Von Grau zu Grün

Der Tag beginnt grau und kühl. Unvorstellbar, dass zur gleichen Zeit in Deutschlag 37 Grad zu verzeichnen sind… hier fröstelts den Frühaufsteher. Nach einer kleinen Runde am nassen Strand, wassersparender Katzenwäsche und einem kurzen Frühstück laufen wir noch ein Runde durchs morgendliche Oban. Farben des Tages: Fifty shades of grey. 

In der Bucht hat der Fremdenverkehrsverband das Poem „Bonnie Oban Bay“ anbringen lassen, aber so „bonnie“ ist das hier nicht. Nasse Kälte, graue Wolken und die typischen dunklen Steinfassaden lassen die Stadt sehr abweisend und geduckt erscheinen. 

In den Augen des Tourismusmanagement scheint das alles ganz anders auszusehen, was dieses Bild hier zeigen soll. Vielleicht fängt ja hier im Sonnenschein alles an zu leuchten.

Seafood ist ja am Morgen auch nicht das, was einen den Tag versüßt… Einziger Lichtblick: Der Schokoladenladen. Für seine Trüffel berühmt kann auch seine Innenaussattung gute Laune machen – nicht nur die essbaren Details. In der liebevoll eingerichteten Sitzecke kann man den Fähren beim Ein- und Auslaufen zusehen und dabei eine heiße Schokolade schlürfen. Vorerst hat der Laden aber noch zu und ich begnüge mich mit den schokoladig verfeinerten Meisterwerken der Malerei an der Außenseite.

Hafen – Destillery und – nein, ich muss mich korrigieren, kein Amphitheater, sonder der etwas irrwitzige Traum des ortsansässigen Bankers John McCaig, der Ende des 19.Jahrhunderts sein Geld einfach mal dafür spendiert hat, arbeitslosen Steinmetzen Lohn und Brot zu geben. Die sollten dafür den McCraig-Tower erbauen, der heute frei zugänglich ist und einen schönen Blick über die Stadt gewährt.

Pünktlich fünf vor zehn stehe ich wieder am Schokoladenladen, wo eine ältere schottische Dame schon wartet. Ein Schwatz mit ihr gestaltet sich etwas schwer, weil sie ein für mich kaum verständliches Englisch/Schottisch spricht. Dass die Insel, auf der ich kürzlich war “Arrn” und nicht “Arran” ausgesprochen wird, das hat sie mir dann doch deutlich erklärt. „Wegen der zwei RR!“  Sie wohnt hier in Oban, seit sie vor vierzig Jahren die Liebe hergezogen hat, dabei tippt sie auf ihren Ehering und steuert kurz vor 10 die Trüffeltheke an. Hier wird sie freundlich begrüßt, man kennt sich 🙂

5 Trüffel suche ich mir aus und nehme auch noch ein Paket für zuhause mit, eh ich vor der Kälte ins Womo entfliehe und in mein Navi „Glencoe“ eingebe. 

Auf dem Weg da hin gibt es aber noch einiges zu sehen. Erster Stopp Dunstaffnage Castle.  Auf einer Landzuge gelegen, hatte es sicher mal eine besondere Bedeutung. Robert the Bruce hatte auch hier wieder seine Finger im Spiel. Heute sind nur noch die Reste zu besichtigen. Besonders gut gefällt Luna der umliegende Wald. Sie reckt die Nase gleich in die Luft und ich bin froh, die Leine eingepackt zu haben, obwohl ich das erst gar nicht vor hatte. 

Auch eine alte, zerfallene Kapelle steht im Wald, die einmal „one of the finest chapels of its time“ war. Besonders der Einfall des Sonnenlichts im Sommer ließ den Innenraum erstrahlen und die Besucher das Himmelslicht erahnen. Heute fällt auch im Winter Licht von überall herein, in die dachlose Ruine… das ist eben der Lauf der Zeit: Bedeutsames wird unbedeutsam, da sollte man sich doch ab und zu den Luxus erlauben und selbst festlegen, was für einen persönlich bedeutsam ist.

