Följi mik!

Ich tappe aus dem Womo. Ringsherum Nebel. Auch der Stellplatz ist vom weißen Schleier verdeckt.

So ein morgendlicher Rundgang über das Grubengelände im Dunst hat was Mystisches. Es scheint als stiege der Schleier direkt aus der Grube zu uns herauf, sozusagen der Atem der Tiefe…

Und alles bekommt eine seltsam entrückte Anmutung. Bei den Schienen, Wagons und diesen Lampen habe ich allerdings noch eine andere Assoziation, finde aber die besondere Stimmung und Gedämpftheit sehr schön.

Luna und ich sind die Einzigen auf dem Gelände, die schon wach sind. Nur ein einzelner Bergarbeiter mit Helm und Arbeitsanzug steigt aus seinem Auto und geht in ein Gebäude.

So früh am Morgen habe ich die Dusche, die bei 170 SEK Stellplatzgebühr enthalten ist, ganz für mich alleine und auch unser Frühstücksgeklapper versuche ich möglichst gering zu halten, denn auf Stellplätzen steht man schon recht dicht. Einen Besuch des Museum und der Grube schließe ich aus, denn dann müsste Luna wieder allein im Auto hocken. Lieber machen wir etwas zusammen. Und das können wir keine 10km entfernt im alten Bergmannshof Gamla Staberg wunderbar. Die braunen Schilder – erst recht wenn sie dieses Zeichen drauf haben (World Heritage Site):

sind immer gut. Und so biegen wir links auf den kleinen aber leeren Parkplatz ab. Das Café macht erst in 3 Stunden auf aber die Wanderwege sowie der Garten sind frei zugänglich. Der Pfad führt am Geburtsplatz des schwedischen… naja sagen wir mal … Shakespeare vorbei.

Georg Stiernhielm wurde hier 1598 geboren – vom Hof sind nur noch wenige Steine zu sehen – und gilt als der „Vater der schwedischen Dichtkunst“. Noch nie von ihm gehört, aber zumindest gibt es ein großes Denkmal vor Ort.

Sicherlich ist das aber nur ein Nebenschauplatz des Rundwegs, denn eigentlich geht es hier um die Kupfergewinnung. Der Hof selbst stammt auch aus dem 17.Jahrhundert und zeigt, wie wohlhabende Bergleute damals lebten. Ein wieder neu angelegter Barockgarten, mehrere Gebäuden bis hin zum großen Haupthaus in Stein konnten durch den finanziellen Erfolg angelegt werden.

In den 90er Jahren ist der Garten nach alten Unterlagen neu gestaltet worden und in Zusammenarbeit mit der Nordischen Genbank, die alte Pflanzensamen aufbewahrt, wurde hier unter anderem ein wunderbarer Apfelgarten mit alten Sorten angelegt. Im Herbst kann man hier mit Lust und Laune Dutzende alte Apfelsorten kosten. Auch anderes Gemüse und vor allem Blumen gedeihen hier prächtig. 

Der Weg läuft hinterm Gelände hoch zu einem Aussichtspunkt, den wir leider verpassen, aber dafür nasche ich wieder einmal Blaubeeren.

Derweil entscheidet sich Luna nach langer Zeit für einen Abstecher in Richtung Wild … Mist! Völlig verschlammt und k.o. Kommt sie nach 10 Minuten zurück und ich jage sie erst einmal in den nahe gelegenen Bach zur groben Säuberung.

Nun komme ich zu einem Geröllfeld. Das ist der Rest von mehreren 100 Jahren Kupferverarbeitung. Wir befinden uns auf einem ehemaligen Hüttengelände, das wahrscheinlich zum Bergmannshof gehörte. Das Kupfererz wurde mit dem Schiff von Falun hierher gebracht und in den Hütten von Eisen und Schwefel befreit.

Das entstandene Rohkupfer kam per Schiff zurück nach Falun und wurde dort auf dem Marktplatz gewogen. Zum „Garen“ transportierte man es dann in die Kupferhütte nach Avesta, ebenfalls mit dem Schiff oder im Winter mit dem Schlitten übers Eis. Dies muss sehr gefährlich gewesen sein, denn nicht wenige Schiffe oder Schlitten sanken.

Das hier sind die Reste des damaligen Hafens – heute ein kleiner Badeteich, allerdings mit den Kupeferzresten als Strandersatz nicht ganz so gemütlich.

