Tiere in freier Wildbahn

Manchmal muss man einfach nur dasitzen und seine Studien betreiben. So auch heute in der Früh, denn mein wunderbarer Schlafplatz wird ab 7:00 wieder zum Hundebesitzer-Treffpunkt der Gegend. Fast alles sind Frauen. Meist kommen sie zu zweit und haben mehrere Hunde dabei. Falls mal Männer aussteigen, haben die andere Gründe: sie joggen und zeigen sich hinterher stolz ihre verschwitzten T-Shirts, gleichen ihre Fitnessuhren ab oder halten laute Reden. Frauen schnattern eher schnell und leise mit ihrer Freundin, manchmal auch – wenn allein – mit ihrem Hund. Eine kommt gleich mit dreien, wobei eins klar wird: Hund Nummer drei ist eigentlich ein Schaf und zwar ein tiefschwarzes. Er macht alles falsch und wird nicht nur von Frauchen ständig angeschnauzt – auch seine Mithunde sind unentwegt damit beschäftigt, ihn zu erziehen. Am Schluss, als sie die Runde beendet haben, gibt es dann noch ein Standpauke von Mutti. Tatsächlich nimmt sie die Schnauze des Hundes und richtet seinen Blick mit einem „Schau-mich-an-wenn-ich-mit-dir-rede!“-Geschrei auf ihr wütendes Gesicht. Dann folgt eine Generalpredigt sowie demonstratives Leckerli-Austeilen an die Mithunde – er bekommt nix… wer braucht da noch Radio. Tatsächlich hätte ich gern mal wieder mein geliebtes MDR-Kultur gehört, aber an diesem Ort ist netzmäßig alles am Ende.

Nun gehts aber los und zwar in Richtung „New Forest Nationalpark“. Ich steure Beaulieu an, dort soll es ein kleines Schloss mit Park und Abbey geben. Irgendein Motormuseum wird auch noch erwähnt.

Vor Ort findet man aber nur den Parkplatz am Museum, da ich mich nicht für Autos interessiere, suche ich den Eingang zum Schloss und laufe mit Luna eine Runde um den kleinen Teich.

Den Namen hat das Örtchen schon mal zu recht, es ist wirklich sehr niedlich. Aber wo komme ich in Schloss?

Einen Garten mit Schlossblick finde ich, aber keinen Eingang. Luna lässt sich derweil das „Doggy-Bräu“ – formerly known as Wasser – am Hoteleingang schmecken.

Alles schön hier aber kein Eingang. Nur „Privat!“ Langsam dämmerts mir. Ich muss durch den Museumseingang und bezahlen… so ist es. Stattlich 27 Pfund berappt man als Erwachsener und darf dann in den weitläufigen Park. Zuerst bin ich ein bisschen erschrocken: Hier fährt ein Bus und eine kleine Schwebebahn! Ich bin doch nicht etwa in so einer Art Disneypark gelandet?

Einmal drin, stürze ich mich ins Abenteuer und besuche als erstes die Automobil-Ausstellung. Und was muss ich sagen: Ich finde sie fantastisch. Unmengen verschiedener Autos – Schwerpunkt sind die 20er Jahre – wurden hier versammelt. Herrliche Karossen und aus allen Bereichen: PKW, LKW, Luxuskarosse, Alltagsauto, Feuerwehr, Wohnmobile 😉 – Rennwagen, Motorräder, Vespas usw. in allen Farben und Formen. Die Extra-Ausstellung zur Serie Top-Gear noch nicht dazugerechnet. Ein Wahnsinn! Auch eine alte Autowerkstatt sowie zwei Tankstellen sind nachgebildet und ich merke, wie mich die Faszination packt.

Besonderes Schmankerl für mich: die Mobilehomes:

Im totalen Kontrast schließt sich nun der Blumengarten im viktorianischen Stil an, der allerdings erst in den 90ern nachgebildet worden ist. Überall stehen Dutzende Skulpturen verschiedener Künstler, die allein schon den Gang wert sind.

