“Strahlende” Buchten

Das mit dem Stellplatz am See wird dann doch nichts. Warum? Ich habe eine bessere Alternative. Angekommen am See stören wir zwei Nichtsahnenden ein Liebespaar. Die saßen gemeinsam am Wasser und hielten Händchen. ”Oh, sorry!”, ich wollte schon umdrehen, Luna natürlich nicht. So kamen wir ins Gespräch. Die beiden ”Locals” waren Anfang 30 und wohnen hier in der Gegend. Sie seien auch hier geboren und wollten nie weg. Ach ja, einen Camper hätten sie auch und nein, das hier sei nicht die beste Stelle zum Freistehen. Mit Handy und Google Maps ist der Traumplatz schnell gezeigt und so sattle ich die Pferde nochmal für 11 Meilen. Damit umfahre ich die große Sanddüne inklusive Berge und komme in Torrisdale Beach an. Gleich neben dem Friedhof ist da ein Platz für die Nacht.

Wir sind quasi am anderen Ende unseres Traumstrandes vom heutigen Morgen. Das hier ist kaum ein Dorf zu nennen. Wieder stehen nur vereinzelte Häuschen in der Gegend rum und die Öffis haben es wahrscheinlich auch schon aufgegeben in diese Sackgasse zu fahren: die Haltestelle hat ein sinnvolle Wiederverwertung erfahren.

Im traumhaften Abendlicht machen wir noch eine kurze Wattwanderung und verschwinden dann nach einem leckeren Abendbrot mit herrlichster Aussicht ziemlich kroggi in unserer Kajüte.

Am nächsten Morgen sind wir mal nicht die ersten, die erwachen. Neben uns hat sich am Abend ein freundlicher junger Mann mit Hund und Caddy platztiert und der bekommt heute 7:00 Uhr Besuch von einem Freund. Beie sind ziemlich hektisch, zeigen auf die Wellen am weit entfernten Strand und machen sich und ihre Surfbretter bereit. Ohne Neopren geht hier natürlich nix und dann joggen(!) sie die Strecke bis zum Wasser, als gäb es da was zu verpassen… natürlich!! Die perfekte Welle!

Wir lassen es etwas langsamer angehen, machen aber noch vor dem Frühstück die erste Runde. Das will ich natürlich sehen, wie die ihre Welle reiten. Allerdings läuft quer über den Strand das Delta des Flüsschens Borgie. Da heißt es: “Schuhe aus und durch!”

Am Wasser angekommen, vergessen wir die beiden Surfer ziemlich schnell, denn man kann sie in den Wassermassen kaum entdecken. Luna interessiert außerdem ein blankgeputzter Knochen den man an den Füßen als Reste eines Schafs erkennen kann. Der Sand hat ihn poliert, aber die schwarzen Klauen sind noch dran. Mich interessiert aber etwas anderes. Da liegt doch tatsächlich ein riesiges Schiffswrack im Sand begraben.

Die Schotten und die Seiten sind gut zu erkennen. Dicke Nieten halten die noch vorhandenen Teile zusammen und ganz hinten ragt auch noch die Bugspitze aus dem Untergrund heraus.

Luna knabbert am Schaf

Ich bin begeistert. Vor allem von den Farben. Algen, Rost, Muschelbesatz… ergeben ein irres Farbspiel.

Was hier vor mir liegt ist die SS John Randolph, ein amerikanisches Versorgungsschiff aus dem 2. Weltkrieg. Es transportierte 1942 Fracht von Island nach Murmansk und wurde auf dem Rückweg von Seeminen zerstört. Dabei zerbrach es in zwei Teile. Ursprünglich war das Schiff mehr als 130 Meter lang. Ein Teil sank sofort. Der andere Teil wurde nach Island geschleppt und diente dort für den Rest des Krieges als schwimmendes Dock. Als das Schiff dann 1952 nach Bo`Ness am Fluss Forth zum Verschrotten geschleppt werden sollte, riss das Tau auf offener See und es strandete schließlich hier in der Torrisdale Bucht.

So sah es mal aus

Nun bekomme ich aber Frühstückshunger, außerdem spüre ich meine Füße kaum noch, so kalt sind sie mittlerweile im nassen Sand geworden, also nichts wie zurück in warme Womo.

Als ich gegen 10:00 Uhr aufbreche, haben unsere Surfer noch mehr Besuch erhalten. Nach ihrer ersten Runde brechen sie gerade noch einmal mit einem jungen Paar gemeinsam zum zweiten Versuch auf. Die haben sich allerdings ein kleines Baby vor den Bauch geschnallt. Dick eingepackt im Winteroveral muss es das Hobby seiner Eltern ertragen Na ja, frische Luft bekommt es so genug.

Tschüss du wunderbarer Ort

Schon gestern hatte ich immer mal nach ihm Ausschau gehalten, denn der Mix aus Nieselregen und Sonnenschein war ja wie gemacht für ihn. Und tatsächlich. Als ich heute morgen ein letztes Mal durch Bettyhill fahre, zeigt er sich… über meiner Traumbucht… ich fasse es nicht. Wie ein Abschiedsgruß… und schon ist er wieder weg.