Ein paar Kilometer weiter die nächste Überraschung. Saint Conan`s Kirk am Loch Awe. Von außen ein kleines und fast zu übersehendes Kirchlein. Doch im Inneren verbindet es Architekturstile aus den verschiedensten Zeiten. Der Architekt Walter Douglas Campell ließ sie für seine Mutter erbauen, der die 7km bis zur nächsten Kirche immer beschwerlicher wurden. Sein Ziel war es, möglichst alle Elemente schottischer Gotteshäuser aus den verschiedenen Zeitaltern zu verbinden. Dazu besorgte er auch Materialien aus verschiedenen Ecken Schottlands, von alten Kirchen und sogar Holz einer alten Fregatte wurde verbaut. Und was sich anhört, wie ein sinnloser Mix verschiedener Architekturstile, ist doch ganz nett anzuschauen.

Oberhalb der Kirche hat übrigens jemand eine wichtige Schlacht gewonnen. Diesem Jemand ist in der Kirche natürlich eine Kapelle mit Sakropharg gewidmet. Persönlich ist der bekannte Schotte natürlich nicht hier begraben, aber es heißt, ein Stück Knochen befände sich unterhalb des liegenden Mythos. Aus Holz und Alabaster wurde er hier überlebensgroß abgebildet und er heißt … aber sicher: Robert the Bruce

Neben dem mittelalterlich nachempfundenen Kreuzgang und den wunderschönen Bleiglasfenstern gefallen mir vor allem die Wikingermotive an der Orgel.

Einen Architekten wird man hier bestimmt nicht begeistern, aber ich finde das toll.

Hauptattraktion am Loch Awe und beliebtes Motiv aller Schottlandreisenden ist natürlich das Kilchrun Castle. Wunderschön an der Nordspitze des Loch Awe gelegen, wird es täglich von vielen Touristen besucht. Allerdings ist es von der Standardseite aus im Moment weniger fotogen. Hässliche Bauzäune verstellen den Blick und wenn man nach links oder rechts ausweichen möchte, versinkt man im Morast.

Doch da sehe ich am Westufer einige Leute laufen. Von da aus hat man den besseren Blick und da nun alle vorhandenen Schuhe nass sind, muss ich mit Crocs los und kann mich gar nicht entscheiden, welche Perspektive mir am besten gefällt. Am Handy am besten im Querformat anschauen 🙂

Kurzentschlossen mache ich nun doch noch einen Abstecher nach Inveraray mit dem Castle, das der Stammsitz des Campbell-Clans ist. Der 13. Duke of Argyll lebt übrigens mit Frau und drei Kindern auch hier. 

Die sitzen da nicht immer, sondern begrüßen die Gäste auf ein Bild im Eingangsbereich 😜

Das seltsam grau-grüne Gebäude hat einen weitläufigen Park, einen kleineren Garten und ein niedliches Schlosscafe. Für 14 Pfund darf man das und einen Teil der Innenräume besichtigen. Besonders beeindruckend ist die 21m hohe Waffenhalle mit der nebenliegenden zweiflügligen Treppe. Der eine hat tote Tiere an der Wand, der andere Waffen. Beides würde ich abwählen. Prunkvolle Gemächer, Speisesäle und Gemäldekabinette gefallen mir da schon besser. 

Besonders interessant ist allerdings das McArthur Zimmer. Schon immer sei es aufgefallen, dass die Luft in diesem Zimmer kälter war. Unheimlich wurde es aber, als dieses Bett ins Schloss gebracht wurde, in dem der Legende zufolge ein Harfespieler von den Männern des Herzogs von Monrose ermordet wurde. 

Außerdem spukt es hier. Als der Vater des jetzigen Dukes verstarb, soll das Bild, das er am meisten hasste, von der Wand gefallen sein. Es hängt neben dem Bett und heißt: „Der singende Jüngling“. Ich finde es übrigens auch ziemlich schrecklich…

Fünf Geister soll es im Schloss geben. Mir reichen aber schon die drei. Hinge dieses Bild in meinem Schlafzimmer, ich würde mich auch gruseln.