Immer wieder völlig neue Techniken und Themen haben die Künstler verwandt und werden meist über QR-Codes vorgestellt.

Im hinteren Gartenbereich liegt dann das Schloss und die Reste eine Abbey. Zuerst besuche ich aber eine kleine Ausstellung über die Bedeutung des Estates im 2. Weltkrieg. Beaulieu war Ausbildungsstätte der Spezialeinheit der britischen Armee. Die Sondereinsatztruppe SOE (Special Operations Executive ) wurde Mitte 1940 auf Anordnung Churchills gegründet. Ein Ort, an dem die Special Agents ausgebildet wurden, war Beaulieu und diesen Menschen wurde in einem Nebengebäude des Schlosses ein kleiner Erinnerungsort geschaffen.

Das Schloss selbst kann ich leider nicht von innen besuchen, denn ich habe die Quittung für den Eintritt weggeworfen. Wer vermutet denn, dass man die noch braucht??? Eine Extraeintrittskarte gibt es nicht, aber mein Kopf ist eh schon ziemlich voll und ich möchte noch in das Kloster.

Vom ehemals umfangreichen Gebäudekomplex ist nicht mehr viel übrig. Schon im 16.Jahrhundert wurde alles platt gemacht, nachdem es die Mönche verlassen hatten. Ein kleiner Kräutergarten und das Domus Conversorum steht noch. Letzteres war eine Art Wohnheim für zum Christentum konvertierter Juden. Von 1991-98 hat die Lady des Hauses – Lady Montagu of Beaulieu – mehrere riesige Wandteppiche gefertigt und an die Wände gehängt. Ne tolle Handarbeit!

Detail

Irre, wie lange sie dafür wohl gebraucht hat. Mit dem entsprechenden Budget kann man in diesem Ambiente auch den schönsten Tag des Lebens verbringen. Da kommen die Teppiche besonders gut zur Wirkung.

Ich kann nicht mehr!

Das ist einfach zu viel und man bräuchte mehr als einen Tag, um die verschiedenen Themen aufnehmen zu können: Autos, Parkanlagen, Schloss, Kloster, Skulpturen… Aber ich bin nun doch ganz überrascht und von Disney keine Spur… na bis auf die Bahn und den Bus… wobei: der Bus ist süß… und erst der Fahrer… voll die Schwerstarbeit, den ohne Servolenkung durch die Gegend zu gondeln.

Die Bahn fährt sogar durch das Museum…

Nun ist der Nationalpark ja mehr, als nur ein Museum und das möchte ich am Nachmittag erkunden. Um diesen 2005 westlich von Southampton gegründeten NP gibt es einen Zaun. Deshalb können hier auf mehr als 500 km² verschiedene Tiere in freier Wildbahn leben, ohne sich zu verlaufen: 4000 Ponys, hunderte Esel, Kühe, Schweine, Schafe und natürlich auch Wildtiere. Es ist so herrlich, sie überall herumlaufen zu sehen und jedermann fährt vorsichtig und rücksichtsvoll – meist mit einem Lächeln auf dem Gesicht.

Wir suchen eine Platz und stapfen los. Gleich am Anfang unseres Spaziergangs kommen uns freundliche Kühe entgegen, warten bis wir einen anderen Weg gehen und setzen dann stoisch ihre Wanderung fort. Ein wunderbares Landschaftsbild bietet sich dem Wanderer dar. ich denke immer: so wie Teletubbieland in wild. Kurze grüne Rasenflächen, von Heide und Farn, Birken und Buchen unterbrochen. Es ist, als beträte man immer wieder ein neues Zimmer.

