Die Prinzessin aus Baden

Es fühlt sich ein bisschen so an, wie Schlafen auf Schleifpapier. Mein Bett ist versandet. Aus Lunas Fell rieselt der letzte Strandsand und das, obwohl ich sie gestern Abend mit dem Handtuch abgerubbelt habe… Der Himmel ist trüb und das, worauf wir zuhause schon seit Wochen warten, setzt ein: leiser Landregen. Das ist aber für echte Schotten noch kein Grund, die Regenjacke herauszuholen und so laufen hier alle im Sweatshirt herum. So auch ich – aber die Jacke stecke ich für den Notfall ein 😜.

Über den angrenzenden Golfplatz verläuft der Weg in Richtung Kings Cave. Robert the Bruce, der schottische König des 13.Jhd. soll sich dort versteckt haben, als er zum 6. Mal eine Schlacht gegen die Engländer verloren hatte. Den Ort des Verstecks beanspruchen aber mindestens noch drei andere schottische Gegenden für sich. Halten wir es einfach mal für wahr und laufen los.

Recht schnell hat Luna „Hasenbraten“ gerochen und ich bin froh und auch ein bisschen genervt, weil ich sie an der Leine hab. Einerseits kann sie nicht weg, andererseits ist die Schnur auf Spannung. 

Hinterm Eck tut sich die Klippe der Basaltfelsen am Drumadoon-Point auf – The Doon, so hieß hier früher eine Festung, von der nur noch wenige Reste übrig sind. So wenig, dass ich sie irgendwie übersehen hab… übers Meer hin, in Nordirland, gibt es am Giants Causeway noch mehr solcher Säulen. Die hier sind nicht ganz so beeindruckend, aber auch eine Wanderung wert.

Wir klettern über rundgeschliffene Steine, die mich mit ihrer Sprenkelung an die Wachteleier meiner Nachbarn in Bucha erinnern. Wusstet ihr, dass jede Wachtel mit der Musterung ihres Eis so eine Art Footprint hinterlässt. Man kann wohl genau erkennen, welches Ei von welcher Wachtel stammt, sozusagen am typischen Eiermuster. Das geht mir gerade so durch den Kopf, als ein Schild rechts zu einem weiteren Fußabdruck führt. Diesmal ist es die Pfote eines Sauriers, der hier vor etlichen Jahren langgestapft ist. Der damals waagerechte Weg ist mittlerweile versteinert und um 90 Grad nach vorn geklappt. Steht heute senkrecht im Wald rum.

Und siehe da, gleich finde ich noch ein paar Abdrücke seltsamer Erdenbewohner, die sich hier auf dem Holz verewigt haben…

Schon von fern sind die Höhlen zu erkennen und ich staune nicht schlecht, wie groß sie sind. Da hat sich bestimmt der König nicht allein versteckt, sein halbes Heer passt hier auch noch rein. Die größte ist mit einem fürstlichen Gitter abgesperrt, an das jemand eine selbst gebastelte Spinne gehängt hat. Es geht nämlich die Mär, das der gute Robert the Bruce ziemlich deprimiert gewesen sein soll, als er nach sechs verlorenen Schlachten gegen die Rotröcke hier die Schmach erdulden musste und sich versteckte. Als er nun in seiner gemütlichen Höhle so nichtsnutzig rumlag, beobachtete er eine Spinne, wie sie erfolglos versuchte ein Netz zu bauen. Immer wieder ging es schief und erst beim siebenten Mal hing das Kunstwerk in den Felsritzen. Da sprang der König auf und sagte zu seinen Mannen: „If at first you don`t succeed, try, try and try again!“ Die nächste Schlacht gegen den König von England war erfolgreich… Moral: Spinnen verändern Weltgeschichte.

Bei schönem Wetter hat man hier einen wunderbaren Blick rüber zur Halbinsel Kintyre – nun ratet mal, welcher Ohrwurm mir schon den ganzen Tag im Kopf herumschwirrt – und könnte dann sogar ganz links hinten Nordirland sehen.

Luna nimmt schon mal Platz in der Königshöhle. Ganz schick hier. Mal kurz durchwischen, bissl Farbe an die Wände und ne Leckerli-Bar rein, dann hält man das mit diesem Meerblick hier als Hund locker aus.

Auf dem Rückweg warnen Schilder auf dem Golfplatz vor fehlgeleiteten Geschossen und ich ducke mich schon vorsorglich, als einer der drei Herren da vorn ausholt und den Ball genau in meine Richtung anvisiert… aber beim Golfen scheint der echte Schlag erst nach 10 Trockenübungen zu sitzen.

