ich kann mich hier umschauen.

Das Highlight für Erwachsene und das wertvollste Einzelstück, das sich im Besitz des National Trust befindet, ist ein Bild. Erst dachte man, Drake hätte ein studentisches Übungsstück hier in seinem Speisezimmer hängen – aber weit gefehlt. Der Portraitierte ist the Master himself: Rembrandt.

Der ist echt!

Auch eine überlebensgroße Satue des Freibeuters ziert das Haus und ab und an kann man noch Klosterrelikte entdecken, wie hier die Minitreppe, die einst von ganz unten bis hinauf zum Dach führte und eine Art Geheimgang der Mönche darstellte.

Etwas mondäner dagegen die Haustreppe aus victorianischer Zeit. Wunderschön schwingt sie sich mit ihren verzierten Stufen über alle Etagen des Wohnhauses.

Die riesige Küche ist gut ausgestattet und es scheint wirklich nach den an der Decke hängenden Schinken zu duften, wenn man den Raum betritt. Sind die vielleicht echt? Sogar ein paar Rezepte zum Nachkochen sind ausgelegt denn ab und an bietet das Museum Koch-Workshops an: „Kochen wie zu Zeiten Drakes`“.

Obwohl das Wetter immer noch nicht besser ist, entschließe ich mich, doch noch etwas in der Gegend zu bleiben. Dartmoor lässt mich noch nicht los. Doch wieder einmal falsch abgebogen und ich bin in der falschen Richtung unterwegs. Direction Plymouth steht auf dem Schild… ist das ein Zeichen? Wurde mir die Entscheidung abgenommen? Ach menno – ich vertraue lieber meinem Bauchgefühl und drehe um. In Yelverton versuche ich Lebensmittel aufzufüllen, finde aber keinen Parkplatz. Weiter fahren wir zum Burrator Reservoir, einem kleinen Trinkwasser-Stausee mit vielen Rastplatzzeichen auf der Karte. Das könnte doch nett sein. Es ist ein Wandergebiet, aber leider regnet es immer noch. Dann ist eben mal Mittagspause angesagt. Ich suche die letzten Reste zusammen. Wir haben noch Baked Beans und Nan Bread. Na ja – da hab ich auch schon mal besser gegessen 😉 und dann gibts Mittagsschlaf mit „Dschungel-Blick“

Bis uns – ja, tatsächlich – die Sonne an der Nase kitzelt. Nun aber nix wie raus und eine gemütliche Nachmittagsrunde um den See gedreht. Wunderbar!

Herrlich, wenn das Wetter einigermaßen mitmacht und auch Luna fühlt sich sauwohl.

Unterwegs finden wir außerdem unseren Traumstellplatz. Umgeben von saftig grünen Wiesen und bemoosten Bäumen plätschert ein Bach seines Wegs und diesmal hat das Paradies keine Schranken, die irgendwann geschlossen werden. Vorher tuckern wir nochmal nach Yelverton, füllen die Vorräte auf und dann ziehen wir uns zurück in die Einsamkeit. Leider ist es auch hier noch nicht soweit mit der Wildniss 2.0 – nichts, aber auch gar nichts an Netzt zu finden. Weder Telefon (kein Balken) noch irgendwelches Internet. Da muss halt das Blogschreiben auf morgen vertagt werden und das gute alte Buch darf auch mal wieder wieder dran sein.

Gute Nacht!

Die Nacht ist fantastisch, wir schlafen, bis die ersten Jogger uns wecken und … die Sonne scheint. Wow! – Frühstück im Freien!!! Aber wie jedes Paradies hat auch unseres seine Herausforderungen und die heißen in meinem Fall Midges. Na guuut, dann frühstücke ich eben schneller. Danach hole ich mir für die Morgenwäsche frisches Bachwasser und wir starten gegen 8:00 in Richtung Lydford. Da gibt es ein Castle und eine wunderbare Schlucht zum Wandern. Doch wir kommen nicht weit. Der Blick ist fantastisch und auf einem kleinen Hügel treffen wir nicht nur die Idylle pur, sonder auch endlich mal wieder LTE. Also rechts ran, Idylle genießen und danach Blog schreiben. Luna pennt. Ich lausche dem Schmatzen der Pferde an der Tränke und lasse mich ab und zu von einem Durchrütteln, das denkt, mein Womo wär ein Baum. Kommt gut durch den Tag.

Weite im Dartmoore

2 Gedanken zu „Should I stay or should I go?“

  1. Sag mal, liebe Marion, trotz des Regens findest du Traumlandschaften, gruselige Gefängnisse, ideenreiche Ferienplätze für die kids, alles so schön, dass man eigentlich sofort mit reisen möchte! Bin gespannt, wie der Dicke und du dich durchs Cornwall „schleichst“? Warum gespannt: doch klar, dass ihr 👩🐕das schafft. Bleibt stark ohne mich, deine Bretagnemamie

  2. Ja, genau, das wundert mich manchmal auch. Gerade an so Tagen, an denen ich erst gar nicht so richtig weiß, wohin es heute gehen soll. Nun sind wir in Cornwall gelandet und stehen nicht weit weg vom Eden-Project. Ich bin gespannt. Liebste Grüße

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