Rockabilly

Nur noch ein Womo und ein Motorradfahrer sind auf dem hübschen Platz am Stömnesjöm-See in Delsbo angekommen und so wird es ein ruhiger Abend. Neben meinem Stellplatz ist eine große Wiesenfläche frei, auf der Luna ganz wunderbar spielen kann.

Der nächste Morgen beschert dem Womo eine Frischzellenkur, nur das Grauwasser kann man hier wieder nirgends loswerden. Komisch. Auch für mich ist die warme Dusche eine Offenbarung und endlich sehen meine Haare mal wieder einen Fön und ich nicht so aus wie gerade aufgestanden.

Nun wollen wir die Bauernschlösser erobern. das gelingt nicht so ganz ist aber trotzdem sehr schön. Der erste Stopp ist der Hembygdsgarden  in Lysdal.

Wunderschön am Wasser gelegen ist auch hier eine große Freifläche zu bestaunen. Stellplätze mit Strom werden angeboten und können wieder über die Swish-App bezahlt werden.

Ich laufe über das Gelände, betrachte die alten Häuser von außen, eine Mühle und ein Backhaus sind dabei und bin ganz allein. Geöffnet und bedient wird hier erst ab 11:00. Nur die Tunnbröd-Bäckerinnen sind schon in Aktion.

Auf der Weiterfahrt nach Järvsö zum Stenegard-Haus nimmt Luna gleich ihrer Poolposition ein und geht zum gepflegten Vormittagsschlaf über.

Im „Stenegard-Kulturzentrum“ ist schon mehr los. Hier gibt es neben den beiden wunderschönen Haupthäusern, die heute einen Laden und ein Restaurant beherbergen, noch sehr viel mehr zu sehen.

So z.B. einen wunderschönen großen Garten. Nicht etwa Blumen und Ziergewächse werden ihr gepflegt, sondern Kräuter und Gemüse. Möhren, Kohl, Tomaten und Zucchini gedeihen und werden gut versorgt. So sind die Zucchini mit Schafwolle abgedeckt – sicher hat das einen Düngeeffekt. Nur Luna denkt: „Klasse, extra für mich – stinkende Schafwolle!“ und fleddert erst einmal alles auseinander.

Die Kräuterbeete sind nach Anwendungsbereichen sortiert. So weiß man gleich, wo man hingehen muss, wenn die Gicht einen plagt oder man Hilfe in Liebesdingen benötigt.

Am schönsten aber fand ich den hinteren Teil des Gartens – Barnens Stengard – , der extra für Kinder angelegt wurde. Kleine Schilder laden zum Graben und Pflanzen ein.

Außerdem gibt es minikleine Häuschen, naturgetreue Kopien der roten Hälsinglandhäuser, in denen die Kinder Angebote zum Spielen oder Basteln wahrnehmen können. Ein kleiner Pavillion und ein Handwerkerhaus mit Sägen und anderen Werkzeugen rundet dieses wunderbare und im Moment total ungenutzte Kinderareal ab.

Aber auch die Erwachsenen kommen auf ihre Kosten in der Weinlaubhütte, am kleinen Springbrunnen oder im angeschlossenen Café.

In den Häusern allerdings spielt das Geschäft eine größere Rolle, als die Historie. Kleine Kunsthandwerkerläden bieten alles an, von der Blaubeermarmelade über Silberschmuck und Klamotten bis hin zu Schablonen und Farbe, mit denen man sein Haus im Hälsinglandstil auch innen bemalen kann.

Eine kleine Ausstellung hat nachgebildet, wie es hier früher einmal ausgesehen hat und in der Fotogalerie kann man die Freuden des Lebens als Bauer oder Bäuerin in idealisierter Form betrachten.

Ich frage die junge Frau an der Kasse, wo man denn die Innenräume betrachten könne. Aber sie meint, das ginge nur im Nachbarhaus, aber dazu müsse man anrufen und einen Termin ausmachen.

Kann ja nicht alles klappen…

Weiter geht die Reise in Richtung Grävle und bei einem letzten Hof halte ich an. Auch hier ein wunderschöner Garten mit lauschigen Plätzen, an denen man die Speisen des kleinen Bistros genießen kann. Innen ist aber auch hier nicht der Prunk zu sehen, den die Häuser haben, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählen. Um die sehen zu können braucht es eine bessere Planung im Vorhinein.

