Heute vor drei Wochen bin ich gestartet und als normaler Mensch müsste ich jetzt wieder zuhause sein. Wie schön das ist, so viel Zeit zu haben, ist mir sehr bewusst und ich bin mega dankbar dafür. Nur so ist es möglich, durch den Tag zu bummeln und trotzdem eine Menge zu erleben. Wieviel das schon war, habe ich heute Morgen mal auf einer Karte zusammengestellt. Irre, was ich hier alles schon gesehen habe. Und mir ist aufgefallen, dass ich mich hauptsächlich in der Mitte Schwedens aufgehalten habe, wahrscheinlich, weil da die wenigsten Touristen sind.

Der Morgen gehört ansonsten Luna. Wir streifen durch die Felder hinter Selmas Haus und Luna scheucht die Krähen aus den Stoppelfeldern. Auch die Frisbee und Leckerlisuche sorgen dafür, dass sie gegen 11:00 zufrieden einschlummert und ich unbesorgt zur Führung gehen kann.

Der hauseigene Pfau ist schon munter und im Kaffee sitzt eine Busladung Rentner. Sicher bietet die Volkshochschule Schweden Bildungsreisen zur berühmtesten Literatin des Landes an. Die haben die Führung schon erlebt und schlürfen nun ihren Vormittagskaffee oder kaufen im kleinen Laden etwas für die Enkel… Nils Holgersson sicherlich.

Ich kaufe mir eine Eintrittskarte und pünktlich 11.30Uhr treffen sich 7 Leutchen zur englischen Führung. Die junge Frau ist sehr freundlich, aber sie spricht erst einmal ziemlich viele Verbote aus: Hinsetzen, Filmen, Fotografieren, Audiomittschnitte, Anfassen, Mitnehmen… alles verboten. Das erste Bild hatte mein Handy aber leider schon gemacht, nämlich von der Eingangshalle.

Da steht… wer hätte das gedacht – eine ausgestopfte Wildgans. Die hatten, wie uns die Führerin später erklärt, Kinder in Südschweden gefunden und sie – mausetot wie sie war – an Selma Lagerlöff geschickt mit dem Hinweis, es könnte Akka, eine Gans aus dem Kinderbuch sein. Die Schriftstellerin ließ sie daraufhin ausstopfen und da steht sie noch heute.

Das Haus ist im Übrigen genauso, wie Frau Lagerlöff es bei ihrem Tod 1940 hinterlassen hat. Es war ihr Wunsch, dass es für Besucher geöffnet wird. Hier ist sie auch geboren worden und wuchs zusammen mit ihren Geschwistern wohlbehütet auf. Hier stehen wir z.B. im Esszimmer. da sind alle Wände von einem Künstler mit bemalten Papieren ausgestaltet worden, auf denen wichtige Orte der Familiengeschichte zu sehen sind.

Aber Värmland war damals arm und auch die Familie hatte ein schweres Schicksal und musste den Hof verkaufen. Selma arbeitete da allerdings schon als Lehrerin, verdiente aber wenig Geld. Erst als sie die berühmte Nobelpreisträgerin war, konnte sie den Hof zurückkaufen und erweitern lassen. Sie stellte auch Hilfskräfte ein und betrieb eine kleine Landwirtschaft, die immer ein Zuschussgeschäft blieb, weil sie die armen Leute aus der Umgebung zu gut bezahlte und nicht entließ, wenn es mal nichts zu tun gab. Außerdem bezahlte sie ihnen eine damals noch unübliche Krankenversicherung.

Im kleinen Laden gibt es natürlich das hauseigene Mehl incl. Porridge-Rezept zu kaufen und im Café kann man die Plätzchen kosten, die in der Lagerlöffschen Küche daraus gebacken wurden.
Die Meisterin selber hatte übrigens eine Köchin, da sie selbst kein Interesse am Kochen besaß. Dafür umso mehr für den Garten, denn die Blumen wählte sie gemeinsam mit einer Gärtnerin aus und pflegte sie.
Die Führung ist sehr interessant. Wir erfahren etwas über die Familie, die Räume, die beiden großen Lieben der Lagerlöff und Ihre Arbeitsweise. Dabei musste absolute Stille herrschen und die Türen zur Bibliothek haben deshalb doppelte Rahmen.