Im letzten Zimmer, dem fantastischen Parkplatz lege ich dann nach einem leckeren Mahl die Beine hoch und genieße einfach mal. Wie gern würde ich hier übernachten, aber die hohen Strafen im Nationalpark riskiere ich lieber nicht. Außerdem empfiehlt mein Reiseführer einen Stellplatz an einem Park in Salisbury. Hübsche Stadt mit Kathedrale und mittelalterlichem Zentrum, steht da geschrieben. Also machen wir uns gegen 17:00 Uhr noch einmal auf die Socken… und stehen vor einer Höhenbegrenzung… Nun beginnt das „Gegurke“ durch die Stadt- ich würde mir ja wenigsten mal kurz die Kathedrale anschauen. Und mit ein bisschen Glück finden wir einen Parkplatz direkt daneben. Da könnten wir theoretisch sogar übernachten, denn bis morgen früh ist der hier frei. Man muss erst ab 08:00 bezahlen. Erst einmal genießen wir mal unseren Abendbummel durchs.. naja… mittel-lohnenswerte Städtchen.

Ein Vorteil ist natürlich unbestritten: Hier gibts Internet und so sitze ich jetzt – um 21:11 Uhr mitten in Salisbury und beende meinen heutigen Post. Ich denke, wir werden wohl hier bleiben…

Kommt gut durch die Nacht.

5 Gedanken zu „Tiere in freier Wildbahn“

  1. Ein herrlicher Tag, liebe Marion, da wäre ich gerne bei euch gewesen.
    Du erzählst so interessant, dass Ruth und ich auch Pläne schmieden, die Insel mal wieder zu besuchen.
    Pass gut auf euch auf, hast du vielleicht auch das interessante Buch: „ Der Salzpfad“ gelesen, den wirst du ja denn bald erreichen.
    Ich wünsche euch einen erlebnisreichen Tag, bis bald, love, die Médrouxer

    1. Ich hab das Hörbuch sogar noch einmal mitgenommen, komm aber einfach nicht dazu. Hier ist immer was anderes los 😂 Jetzt sind wir zur Lulworth Cove gefahren. Wunderschön- aber viel Trubel… wir ziehen uns erst einmal mit ns Womo zum Frühstück zurück und dann mal schaun…. wozu wir… gerade Lust haben 😊
      Liebe Grüße an meinen Sehnsuchtsort 🥰🥰🥰🤗🤗🤗

    2. Wow, meine liebe Marion, das war ein erlebnisreicher Tag! Und die 27 Pfund fürs Museum waren ihr Geld auf jeden Fall wert. Schon alleine wegen der Oldtimer… Der Nationalpark ist wunderschön und das dort Tiere frei herumlaufen können, finde ich sehr, sehr sympathisch!
      Liebe Grüße aus der Heimat und danke für die herrlichen Impressionen!

  2. Hallo liebe Marion
    ich verfolge mit mit großer Freude deine Reise und die Bilder sind fantastisch.
    Im Automuseum wäre ich gern dabei gewesen….hochinteressant und die „alten Kisten“
    haben einfach noch Seele. Zur Zeit machen mein Mann und ich Urlaub in Bled Slowenien,
    wir sind viel mit dem Fahrrad unterwegs. Der anschließende Triglav Nationalpark ist bekannt für seine Artenvielfalt, vor allem Orchideen. Ständig muss ich die Flora App belästigen (wenn Empfang), auch das Tausendgüldenkraut ist mir begegnet. Es ist immer wieder faszinierend welche Artenvielfalt sich entwickelt, wenn der Mensch es zulässt. Abends genieße ich bei einem kühlen Bier deine täglichen Erlebnisse🙋‍♀️👍
    Ganz liebe Grüße an dich und deine liebenswerte Begleitung 🐶
    Sabine

    1. Liebe Sabine, das finde ich auch und erfreue mich auch immer wieder an den fantastischen Naturerlebnissen auf meinen Touren. Schön, dass du mit dabei bist. Gerade, wenn frau allein reist, ist eine Nachricht aus der Heimat immer wieder eine große Freude für mich 🤗 Genießt die Zeit in Slowenien und ich bin schon sehr gespannt auf deine Berichte ☺️ Beste Grüße bis zum Wiedersehen 🙋🏻‍♀️🐶

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