Ich nehme am Rastplatz nebenan meine Olivenhuhnreste ein und bekomme eine Nachricht von Susanne, dass es mit unserem Treffen nichts wird, weil sie schon eher abreisen werden. Schade, aber doch noch rechtzeitig, um meine Tour umzuplanen. Nun kann ich mir mehr Zeit hier in Mittelschweden lassen und noch einmal zum Siljan-See abbiegen. Lena hatte mir erzählt, dass dieser wunderschöne See, der in meinem Reiseführer mit dem grünen Blümchen ausgezeichnet wurde (davon gibt es dort nicht sehr viele und die stehen für besonders schöne Naturerlebnisse), das Ergebnis eines Meteoriteneinschlags sein soll. Und Wikipedia bestätig: Vor 370 Mio Jahren wurde die Gegend hier durch einen Asteroiden geprägt. Okay, danach ist noch ne Menge Eis darüber hinweggeschrubbt und hat die Gegend abgeschmirgelt. Trotzdem ist der Siljan mit seinen 55km Durchmesser der größte sichtbare Einschlag in Europa aber auch der siebtgrößte See Schwedens. Mit einer Fläche von 290 Quadratkilometern ist er mehr als doppelt so groß wie die Müritz.

Ich fahre also weiter durch die sanften Hügel von Dalarna, dichte Wälder, vorbei an den typischen roten Häuschen und wenigen Dörfern.  In Mora, der größten Stadt am Silijan, ist es dagegen schon etwas voller. Deshalb biege ich gleich darauf nach rechts ab. Über eine Brücke gelange ich auf die Insel – nennen wir sie Sollerön, weil das größte Dorf darauf so heißt. Dann gleich wieder links in Richtung Utanmyra, einem kleinen Dörfchen mit Badestrand. Und tatsächlich, als ich ankomme, bin ich der einzige Mensch weit und breit nur auf dem Siljan sind zwei Boote zu sehen.

Ein Traum und mein Quartier für die Nacht. Luna tobt im klaren Wasser, ich laufe eine Runde am See und die Welt ist in Ordnung.

Gerade sitze ich hier und beende meinen Text, da bekommen wir noch Besuch.

Anscheinend macht hier einer seine Gassirunden selbst klar und braucht keinen Begleiter. Ganz friedlich tapst er an uns vorbei, schaut Luna neugierig an, die im Auto schon auf ihrem Platz liegt, nun aber neugierig ans Fliegengitter kommt.

Ich höre ein leises Knattern näher kommen. Ein blonder, kräftiger Junge im Blaumann und Suppenschüssel- Helm kommt auf einem 70er Jahre Mofa angefahren. Die Hände ölverschmiert. Ob das große da hinten auch mein Hund wäre? Fragt er freundlich und es entspinnt sich ein nettes Gespräch über alte Mofas, die Lust hier auf dem Land zu bleiben, seinen neuen Kontrabass und die Rockabilly-Band in der er spielt. Früher stand das Wasser viel höher, aber seid die Gletscher weg sind, hebt sich das Land, so erklärt er mir fachmännisch die Geologie der Gegend. 17 Jahre sei er jetzt und würde hier nicht weggehen. In Deutschland, nein, da war er noch nie. Freundlich bedankt er sich für das nette Gespräch und knattert davon. Und: Na klar könnt ich hier stehen. Da hat keiner was dagegen.

Sogar ein Gästeklo steht im Wald

Über mir pickt ein Vogel an der Baumrinde und der Silja plätschert leise ans Ufer. Ungefähr so muss es im Paradies gewesen sein 🙂

Blick aus meinem Fenster 😊

5 Gedanken zu „Rockabilly“

  1. Oh, wahrhaft paradiesisch… Sooooo schöne Bilder, liebe Marion. Und immer menschenleer. Die Bauernschlösser hätten mir auch gefallen… Und wie witzig, der Garten für Kinder. Luna hat ja auch gleich kräftig gebuddelt… Ich freue mich jedenfalls sehr, dass ihr eine so schöne Zeit habt in Schweden. Hier regnet es gerade schon wieder. Das ist ein sehr merkwürdiger Sommer…. Aber gestern Abend waren wir in der Filmarena. Es kam der Film „Der Rausch“ aus, wer hätte es gedacht, Schweden… Nun wünsche ich euch einen schönen Tag und umarme euch fest!

    1. Eigentlich ist das mit dem Thüringer Regen eine supergute Nachricht. Da muss meine liebe Nachbarin nicht so viel gießen 😅 Hier allerdings kann es gern so bleiben: mittelwarm und sonnig 🌞 Aber du weißt doch: wenn du dann losfährst, reißt der Himmel auf 👍👍👍

  2. …ach wunderschön, fast unwirklich…und ständig kommen Prinzen durch die Einsamkeit „geknattert“. Keine Frösche, nein! Echte, schwedische! Nun küss doch mal endlich einen, Marion! Ich bin so gespannt, ob es Froschkönige werden!
    Schreibe weiter so toll und lass mich mit deinen wunderschönen Fotos träumen…
    Liebe Grüße, Ruth

    1. 🤣🤣🤣 also 17jährige Prinzen können meinetwegen so viele vorbeigeknattert kommen, wie Schweden zu bieten hat…
      danke meine liebe Ruth, schick dir gleich noch eins 😊

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