Auch ihr Nobelpreis und eine weitere Auszeichnung sind hier ausgestellt und heimlich kann ich den und auch die anderen Zimmer doch noch fotografieren, wenn die Aufseherin wegsieht – und das tut sie oft 🙂

Die Goildmedallie wollte Frau L. Übrigens einschmelzen lassen um den Nachbarland Finnland im Krieg gegen Russland zu helfen. Ein Initiative aus Värmland aber schloss sich zusammen und sammelte den Wert des Goldes, um den ersten schwedischen und weiblichen Literaturnobelpreisträger dem Land zu erhalten.
Am Ende spielt sie uns ein altes Band vor, auf dem eine kurze Radioansprache der Dichterin zu hören ist. Gelungen, würde ich sagen, denn irgendwie ist mir da ein Mensch nahegebracht worden und keine Ikone oder so…

Bepackt mit Mehl und Plätzchen verlasse ich den Hof. Na klar war das nötig, ich muss ja wissen, wie die schmecken und zuhause backe ich dann für alle Lagerlöff-Kekse … Versprochen!
Weiter lenke ich das Womo in Richtung Westküste, möchte aber nicht den schnellsten Weg, sondern schaukle lieber die Nebenstraßen entlang. Heute gibt es so viele Kurven, dass Luna wegen der Fliehkraft gar nicht in den Schlaf kommt und ich muss ziemlich langsam fahren. Den ersten kleinen Zwischenstopp machen wir bei einer Brücke, die soweit ich das richtig verstanden habe, sogar einen Preis bekommen hat. Schön ist sie jedenfalls anzusehen.

Dann halte ich auf Borgvik zu. Dort gibt es die Ruine einer alten Eisenhütte. Die sehen heute noch ziemlich beeindruckend aus. Besonders der Hochofen, den man von allen 4 Seiten befeuern konnte.
Auf den englischen Beschreibungen kann man lesen, dass hier im 19.Jhd. Das wichtigste Zentrum der Industrie Värmlands war. Heute gibt es ein paar Ferienhäuser und einen ganz kleinen Hafen. Die Umgebung des Freilichtmuseums ist nett und so wandere ich ein Runde mit Luna über Kuhwiesen am Flüsschen entlang.
Nun ist es schon später Nachmittag und ich mache mich auf Übernachtungssuche. Am Ostufer des Nedre Kalven sind viele schöne Badebuchten beschrieben und ich klappere alle ab. Und was soll ich sagen… alles besetzt. Das habe ich in den letzten Wochen nicht erlebt. Da ist sie wieder, meine Touristenphobie. Ich nähere mich den Tourizentren im Westen und merke es sofort, obwohl- ich noch nicht mal da bin…
Na ja. Ruhe bewahren – wird schon. Und natürlich finde ich einen Übernachtungsplatz. Nicht am Wasser – aber heute regnet es sowieso, da kommt genug Wasser von oben – sondern in einem Mini-Naturreservat links im Wald. Da stehen auf eine Wiese lauter alte Eichen, Linden, Eschen und Fichten. Zwischendrin Altholz und kleine Tümpel, ein paar alte Häuschen oder was davon übrig ist, gibt es noch und sogar ein Toilettenhaus. Unter so einer riesigen Eiche habe ich jedenfalls noch nie gestanden.
24h darf man hier stehen und so habe ich wieder einen sehr schönen und vor allem ruhigen Platz mitten in der Natur gefunden. Luna kann schnüffeln und nach Lust und Laune herumstreunen. mehr als 100m entfernt sie sich dann doch nicht vom Womo.
Wir machen es uns gemütlich, der Regen trommelt und plätschert und wünscht euch eine gute Nacht.
Liebe Marion, liebe Luna,
wir freuen uns sehr Eurer schönen Reise folgen zu können! Die Fotos sind herrlich, die Berichte informativ und das Beste ist-der Humor kommt nicht zu kurz!
Viel Spaß noch und Tausend Dank für die vielen Eindrücke( auch für die Geheimfotos😉)!
Eine tolle Frau die Selma😍!
Liebe Grüße von uns👩👧👧
Ach da freu ich mich aber sehr, dass ihr auch mit von der Partie seid! Ihr habt wohl recht: die Selma ist wirklich toll, ich höre gerade Nils Holgersson und finde es toll, was sie sich alles einfallen lässt. Besonders über den Fuchs 🦊 musste ich sehr lachen. Luna freut sich schon auf euch und wenn sie erzählen könnte… 🤣 Son nun ganz liebe Grüße auch den Rest der Familie nd bis bald 🙋🏻♀️🐶