4 Sterne Küche

Der Abend am See ist gemütlich, vor allem innerhalb des Womos. Auch die Wetterapp verspricht in den nächsten Tagen nur Regen. Die Temperaturen fallen. Alles halb so schlimm, aber ich denke kurz darüber nach, auf welchem Boden ich stehe. „Komme ich da morgen früh überhaupt weg oder versinke ich im Matsch?“, sind meine letzten Gedanken, ehe das friedliche Tröpfeln auf dem Dach mich in den Schlaf tickert.

Ich komme weg, ohne Probleme und nachdem mir mein wunderbarer Telefonanbieter gestern mitgeteilt hat, dass sich die Surfgeschwindigkeit bald gen Null bewegen wird, bleibt nur noch eins: Einen Telefonladen suchen. Sicherlich ist schon die Hälfte meiner monatlichen Surfgeschwindigkeit in der Schule draufgegangen, wo auch das neue WLAN nicht immer zuverlässig genug arbeitet. Allerdings habe ich mir überlegt, dass ich mit einer neuen SIM keine netten WhatsApp-Grüße aus der Heimat mehr bekommen würde, da sich die Nummer ja für 4 Wochen ändert. Deshalb starte ich den Versuch, einen mobilen Hotspot dazu zu kaufen. Das hatte ich in Jena auch schon mal probiert, war allerdings etwas spät dran und in den meisten Läden waren die Dinger ausverkauft, Lieferschwierigkeiten… für Amazon war ich zu spät und die freche Telekom bot an, mir eine mobile Station für 200,- zu verkaufen… da waren dann SIM, Bereitstellungsgebühr und so ein, zwei Gigabitchen „schon“ dabei. Und folgendermaßen läuft das in Schweden: “Alles klar, wieviel Gigabit hätten sie gern? Hier haben wir verschiedene Modelle. Ja das können sie immer wieder aufladen. Grundgebühr? Natürlich nicht. Bargeld? Äh, sorry, aber damit können Sie hier im ganzen Einkaufszentrum nichts anfangen.” 🙂

Nun habe ich also eine kleine, feine Box und mein eigenes WLAN im Womo.

Das alles geschieht in Växjö in der „Samarkand“-Mall – herrlicher Name, aber wie auf einem Basar in Samarkand sieht es in dieser Hochglanz-Mall nicht aus. Auf dem Weg dahin finde ich zufällig ein kleines Unikat in Braå. Da stehen am Wegesrand lauter kleine, alte Häuschen, gleich dahinter ein See, daneben eine kleine Kirche mit seltsamem Kirchturm. (Später merke ich, dass „seltsam“ nur eine Frage des Blickwinkels ist)

Hembygdsparken ist ein Heimatmuseum mit 20 Häusern aus dem 17.-20.Jahrhundert. Auf  Privatinitiative des Schriftsteller J.A.Göth (fast hätte es mit dem berühmten Vetter aus Weimar geklappt) ist dieses Unikat gegründet worden und wer die Innenausstattung sehen will, muss sich beim hiesigen Heimatverein melden. Es ist noch früh am Morgen und außer zwei Badegästen ist keiner vor Ort. So bummeln wir allein durch das niedliche Dörfchen. In einer Hütte liegt der Kiefer eines Blauwals, so 5-6m lang. Der Walfänger stammte von hier. Außerdem finde ich die kleinste Wassermühle, die ich je gesehen habe. Das Rad ist unten, weil das Wasser unten drunter durch fließt.

… oder ist das eine Turbine?

Später nehme ich das kleine Heftchen zur Hand, das ich in der Papierfabrik gefunden hatte. Über 100 Naturreservate der Umgebung sind darin beschrieben und eines ist hier ganz in der Nähe: das Naturreservat Helgö.

Auf einer Halbinsel gelegen, bietet es einen 7km Rundwanderweg, den ich heute gern gehen möchte. Der Einstieg ist schnell gefunden und so wandere ich vorbei an alten bemoosten Steinen, unter Eichen und Buchen, über riesige Blaubeerwiesen (leider sehen die schon sehr ausgekämmt aus), auf Holzstegen durch Sumpfwiesen und entlang des Ufers des Helgasjön Sees. Wunderbar. 