Übrigens ist der jetzige Herzog nicht nur Weltemeister im ELEFANTENpolo… was ist das denn??, sonder war als Kind auch Page bei wichtigen Leuten. Zur Belohnung wohnt er jetzt in einem Haus, das jeden Tag Hunderte Besucher hat… na ja und besonders modern ist die Innenausstattung sicher nicht. da bleib ich doch lieber in meinem “Papphäuschen” in Bucha.

Ich würde mal tippen, er steht hinten ganz links.

Funfact: Einige Folgen der Serie „Downton Abbey“ wurde hier gedreht.

Zwei Wege führen nach Glencoe. Beim kürzeren muss ich wieder zurück und dann rechts. Der längere geht durch „The Trossachs“. Ich nehme den kürzeren, denn dort werden im Glen Orchy ein paar wunderschöne Übernachtungsmöglichkeiten angezeigt. Und was soll ich sagen. Es ist ein Volltreffer. Ich darf mich sogar entscheiden. Zwischen dem:

Und dem:

Beide liegen an einer Singleroad, die am River Orchy entlangführt. Nun hat sich die Farbe des Tages doch noch gewandelt in „Fifty shades of green“. Zudem lässt sich die Abendsonne blicken und taucht alles in warmes Licht. Und als ich gerade hier sitze und den Tag Resumee passieren lassen, mir einen Melonensalat mit Luna teile, kommen zwei Schotten mit langen Angelrute am Womo vorbei. Die sind so lang, dass man sie auf dem Autodach transportieren muss. Auch die Leine ist megalang und wird ständige ausgeworfen.

Auf welchen Fisch sie den hoffen, frage ich und bekomme die Antwort „Samen“. Hm, … bis ich rausbekomme, dass es Salmon – also Lachs – heißt, dauert es ne Weile. Lachse angeln die also mit diesen riesigen Ruten. Sie schwingen die Angelsehne übers Wasser und stehen mit ihren Wathosen bis zum Bauch in der Strömung. Das ist ja hier wie bei „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“! Idylle pur. „Isn`t it nice?“, fragt mich der Angler. „Das Fischen oder die Natur?“, frag ich zurück. „Both!!“

Da unten am Ufer, direkt vor meinem Womo, da gibts den Lachs…

Zum Whatsappen reicht das Netz hier und auch den Text kann ich schreiben, aber alles andere muss bis morgen warten. Denn man muss sich schon entscheiden: Natur oder Internet. Zumindest ist das hier in den Highlands so. Und deshalb verschiebe ich das Bloggen auf morgen früh. Gute Nacht.

6:30 Luna will raus und beschert mir damit einen wunderschönen Morgen:

Dunstwolken ziehen durch das Glen Orchy und das Gras glitzert vom Tau. Nichts ist zu hören, als das Rauschen des Flusses und die Hügel leuchten im Morgenlicht. Ein Traum und ich freu mich wie Bolle.

Noch immer der schmetterlingshafte Wechsel zwischen 3G, 4G und E und deshalb beschließe ich, noch vor dem Frühstück durchs SingleTrackRoad-Glen zu gondeln, bis ich zivilisierten Netzanschluss habe und euch von diesem Traum berichten kann. Die Belohnung folgt auf den Fuß: Ich hab den morgendlichen Wasserfall ganz für mich allein:

Angekommen in Bridge of Orchy stell ich mich auf den Picknickplatz und schreib erst einmal hier fertsch… eh ich mir meinen Kaffee mach und… ja ich mach heut morgen mal ne ”Husche” rein, denn ich hab kalte Füße… während ihr wahrscheinlich schwitzt. Liebe Grüße in die heiße Heimat.

9 Gedanken zu „Von Grau zu Grün“

  1. Ein Schokoladenladen…. Yummi!😋 Und was für phantastische Bilder!!!! Du bist eine Meisterin…. Waren die Angler auch nice?😁 Habt einen schönen kühlen Tag.