Der Regen wird stärker. Als ich die Insel überquere, fahre ich auf dem höchsten Punkt einmal durch die Wolken, eh ich in Brodrick beim Castle für 14 Pfund Einlass begehre. Durch ein wunderschönes schmiedeeisernes Tor betrete ich den Wallet-Garden. Hunde sind im Schloss nicht erlaubt und Luna schlummert friedlich und müde im Womo.

Das Castle kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Eben erwähnte Robert the Bruce ließ es im 13.Jhd. sogar zerstören, damit es den Rotröcken nicht in die Hände fällt. Zu der heutigen Pracht verhalf ihm allerdings eine Prinzessin aus Deutschland. Marie Amalie von Baden – ein Verwandte Napoleons – heiratete 1843 den schottischen Adligen William Hamilton, den 11. Duke of Hamilton. Das Hochzeitsgeschenk des Schwiegervaters war das Castle in Broderick und als sich Marie Amalie wegen der dauernden Abwesenheit ihres Mannes langweilte, ließ sie das Schloss mit dem Geld des Schwiegervaters aufwendig umgestalten.

Den linken Teil hat Schwiegerväterchen spendiert

Auch die Gartenanlagen wurden mit Pflanzen und Bäumen aus aller Welt bestückt und eröffnen immer neue Blicke auf Schloss und Natur. Ein besonderes Gartenhäuschen ließ der Gatte von Handwerkern aus Bayern errichten. Darin sind alle Muster aus Zapfen und Zweigen gefertigt.

Die Innenausstattung ist beeindruckend. Auch wenn ich nicht so auf tote Tiere an Wänden stehe, beeindruckt schon allein die Anzahl der Schädel in der Eingangshalle. Gut erhaltene Möbel und Einrichtungsgegenstände, Bilder und Stoffe vervollständigen den Eindruck des Lebens im Schloss. Interessant ist auch die Stuckdecke. Mithilfe von Wappen ist hier die über 400 Jahre alte Familiengeschichte der Hamiltons verewigt.

Einer der Nachfahren unserer Prinzessin hat allerdings ne Menge des Reichtums verspielt. Teure Pferde und Yachten mussten bezahlt werden und so sind viele der früheren Kunstschätze verkauft worden und hängen heute in berühmten Museen der Welt. 

Wie immer endet der Rundgang durchs Castle im Souvenir-Shop und besonders witzig sind die kleinen Bücher von Finley Wilson: „Kilted Yoga“ Da kann man beim “Pflug” ja nur hoffen, dass die Schotten tatsächlich etwas unterm Rock tragen 🙈

Der schottische Regen hält an und ich drehe noch eine Runde mit Luna, die im angeschlossenen Cafe endet. Hier gibt es Strom und kostenloses WLAN… und einen Kaffee. Eigentlich habe ich vor, den Blogeintrag für heute gleich hier zu erledigen, aber das Netzwerk von Brodrick Castle stuft meine Seite als „gefährlich“ ein und blockt den Zugang. Das gibts ja nicht… wer kann sich sowas ausdenken.

Ich fahre also weiter zum Glen Sannox. Meine wunderbare Topo GPS App zeigt dort einen Parkplatz am Meer mit Picknickbänken und WC. das wäre doch was für morgen. Die kleine östliche Küstenstraße zuckeln wir hinauf nach Norden, vorbei an kleine weißen Häuschen, die sich unter regennassen Bäumen ducken. Ein Aromatic-Shop bietet Kosmetik der Marke Arran an und ich nutze den Rundgang um mir die Hände mit einem Tester zu salben. Nur wenige Menschen sind unterwegs und am Picknickplatz angekommen stehen schon ein Zelt und ein Womo. Macht aber nichts – Platz ist hier genug. Falls ich morgen doch lieber eine Küstenwanderung machen will, läuft hier auch der Arran Coastal Way vorbei.

Nun Beine hoch und Buch raus. Luna pennt schon wieder und ich mach’s mir gemütlich, während der Regen auf s Dach trommelt. Wie sind eigentlich die Aussichten? na eher so mittel:

6 Gedanken zu „Die Prinzessin aus Baden“

  1. Bei den Wetteraussichten wird es mir aber doch anders…. Regelrecht fertsch würd mich das machen! Macht das Beste daraus und schlaft schön!
    Liebe Grüße, Ruth 🐶

    1. Mull of Kintyre… Jetzt habe ich auch einen Ohrwurm….😃 Das Schloss ist wirklich wunderschön. Marie Amalie hatte Geschmack… Ruht euch schön aus…

  2. Susanne und Andreas

    Liebe Schulzi,es ist wie immer eine Freude,deine Bilder zu sehen und deine Texte zu lesen.
    Bei uns herrscht nach wie vor Sommerwetter nach Grunis Wünschen.
    Wir denken an dich und werden dich weiter begleiten.
    Liebe Grüße
    Deine Stoers

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