Freundlicher Platzverweis

Was für ein Tag! Eigentlich wollte ich es heute ruhig angehen lassen, doch dann treibt es mich doch immer weiter… Das muss ich morgen ein bisschen besser hinbekommen. Aber von vorn.

Der Tag beginnt wie immer zeitig am Morgen. Die Sonne kitzelt und Luna ist wach. Von dem Wind der gestern noch am Womo rüttelte, ist heute nichts mehr zu spüren und ich kann draußen frühstücken. Herrlich! … und die Fähren kommen an – legen ab – kommen an – … Kaum ist Lunchen aus dem Auto gesprungen hat sie auch schon die ersten Kaninchen im Visier und so legt sie den Frühsport ohne mich hin. Ich mach derweil ein leckeres Frühstück mit Ausblick bereit und sobald die Teller klappern, ist Lunababy wieder zur Stelle.

Gegen 8:00 noch ein Blick auf Dover Castle, dann tuckern wir los und haben eine Wüste im Visier.

In der Gegend um Dungeness gibt es tatsächliche eine. Das Besondere daran: es ist die größte Kiesellandschaft der Welt. Auf Rügen habe ich so etwas im Kleinformat schon einmal bei einem Foto-Workshop gesehen. Aber hier: Meile für Meile nicht viel mehr als Kieselsteine… na gut, mittlerweile wächst da auch was drauf.

Mich erinnert die Gegend stark an die Ghost Towns, die ich in Amerika besuch habe. Aber in diesen trostlosen Häusern leben keine Geister. Echte Menschen zieht es in diese traurige Gegend und der Blick in die Ferne ist auch nicht viel besser: da „strahlt“ ein Atomkraftwerk vor sich hin.

Allerdings gibt es hier auch ein Naturreservat mit besonders vielen Vogel-, Reptilien- und Pflanzenarten. Dort drehen wir eine kleine Runde, aber so richtig vom Hocker reißt mich das hier nicht. Also gehts weiter in die kleine mittelalterliche Hafenstadt Rye.

Draufsicht – gefunden in einem Schaufenster

Sie gehört zu dem damals wichtigen witrschaftlichen Bündnis der „Cinque Ports“ – ab 1278 sicherten diese Hafenstädte, zu denen u.a. auch Sandwich und Dover gehörten, die Südküste Englands. Nachdem Rye allerdings unter mehreren Angriffen zu leiden hatte und mehr als einmal geplündert und dem Erdboden gleich gemacht wurde, entwickelte es sich zum Schmugglerstädtchen bis es durch die Versandung bedeutungslos wurde. Heute ist Markttag, aber leider werden nicht Fisch, Gemüse und Kuchen angeboten, sondern der übliche billige Ramsch, den es auch auf deutschen Märkten ab und zu gibt.

Sänger aufm Markt

Ich parke am Bahnhof ganz modern per QR-Code und beginne meinen Rundgang mit einem Kaffee in der Kino-Bar, die aussieht, als wäre sie früher mal eine Kirche gewesen. Die freundliche Bedienung bringt außerdem drei bunte Leckerli auf einem Extrateller für Luna mit. Grau, gelb und rot… Sooo liebevoll! Allerdings halten die nicht, bis ich das Foto machen kann.

Danach bummeln wir durch den Garten/Friedhof der Saint Marys Church. Besonders schön der riesige, duftende, mit Blüten überladene Trompetenbaum.

Gleich um die Ecke hatte der Schriftsteller Henry James sein Haus, viel schöner allerdings ist die Mermaid-Street – benannt nach dem alten Mermaid-Inn aus dem 16.Jhd. Hier trafen sich einstmals Verbrecher und Ganoven – heute kann man darin gut Speisen und auch übernachten.

Nette Cafes und hübsche alte Häuschen prägen das Stadtbild, doch mich ziehts weiter in Richtung Bodiam Castle.

Wie schon die White Cliffs in Dover, gehört dieses Bauwerk aus dem 14. Jhd. zum National Trust und weil ich dem hier auf Schritt und Tritt begegne informiere ich mich an der Kasse über eine Mitgliedschaft. Für 80 Pfund sind für ein jahr alle Eintritte und Parkgebühren beim National Trust frei. Na prima, das klappere ich in den 4 Wochen bestimmt locker ab. Allein Bodiam Castle kostet mit Parken und Eintritt 15 Pfund. Ich bekomme noch die Karte mit allen NT-Sehenswürdigkeiten dazu und suche mich einen schönen schattigen Parkplatz mit Schlossblick.

Luna macht Pause und ich laufe zum Castle. Eine Wasserburg, wie man sie sich vorstellt, ist hier zu besichtige. Leider hat Oliver Cromwell das meiste davon platt gemacht. Aber die Außenmauern stehen noch und sind sehr imposant. Ich bummel durch die Burgreste und genieße den herrlichen Tag.

Und gar nicht weit entfernt liegt noch ein Kleinod der Burgenbaumeisterschaft, allerdings eine wesentlich jüngere Verwandte – das ist Scotney Castle (auch zum National Trust gehörig). Wir kommen am späten Nachmittag an und werden auf den Overflow-Parkplatz verwiesen. Von da an sind es wunderbare 5 Minuten Fußweg über Wiesen unter alten Bäumen entlang bis zum Schloss.

