Into the woods of Birnam

Der Morgen ist fantastisch. Mildes Licht liegt über dem Dee-Tal und als meinen Kaffee fertig habe, wartet die besondere Überraschung auf mich. Wie im Zeitlupentempo durchstreift ein Gruppe von mehr als 30 Rehen die Flussauen. Sie grasen und nehmen sich dabei Zeit. Weit weg zwar und mit bloßem Auge kaum zu erkennen, aber mit dem Fernglas, was immer im Womo deponiert ist, kann ich meine morgendlichen Studien betreiben. Wunderbar, nur leider fehlt mir die entsprechende Tierfotografen-Ausrüstung. Deshalb braucht man hier ein bisschen Fantasie:

Ich genieße die morgendliche Stimmung und nehme mir mal etwas mehr Zeit zum Relaxen – tun wirs den Rehen gleich.

Einen Parkplatz weiter haben es sich deutsche Camper bequem gemacht, sind gerade beim Frühstück. da beginnt ein wunderbarer kleiner Weg, immer am Wasser entlang, den wir gern für die erste Gassirunde nutzen. Unser Aussichtsstellplatz hatte leider keinen ”Strandzugang” dafür aber Ausblick

Ich liebe dieses Dee-Tal – so wie übrigens auch Queen Victoria. Von Aberdeen aus kann man dem ”Queen-Victoria-Trail” folgen, der diesem herrlichen Fluss bis zu seiner Quelle folgt. Diese Gegend, in der Victoria zum ersten Mal wegen ihres Rheumas zur Kur war, ist mit der königlichen Familie eng verbunden und nach dem zeitigen Tod ihres Mannes, Prinz Albert, zog sie sich immer wieder hierhin zurück – meist ganz in Schwarz gekleidet und deshalb auch als “Black Widow” im Dee Tal bekannt.

Ist der Fluss kurz hinter Braemar noch mild und in weite Auen gebettet, so wird er in Richtung Quelle immer wilder und strömt plätschernd über Steine und durch Schluchten. Gemächlich fließt er dann am Balmoral-Castle vorbei in Richtung Meer.

Wir entfernen uns nun aber von dieser herrlichen Landschaft und fahren auf dem absuloten Lieblings-Track aller Motorradfahrer erst durch das Glen Clunie auffwärts bis zur Glen Shee Skis-Station und dann hinab in Tal des Shee. Oben hat ein britisches Frauen-Duo einen exponierten Platz für die Nacht gehabt und sicher den fantastischen Ausblick ins Shee-Tal genossen.

Da wir heute spät dran sind, ist auf der Straße ganz schön was los. Spaß kann das mit dem Motorrad nicht machen. Ständig abbremsen, auf den schmalen Straßen überholen… Ich würde da lieber zu anderen Zeiten fahren, ganz früh oder abends beim Sonnenuntergang…

Am Ende des Tals gibt es ein kleines Infozentrum mit Cafe und hübschem Souvenir-Laden. da mache ich Pause und gönne mir den dritten und wirklich besten Carrote-Cake in diesem Urlaub. Wunderschöne Bilder der Künstlerin Emily Crookshank, die sich hauptsächlich mit den Tieren der gegend beschäftigt, sind hier neben anderen Sachen zu erwerben.

Ein kleines Informations-Kämmerchen hält Fakten über den Nationalpark bereit und ich kann noch einmal gut nachvollziehen, welchen Weg ich gewählt habe. Hier bin ich nun also am Ausgang angekommen und überlege, was ich mit den verbleibenden drei Tagen anfange. Vielleicht noch einmal an einen See? Loch Tay vielleicht. Also los.

Das erste was mir auf meinem Wg begegnet ist allerdings die Highland-Chocolaterie mit den weltbesten Truffle im Angebot. Im angeschlossenen Cafe kann man die Köstlichkeiten gleich vor Ort ausprobieren.

Mir ist aber gerade nicht nach Schokolade, denn es schleicht sich ein Gefühl des Unwohlseins ein. Also parke ich auf dem wunderschönen Picknickplatz von Kenmore am Loch Tay, lass Castle und Birks of Aberfeldy links liegen und schlafe. Da wird nix besser… und am späten Nachmittag bin ich mir sicher: da hat sich’s eine ausgewachsene Blasenentzündung bei mir gemütlich gemacht… Mist, sowas hatte ich noch nie und es macht echt keinen Spaß.

Ich versuch es dann doch nochmal mit einer kleinen Runde nach Fortingall. Auch wenn der Reiseführer die Fakten über dieses beschauliche Örtchen als ”Wahrheit” verkauft – ich denke, da war ne ganze Menge Whiskey im Spiel:

“Fakt 1. “

Die Eibe im Kirchhof soll zwischen 2000 und 5000 Jahre alt sein und damit der älteste Baum Europas. Soweit ich weiß zählt Schweden auch zu Europa und da habe ich doch letztes Jahr Old Tjiko besuch, der 10.000 auf dem Buckel hat… nun ja… wer weiß das schon. Immer wieder fällt mir der Vergleich mit den Abfällen aus dem Atomkraftwerk oben im Norden ein. Auf diesen Abfall – so schreibt ein Kommentar – müsse man mindestens 40.000 Jahre aufpassen… da sind ja beide Bäume noch lange nicht dabei.

Im Mittelalter hat wohl jemand den Stamm vermessen und 17m Durchmesser festgestellt. Heute ist er allerdings gespalten, durch Blitze, spielende Kinder usw. Nur die Holzpfähle zeigen noch den ursprünglichen Umfang an.