Zum Abschluss der Runde ein Bild der Bergarbeiterfamilie aus alter Zeit. Interessantes Detail – sogar bei einem so seltenen Besuch wie es damals der Fotograf war, legt Mutter Bergmann das Strickzeug nicht aus der Hand 😉

Nächster Stopp Vika. Da ist die Kirche besonders schön, denn sie ist innen komplett mit Freskenbemalung ausgestattet. Bei dem Stichwort Fresko denke ich ja sofort immer an „schwer zu machen“ und Italien und an sowas: (Raffaels Schule von Athen)

Hier ist das alles ein bisschen schlichter. Man kennt den Maler heute nicht einmal mehr und das typische Falun-Rot bestimmt die Szenen. Aber alles wirkt echt, liebevoll und mit Hingabe gemacht. Zu Zeiten der Reformation waren auch hier die Statuen entfernt, die Wände weiß gekalkt worden. Aber der Schmuck blieb zum Glück darunter erhalten und kann heute wieder bestaunt werden.

Nach all der Bewegung ist Luna nun bereit für einen längeren Vormittagsschlaf und ich setze zur langen Strecke an.

Nach langem Hin- und Her habe ich mich nun doch entschieden, die letzten Wochen an der West-Küste zu verbringen. Stockholm mit Hund lass ich mal lieber und auch Västervik und Öland müssen warten.

Kennt ihr die schwedischen Baustellenlotsen? Bei längeren einspurigen Baustellen gibt es so kleine Autos und jemand – wahrscheinlich ein Ferienjobabiturient – sitzt den ganzen Tag darin und fährt die Baustellenstrecke ab – hin – her – hin – her… Oben auf dem Auto steht „Lots – Följi mik“ und dann hängt sich die ganze Kette – in dem Fall nur ich – an das kleine Auto, und lässt sich um die Schlaglöcher lotsen. Am Ende der Baustelle wird gewendet und das Spiel beginnt von vorn. 

Auf halber Strecke brauch auch ich eine Pause und finde einen Platz, an dem man es gut auch länger aushalten kann. Ruhig, am Wasser, Holzklo, Feuerstelle – alles da. Ich überlege auch, ob ich einfach mal hier bleibe, aber es ist er 13:00 und ich hab Hummeln im Arsch.

So genießen wir die Pause ausgiebig und fahren dann weiter zum „Rotnäs gård“.

Über diesen wunderschönen Hof hinter goldenen Kornfeldern, nah am See und ca. 20km nördlich von Karlstad hatte ich im Netz gelesen und gönne mir dort eine kleine Kaffeepause.

Genau hier auf diesem Liegestuhl

Im Garten stehen Pferde, ein toller Kinderspielplatz ist eingerichtet und weit und breit sind Tische, Bänke, Sessel Liegestühle aufgestellt. In der Scheune gibt es Löppis und das kleine Restaurant ist ein Hingucker.

Meinen Kaffe nehme ich mir aus einem großen Kupferkessel, der auf einer Heizplatte warmgehalten wir und gieße ihn in eine alte Goldrandtasse. Dazu gibt es warmen Schokikuchen mit Sahne und Blaubeeren. Den heißen, duftenden Kakao, den eine Frau gerade im Topf anrührt und der so dick wie Pudding zu sein scheint, lass ich lieber weg – ansonsten gibts heute noch einen Zuckerschock!!!!

Über dem Restaurant erreicht man mit einer Holzstiege eine kleine „Butik“ mit Raumgestaltungs-Accessoires. Ich bummle einmal hindurch und gehe ohne Tüte in den Garten Dort suche ich mir den bequemsten Liegestuhl aus und genieße.

Im Reiseführer steht das nächste Ziel: Marbacka – das Geburtshaus von Selma Lagerlöf – ihr wisst schon: „Nils Holgerson“ – der mit den Gänsen… ich habe das Buch leider nie gelesen und wir haben es auch nicht in Sarahs Kinderbuchsammlung, aber so eine grobe Vorstellung ist vorhanden. Doch wozu gibt es Spotify… den Rest des Weges lasse ich mir die Geschichte einfach erzählen.

Der Hof der Familie Lagerlöff liegt ganz einsam an einer wenig befahrenen Straße. Ich denke schon, wir seien falsch, als ich sehe: Ziel in 20 m erreicht. Wunderschön, mit Garten und Teich liegt es allein zwischen Feldern, Scheunen und Wald. Herrlich. Im Abendlicht schlendere ich mit Luna ausgiebig durch die Gärten. Auch der Stellplatz unter Birken kann sich sehen lassen und hat nebenan gleich eine große Wiese für Lunas Frisbee-Spaß. Und morgen um 11:30 gibt es eine Führung auf Englisch. Hoffentlich bekomm ich vorher keine Hummeln. Da muss halt mal länger geschlafen werden. Punkt!!!

2 Gedanken zu „Följi mik!“

  1. Dann wünsche ich dir einen langen, erholsamen Schlaf und morgen viel Freude bei Selma. Ich bin ein großer Fan von Nils und seiner Gans Martin, der mit den Wildgänsen mitfliegt. Wir haben die Geschichte, als Paul klein war, etliche Male gelesen, gehört, angeschaut… Ich freue mich schon jetzt auf deinen Bericht. Jetzt erstmal liebe Umarmung und dann eine gute Nacht!

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