Wie an einer Perlenkette reihen sich nun Bucht an Bucht. Eine schöner als die andere. Man muss einfach nur anhalten und losmarschieren. Und das tun wir. Vorbei an Dünen, die an Katzenbuckel erinnern…

… über Wasserströme, die aussehen wie flüssiges Bronze…

… hin zu Schluchten, die der Eingang zur Vorhölle zu sein scheinen.

Hier gibt es überall etwas zu entdecken und zum Glück ist das Wetter auf unserer Seite. Schaut man in Richtung Landesinnere, sind graue Wolken und Regenfäden das bestimmende Bild. Ich aber biege ab zur Stichstraße in Richtung Strathy Point. Eine Felszunge mit Leuchturm, an der man angeblich auch Wale beobachten kann. Die Straße endet vor einem Tor und einem Schild: NO DOGS.

Da muss Lunchen wohl im Warmen warten und ich mache mich alleine auf die Socken. Ungefähr einen Kilometer Fußweg, vorbei an Gerümpel, Schafen, alten Autos und einem Minifriedhof über grüne Wiesen mit Weitblick zum Meer läuft man bis zum Leuchtturm.

Die Klippen sind fantastisch und das Felsentor überrascht mich kurz vor dem Leuchtturm als besonderes Highlight. Der Turm selbst ist privat und kann nicht betreten werden. Dafür ist er ein umso schöneres Fotomodel. Auch wenn ich keine lebendigen Wale gesehen habe, der grüne Wal da unter dem Leuchtturm sieht auch sehr imposant aus. Wie auf dem Kopf eines riesigen Fischs schwebt das Gebäude zwischen Himmel und Erde.

Nun ist aber mal wieder Lunchen dran, also hin zum nächsten Strand.

So kann das hier den ganzen Tag weitergehen, aber ich möchte ja noch ein bisschen weiter. Okay noch eine Runde drehen wir. Links zeigt das Schild nach Sandside Beach. Klingt gut. Sieht auch sehr schön aus, idyllisch nahezu, wenn nicht gegenüber ein seltsames Gebäude stehen würde.

Das ist der älteste “Schnelle Brüter” Europas – die Atomanlagen von Dounreay. Seit 1961 lieferte diese Anlage Strom ans großbritanische Netz und war höchst geheim. Bis in die 90er war die Stelle hier faktisch ein weißer Fleck auf der Landkarte. 1998 legte man die drei Reaktoren still. Seither arbeiten rund 2000 Experten daran, hier den Rückbau irgendwie hinzubekommen. Auch Endlager und und Wiederaufbereitungsstätten gibt es auf dem Gelände und so ganz ohne Zwischenfälle ist das hier wohl nie abgegangen. So drang 1977 Meerwasser in einen Endlagerschacht ein und brachte diesen zur Explosion. Dabei wurde Radioaktivität frei. Auch am Sandside Beach hängen Schilder, man möge doch bitte keine Steine mitnehmen, weil sie radioaktiv belastet sein könnten. Der Besuch der Anlage wird übrigens als touristische Highlight angeboten… Na, lass mal lieber! So grün scheint die Art von Energie ja nun doch nicht zu sein und ich frage mich, was die Leute hier darüber denken. Ich soll keinen Stein aufheben… die leben hier…

Aber auch hier kann man sich in den tollen Steinstrukturen verlieren.

Noch ein kurzes Stück bis hinter Thurso fahren wir und finden einen schönen Stellplatz an der Dunnet Bay mit Blick auf Dunnet Heat und die dahinter liegenden Orkney Inseln. Da bleiben wir und zwei Womos kommen dazu: einer brät, einer macht ein Feuerchen – alles sehr gemütlich. Nun auch euch daheim eine gute Nacht und liebe Grüße vom nördlichsten Punkt des britischen Festland… naja fast: da hinten rechts der Zipfel, der isses.

2 Gedanken zu „“Strahlende” Buchten“

  1. Hallo ihr zwei mit den sechs Beinen,
    Wir verfolgen mit großem Interesse und voller Bewunderung eure täglichen Reiseberichte. Deine Reportagen finden wir sogar besser als das ein Reiseführer schafft. Die Bilder sind super und man glaubt, man ist mittendrin.
    Die Hälfte der Reise liegt nun schon hinter euch und ihr werdet sicher noch viele schöne Momente erleben. Bleibt schön gesund und lasst uns weiterhin mit großer Freude daran teilhaben. LG Gudrun und Joachim

    1. Guten Morgen ihr lieben Nachbarn, es freut mich sehr, dass euch mein Blog so viel Freude macht und die Grüße von daheim sind sowieso immer wunderbar , wenn man allein unterwegs ist. Heute ist der nördlichste Punkt erreicht und der Rückweg beginnt. Mal schauen, was der noch so bereithält. Seid lieb gegrüßt und bis bald 🙋🏻‍♀️🐶🏴󠁧󠁢󠁳󠁣󠁴󠁿

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