  2. Liebe Marion,

    beim Lesen sind mir so viele Dinge durch den Kopf gegangen, besonders Erinnerungen…
    Die alte Dame vorm Schokoladenladen (2x …laden 😏) hat mich an meinen schottischen Kollegen Billy erinnert, der mit mir im Auslandsschuldienst im Luxemburg startete. Von Anfang an sehr redselig, aber leider hat ihn niemand verstanden. Einmal hatte ich zwei meiner Schüler zu ihm geschickt, um etwas zu fragen. Sie kamen WIRKLICH weinend zurück, weil sie ihn nicht verstanden hatten. In 8 Jahren hat sich das dann aber zum Verständlichen entwickelt und auch ich hörte mich ein. Aber ja, man fragt sich, ob man jemals Englisch gelernt hat.
    Auch die Kälte vor Ort kommt den Schotten sicherlich mehr als normal vor, denn wenn wir bei strammen Minusgraden und dick eingemummt die Pausenaufsicht antraten, kam Billy entspannt im Polohemd zur Aufsicht und fragte uns lachend, ob uns kalt wäre??
    Wir hatten eine schöne Zeit und sein schottisches Gummistiefel-Weitwurf-Spiel auf dem alljährlichen Sportfest der Schule war immer ein lustiges Highlight.
    Als du von den beiden Anglern geschrieben hast, musste ich sofort ans Fliegenfischen denken, das ich durch den melancholischen Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ mit Robert Redfort kennengelernt habe. Zwei Frauen, ein Gedanke… Ich habe den Film sogar noch als DVD….
    War denn keiner der beiden Angler etwas fürs Herz?
    So viele schöne Fotos hast du wieder gemacht, aber mein absoluter Favorit unter allen ist das WoMo im Morgendunst!!
    Meeeeega! Danke Lunchen!
    Und nun fertsch!
    Wir wünschen euch einen sehr schönen, hellen und wärmeren Tag! 🤓🐶

  3. Liebe Marion,

    beim Lesen sind mir so viele Dinge durch den Kopf gegangen, besonders Erinnerungen…
    Die alte Dame vorm Schokoladenladen (2x …laden 😏) hat mich an meinen schottischen Kollegen Billy erinnert, der mit mir im Auslandsschuldienst im Luxemburg startete. Von Anfang an sehr redselig, aber leider hat ihn niemand verstanden. Einmal hatte ich zwei meiner Schüler zu ihm geschickt, um etwas zu fragen. Sie kamen WIRKLICH weinend zurück, weil sie ihn nicht verstanden hatten. In 8 Jahren hat sich das dann aber zum Verständlichen entwickelt und auch ich hörte mich ein. Aber ja, man fragt sich, ob man jemals Englisch gelernt hat.
    Auch die Kälte vor Ort kommt den Schotten sicherlich mehr als normal vor, denn wenn wir bei strammen Minusgraden und dick eingemummt die Pausenaufsicht antraten, kam Billy entspannt im Polohemd zur Aufsicht und fragte uns lachend, ob uns kalt wäre??
    Wir hatten eine schöne Zeit und sein schottisches Gummistiefel-Weitwurf-Spiel auf dem alljährlichen Sportfest der Schule war immer ein lustiges Highlight.
    Als du von den beiden Anglern geschrieben hast, musste ich sofort ans Fliegenfischen denken, das ich durch den melancholischen Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ von Robert Redfort kennengelernt habe. Zwei Frauen, ein Gedanke… Ich habe den Film sogar noch als DVD….
    War denn keiner der beiden Angler etwas fürs Herz?
    So viele schöne Fotos hast du wieder gemacht, aber mein absoluter Favorit unter allen ist das WoMo im Morgendunst!!
    Meeeeega! Danke Lunchen!
    Und nun fertsch!
    Wir wünschen euch einen sehr schönen, hellen und wärmeren Tag! 🤓🐶

  4. Wieder so wunderschöne Bilder in herrlicher Natur .
    Du schreibst so herrlich erfrischend und trotzdem sehr informativ..einfach beeindruckend
    Weiterhin eine tolle Zeit
    Liebe Grüße Angela

Schreibe einen Kommentar zu Marion-Schulz Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert