Vom Glück haben

Die Nacht ist kurz und hell. So richtig dunkel wird es hier nicht und deshalb kann man ja auch pünktlich losgehen.

Keiner da – so mag ich das.

Nur ein einzelner Wanderer hat sich mit uns schon aus den Federn geschält und der Morgendunst hängt noch in den Bergen. 

Die ersten Aussichtspunkte sind schnell erreicht und lassen schon die Schönheit des Bottnischen Meerbusens erahnen. Unser „Väst“ also West-Parkplatz liegt erhöht und die Tour läuft erst einmal gemächlich bergab. Wir überqueren zwar viele Höhenplateaus mit immer schöner werdenenden Aussichten, aber das Profil bei Komoot zeigt, dass der Stress erst im 2. Halb der Runde zu erwarten ist. 

Bisher stört mich das nicht und ich bestaune die bunten Flechten, die hier alle Steine überziehen, schaue in die Ferne aufs Meer, freue mich über die gruseligen Finger der alten Bäume, betrachte die glitzernden Teiche und schaue mir die gedrehten Stämme alter, abgestorbener Bäume an.

Das nennt man Drehwuchs und Bäume neigen mehr oder weniger dazu, können dies aber vererben. Auch das Alter und Umwelteinflüsse verstärken dieses spiralförmige Wachstum und wie bei Milchsäuren gibt es auch hier links- und rechtsdrehende Bäume. 

Da niemand weit und breit zu sehen ist, kann Luna herrlich frei laufen und ist extrem lieb und folgsam. Viel besser als an der Leine. Ein Pfiff und sie kommt, ein „Warte!“ und sie bleibt stehen. Dafür darf sie aber auch flitzen, buddeln, sich wälzen und ein neues Hobby entdecken: Schlammbaden. Am Weg sind oft Sumpfwiesen und kleine Schlammlöcher. Als sie in eines hineintappt, muss sie sich sehr anstrengen, um ihren Körper wieder herauszuziehen. Und was folgt als nächstes? Sie wiederholt die Prozedur. Auch am nächsten Schlammloch bleibt es nicht bei einem Versuch… muss wohl Spaß machen.

Wir kommen zum Skarattabborrtjärnen, einem See mit kleiner Hütte. Gleich dahinter das Wichtigste: Holz. Nebenan eine Wiese mit Zelt und der Tisch vom letzten Mal noch gedeckt. Da könnte doch noch was Leckeres zu finden sein, meint jedenfalls Luna. Alle schlafen noch.

Am idyllischen See ein kleiner wackeliger Steg und … Stille … Ich trinke jetzt schon den letzten Schluck aus der Flasche, kann sie aber am kleinen Bach gleich noch einmal füllen.

Weiter gehts über immer schönere Plateaus mit immer besseren Aussichten und dann folgt ein Stück ziemlich anstrengender Abstieg und die kalte Hand des Entsetzens greift mir in den Nacken… „Hier muss ich wieder hoch!“ Auch die beiden jungen Bengel, die mir entgegenkommen, atmen schwer.

Nun aber links der Abzweig zu ersten Attraktion: Slattdalsskrevan. Das ist eine 7m breite und 200m lange Felsenschlucht, die sich auf beiden Seiten 40m absolut senkrecht in die Höhe streckt. Als hätte hier jemand ein Stück Brot herausgeschnitten, so glatt sind die steilen Wände.

Die Schlucht von Ronja Räubertochter

Der Weg dahin ist anstrengend, man steigt aufwärts über Geröll und neben mir haben noch zwei andere Deutsche den Kampf Körpergewicht gegen Hangabtriebskraft aufgenommen und gewonnen.

Denn belohnt werden wir nicht nur mit einer magischen Schlucht, sondern nach ein paar weiteren Höhenmetern, linksseitig der Schlucht mit einem fantastischen Ausblick.

Das ist einfach unfassbar schön. Luna teilt sich mit mir das Frühstücksbrot und das Wasser aus dem Bächlein. Wir schauen beide in die Weite und mit uns noch ein paar andere.

Nun aber weiter… und mir wird schon wieder bewusst, was auf dem Rückweg in Bezug auf Höhenmeter auf mich zukommt. Und das mit einer Menge „Gegenverkehr” auf den schwierigen Wegen und schmalen Stegen, denn langsam ist der geneigte Urlauber auch auf den Fersen und die Wandererdichte steigt. Nun muss Luna auch wieder an die Leine, auch wenn das für mich das Absteigen und Kraxeln schwer macht.  

Erst einmal müssen wir über riesige Geröllhalden mit unzähligen Steinen, staksen, dann wieder Wurzeln überwinden und uns die Hänge hinabhangeln. Da fällt mir ein… ich hatte doch etwas über einen Bus gelesen, der hier den müden oder umweltbewussten Nationalparkgast  befördert. Mein Rückweg geht über den Eingang Syd und theoretisch könnte der Bus doch nach Väst weiterfahren… Aber ob der Hunde mitnimmt. Mit Grauen erinnere ich mich an meine Wanderung vom Mont Saint Michel, bei 40 Grad ohne Schatten und der französische Bus verweigerte meine Mitnahme und ließ mich schwitzen, weil ich mein Lunchen dabei hatte. Kanallien diese Franzosen!!!!

Mir doch egal, ob hier ein Bus kommt, ich penne erstmal.

Schaue auf den Busfahrplan und sehe: in einer Stunde fährt einer und zwar genau nach „Väst“. Aber nur bis zum 8.8. … welcher ist eigentlich heute? Yeah! DER SECHSTE!

Jetzt nur noch die Hundefrage klären. Warte mal, die junge Frau da drüben verteilt irgendwelche Wasserflaschen  an irgendwelche Eingeweihte. Die kennt sich sicher hier aus. „Na klar nehmen die Busse hier Hunde mit.“

Yessss! Glück muss man haben und so gondeln wir nach einer Wartepause im Schatten, die ich gleich nutze, um einen kleinen Film zu schneiden, gemütlich zurück zum Start. Ein weißbärtiger, Basecap tragender, freundliche Busfahrer winkt uns durch. Hier könnte man – wieder mit der Bezahlapp Wish – 40 SKR bezahlen, wenn man will. Ich würde gern, habe aber die App und das damit verbundene schwedische Konto nicht. Aber es ist ja “frivilligt”. 😁

Luna wundert sich zwar ein bissl, womit sie denn jetzt schon wieder fahren muss, aber genauso schnell legt sie sich entspannt ab und schläft.

Wo bin ich denn hier hingeraten….

Welch ein Glück! Nun sieht unsere Runde zwar nur halb aus, aber es hat bis zum Schluss Spaß gemacht und das finde ich am besten!!!

Am Parkplatz angekommen, steht von den gestern ca. 10 Womos nur noch meins. Der Parkplatz Syd dagegen war berstend voll und schon unten an der Straße stand ein „FULL“ Schild.

Hier aber: tolle Sonne, ein kühles Windchen, himmlische Ruhe, keiner da, … jetzt machen wir Siesta. Nach einer wundervollen Wanderung Liegestuhl raus und genießen.

Manchmal muss man Glück haben und sich so richtig darüber freuen. Und auf dieser Reise habe ich mich bisher schon oft gefreut.

Nun ist aber für heute wirklich genug gewandert und sogar meine kleine Bergziege streicht die Segel.

Und hier zum Schluss noch einmal “Luna im Glück” im NP Skuleskogen:

6 Gedanken zu „Vom Glück haben“

  1. Liebe Marion, das war wieder ein wundervoller Bericht mit so schönen Bildern und Videos. Ich kann gut verstehen, dass ihr euch in dieser unglaublich beeindruckenden Landschaft sehr wohlfühlt. Und das Beste ist, dass in Schweden Hunde kein Problem zu sein scheinen. Dafür ist Luna aber auch sehr brav. Ihr seid eben wirklich ein gutes Team. Bergziege…. herrlich.😊 Seid lieb gedrückt!

    1. Je es ist eben wie überall, manche freuen sich unheimlich, wenn Lunchen auf sie zugewedelt kommt, andere kennen halt die Regel 🙃 Im Nationalpark muss der Hund ja an die Leine! Das mach ich auch, wenn ich es kann, ohne zu stürzen 🤪 Aber früh um 7:00 schert es keinen. Als gestern so ein junger Typ auf dem Geröllfeld meinte, ich kenne wohl die Regel nicht, hab ich ihn nur gefragt, ob er mich dann hier raustragen will, wenn ich mir das Bein gebrochen habe… da hat er dann nur gegrinst 😂 Manchmal ist das echt schwierig mit Leine. Na ja, alles gut, Lunchen ist glücklich und ich auch 😄 Liebste Grüße und Knuddler 😘😘😘

  2. …ohne Worte!
    Traumhaft!
    Ich bewundere deinen Mut und deine Kräfte, liebe Marion!
    Tolle, tolle Bilder von einer sagenhaft schönen Landschaft.
    Und Luna…., dein Wollpullover für die Seele.

    Liebe Grüße, Ruth

    1. Ich glaube, das ist kein Mut, sondern Unwissenheit 🤣 Ich glaube, den Rückweg hätte ich nur schwer geschafft 😟 Aber Glück gehört auch dazu 😁😁😁

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