1837 wurde hier oberhalb einer verfallenen Wasserburg aus dem 12.Jhd. ein Wohnhaus im Stile des Gothic-Revival für den Industriellen Edward Hussey errichtet.

Besonders beeindruckt mich aber der Garten. Sind die Beete neben dem herrschaftlichen Wohnhaus wegen der dort vorkommenden wilden Orchideen natürliche Wiesen, so verwandelt sich der Garten hin zum ehemaligen Wasserschloss in einen Farben- und Formenrausch. Hier blühen und ranken, duften und strahlen die verschiedensten Pflanzen … ganz nach meinem Geschmack.

Auf dem Wasser um die kleine Insel blühen Seerosen und wer genau hinsieht, erkennt die Entenfamilie.

Leider ertönt schon die Glocke und ein Parkgärtner gemahnt zum Aufbruch. Ich überlege, ob ich auf dem großen Parkplatz vielleicht übernachten kann und frage den jungen Mann. Der meint, es würde jemand dafür sorgen, dass alles leer ist, ich könne es doch aber mal versuchen. 😉 Allerdings entscheide ich mich anders. Bei Park4Night habe ich einen Übernachtungsplatz am See entdeckt und will allen Verboten aus dem Weg gehen … was ich bereuen werde…

Machen wir es kurz: der Parkplatz am See war nur für kleine Vans und beinahe hätte ich mich festgefahren… puhhhh, gerade nochmal gut gegangen. Der nächste Parkplatz: Barriere auf 2,50m. Ich fahre weiter zu meinem Ziel für morgen: Sissinghurst Garden – Parkplatz abgeschlossen. Verflixt! Auch neben den Straßen keine Chance, etwas zu finden. Da sehe ich ein Gatter neben dem Sissinghurts-Eingang, das auf eine flache Wiese führt. Kein Schloss dran! Perfekt! Doch wie ich so schön im Abendlicht auf dem Acker stehe, werde ich doch unsicher: das war zu leicht. Wo ist der Haken? Ich laufe mit Luna übers Feld und sehe: frische Kuhfladen… kurze Panik, aber nein! die sind auf der anderen Weide. Und wenn der Bauer sauer auf mich ist und die Viecher heimlich zurückschickt. Naja, so richtig nett ist das nicht von mir, mich so einfach auf seine Weide zu pflanzen… Mal sehen, ob ich ihn finde und fragen kann. Das nächste Haus sieht zwar nicht so aus wie ein Bauernhof, aber ich schau mal, was sich machen lässt. Der Hausbewohner ist freundlich, aber ihm gehört das Land nicht. „Wahrscheinlich denen von Sissinghurst.“, meint er. „Die erlauben das nie!“, setzt er noch grinsend hinzu. Und tatsächlich. Keine halbe Stunde später, ich wollte gerade den Artikel schreiben, kommen zwei freundliche Ranger und erteilen mir einen schmunzelnden Platzverweis: „Netter Versuch! Jetzt aber ab auf den Campingplatz!“, meinen sie freundlich.

Oh Mann, da gurke ich also abends gegen 9 noch durch die Gegend und finde: NICHTS! Campingplatz in der 2. Nacht geht mir gegen die Ehre. Und als ich dann doch einem Schild mit Zeltsymbol folgen will, ist die „Route barrê“… Keine Kirche, kein Friedhof, kein Supermarkt hat einen Parkplatz, der mir etwas nützen würde und so verlässt mich bald mein Mut, als ich dann doch noch einen freien Parkplatz hinter einem Pub in Goudhurst finde.

So, dies sei allen so ausführlich beschrieben, die denken, das wäre hier immer nur Zuckerschlecken 😅. In diesem Jahre hatte es der Auftakt im zweiten Teil ein bisschen in sich.

Nun ist es aber wieder schön, der Wein der letzten Verkostung geöffnet, die Reste der Nudel vom Mittag – leeecker ihr lieben Löpers!!! – verspeist und Luna schnarcht. Ich schreibe und hoffe, dass wir morgen gut ausschlafen können. In Sissinghurst darf man sich erst gegen 10:00 blicken lassen… na dann: „Guts Nächtle! „

PS.: Zum Schluss noch eine kleine Besonderheit. Überall gibt es hier solche alten restaurierten Bauernhäuser mit diesen hohen Dächern. Eckig oder rund wie ein Zuckertüte. Die Spitze ist immer aus weißem Holz und drehbar gelagert, damit sie vom Wind bewegt wird.

Das sind oast houses. Das Dach dient als Darre, in ihm wird Hopfen getrocknet und sie sind typisch für Kent und Sussex. – Na dann Prost!

6 Gedanken zu „Freundlicher Platzverweis“

  1. Ich hab‘s gefunden, gelesen und bin super zufrieden🤗, ja, liebe Marion, du machst das einfach gut! Viel Glück und Spaß!
    Ich denke an euch , deine Bretagnemamie

  2. Da ich gestern deinen Status verpasst habe musste ich erstmal wieder deinen Blog suchen..😊 möchte schließlich keinen Eintrag verpassen um deinen tollen Erlebnissen zu folgen. Wie immer super geschrieben, klasse was du und Luna erleben. Gute Reise weiterhin
    Liebe Grüße aus Bucha

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