“The Yew” ist gut geschützt hinter Mauern und einige Touristen finden auch an diesem sonnigen Tag den Weg hierher. Kein einziges Womo ist dabei, denn die Straßen sind wirklich schmal. 17,6” max. Breite stand auf dem Schild… so schnell konnte ich das nicht ausrechnen, aber eigentlich alles kein Problem.

”Fakt 2”

Pontius Pilatius soll hier geboren worden sein. Sein Vater – ein römischer Söldner – habe sich in eine Schottin verliebt und so sei der kleine Pontius hier im verschlafenen Fortingall zur Welt gekommen. Eine kurze Netzrecherche zeigt… das ist alles unklar… auch Forchheim erhebt Anspruch und naja… wer weiß das schon 😉

Trotzdem ist es sehr schön hier und vor allem die niedlichen Steinhäuschen haben es mir angetan.

Nun geht aber nix mehr, ich bin fertsch. Selbst ein kleiner Waldspaziergang mach mir zu schaffen und ich habe ziemliche Bauchschmerzen. Na super, das ist ja ein fantastischer Abschluss. Zum Glück bekomme ich wertvolle Tipps der lieben Netti freihaus und verziehe mich in den Weem-Forrest neben dem Menzies-Castle.

Gegen Abend bin ich dann nur noch glücklich, dass ich die Ibuflam 600 eingepackt haben und der Schmerz nachlässt.

Morgens geht es schon besser und ich denke trotzdem über eine Apotheke nach. das versuche ich zuerst in Aberfeldy. Die schicken mich aber für ein Rezept zum Arzt, der ist nicht da und die Schwester meint, ich solle meinen Arzt zuhause anrufen. Der könne dann das Rezept per Mail senden. Ich rufe an, die Schwester drückt mich dreimal weg, das macht sie immer, wenn die Hütte brennt… ich gebe auf. Ein Antibiotikum krieg ich also nicht. Muss halt Tee und Pülverchen helfen.

Soviel verplemperte Zeit … aber sicher ist das hier sonst ein netter Ort.

In der Wassermühle rechts ist ein Buchladen mit Cafe… eigentlich mein favorisierter Ort, heute lass ich ihn rechts liegen. Auf gehts nach Dunkeld. Nachdem ich also hier in der Apotheke die Pülverchen bekommen habe, merke ich: Hier hat man es auf Köstlichkeiten abgesehen. Verschiedene Leckerbissen sind in den kleinen Lädchen zu bekommen. Ich nehme ein frische Brot und leckeren Käse aus der Frischtheke für heute Abend mit. Hilft vielleicht auch gegen Blasen…. Zeugs.

Der Tag ist grau, der regen hat sich aus der Nacht in den Tag gezogen und ich frage im ”Dunkeld-Fine-Foods”, ob Hunde erlaubt sind und es WLAN gibt. Beides wird bejaht, also ist das wohl mein Ort. Nach 4 Wochen und zwei Nachbuchungen neigt sich mein mobile Netzvolumen dem Ende zu. da ist so ein freies WIFI schon was wert. Dazu einen warmen Lachsbagel und einen Kaffee und die Welt sieht schon besser aus.

Ganz hier in der Nähe sind die Woods of Birnam. ”When Birnam Woods shall come to Dunsiname” lässt Shakespeare bedrohlich in seinem Macbeth die Hexen rufen. Auch eine recht gute deutsche Band um den Schauspieler Christian Friedl hat sich nach diesem Waldstück benannt. Da kann ich nicht dran vorbei und wenn es keine Berge im Wald gibt, dann schaff ich auch eine Wanderung. Der Regen hat aufgehört. Luna, die hier im Cafe gerade ganz brav gelegen hat, müsste auch mal raus, Also verziehen wir uns jetzt mal in die Woods of Birnam. Vielleicht kann man da in Shakespeares Namen auch gut übernachten.

Hier ist übrigens der Weg, den wir in den letzten vier Wochen hinter uns gebracht haben einmal aufgezeichnet. Vielleicht sagt mir mein Körper auch gerade mal: Stopp! Das soll Urlaub sein. Meine Antwort: Nein, das ist kein Urlaub, das ist eine Reise. Diesen netten kleinen Unterschied erklärte Sandra Maischberger neulich im Podcast “Hotel Matze” und ich muss ständig daran denken, wie recht sie doch hat. Ja, das ist kein Urlaub, den mach ich, wenn ich wieder da bin 😜

Kommt gut durch den Tag

4 Gedanken zu „Into the woods of Birnam“

  1. Liebe Marion, ich wünsche dir gute Besserung, vorallem dass du auch die letzten Tage noch genießen kannst. Dein Blog ist wieder so toll, beim Lesen hab ich immer das Gefühl ein bissel mit dabei zu sein…
    Also nochmal liebe Grüße und hoffentlich bis bald mal, vielleicht zur Chorprobe? Sylvia aus der Grafschaft Göschwitz 😉

    1. Danke liebe Sylvia, geht schon wieder und da gerade wirklich schottisches Wetter ist, komm ich sogar mal zum Lesen 😄 Ich hab meinen Stundenplan schon und wenn der so bleibt, dann sieht es im kommenden Jahr gut aus mit der Chorprobe 👍 Also bis bald und schön, dass du mich durch dieses tolle Land begleitet hast 🙋🏻‍♀️🐶🏴󠁧󠁢󠁳󠁣󠁴󠁿

    1. Na ja, Antibiotikum wäre sicher besser, aber mit der Ibuflam gehts. 🙂 Da aber im Moment sowieso Dauerregen ist, koch ich mir nen Tee und lese „Maria Stuart“… auch ein Teil von Schottland 🏴󠁧󠁢󠁳󠁣󠁴󠁿

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