Und noch wunderbarer: man kann hier mit dem Womo verschiedene Parkplätze anfahren und nur von 00:00 – 05:00 ist da Parkverbot. Ich such mir den schönsten aus und mache dort um die Mittagszeit Rast. Nach der Wanderung tut ein Bad im rostroten aber glasklaren Wasser des Sees sehr gut und pünktlich zum Mittagsschlaf setzt der Regen ein.

Blick aus dem Fenster am Mittagsstellplatz

Jönköping und der Vätternsee sind mein nächstes Ziel. Insgeheim plagt mich schon wieder die Touristen-Phobie, denn sicherlich gibt es die dort zuhauf. Doch auch eine ganze Menge Sehenswertes lockt und natürlich einer der größten Binnenseen Europas. Ich fahre los und auf der Schlängelstraße steht plötzlich… nein – kein Elch, der kommt noch…. wir fangen erst mal klein mit einem Reh an. Luna ärgert sich – über die Frontscheibe, die sie am Jagen hindert. Gestern hatten wir’s noch etwas kleiner. Da standen mitten im Wald auf der Straße drei Kraniche… sogenannte „Wald-Lauf-Kraniche“, denn obwohl sie natürlich Flügel hatten, sahen sie gar nicht ein, diese zu benutzten als der dicke weiße Karren angefahren kam und latschten einfach tiefer in den Wald, auf der Suche nach Futter.

Es ist 19:00Uhr. Noch ca. 70km bis Jönköping, da steht rechts ein kleines Schild „Kerk“ und ein Rastplatz-Zeichen. Ich biege ab… und werde belohnt. Ein wunderschöner, komplett leerer und stiller Rastplatz neben einem niedlichen Kirchlein. Dazu lässt sich sogar die Sonne ab und zu blicken und verschönert den Abend. Ich drehe eine Runde über den Kirchhof und da steht genau die gleiche Art Glockenturm, wie im Dörfchen heute morgen. Gar nicht seltsam also, sondern völlig normal. Und an ihm, der „Strick der Versuchung“… ich würde ja so gerne mal, aber wenn dann alle von mir eine Predigt erwarten… da lass ich mal lieber die Finger von. Morgen 08:30 ist sowieso Gottesdienst, da komm ich vielleicht noch in den Läutgenuss.

Der Strick der Versuchung

Am Eingang zum Kirchhof ein verblichenes Schild. Man kann sich nach Anruf einer Mobilnummer einen Audioguides vorlesen lassen. Und daneben eine große Tafel mit vielen weiteren kleinen altertümlichen Gebäuden, Grabfeldern und Kirchen. Auch eine Quelle ist dabei. Natürlich wird das Kirchlein ebenfalls kurz beschrieben.

Ich mache es mir am Picknick-Tisch gemütlich und möchte euch zum Schluss noch einen kleinen Einblick in die Tageskarte meines traumhaften Bordrestaurantes geben. Also heute Mittag gab es:

Goldene Nudeln an Gemüse-Ziegenkäserahm und danach feine Juliennestreifen von der Möhre und  dem Apfel an einer Zitronen-Honig-Vinaigrette und Paranuss-Toping.

Und jetzt gerade wurden Spalten von der Wassermelone mit Frischkäse vom Ziegenhof an drei Tage gereiftem Baguette serviert. Dazu ein Kerner Weißwein trocken aus der Winzerei Heinrich Lorch aus der Pfalz.

Naaa, wer will da noch ins 5-Sterne-Restaurant. Nur das Porzellan und die Gläser ist nicht ganz so edel, gabs nur noch in Plastik :).

Für morgen ist schon der Teig für mein erstes „WunderBrød“ angesetzt. Klingt norwegisch, ist aber eine Backmischung vom REWE.

So nun wünsche ich euch noch einen schönen Abend. Kommt gut durch die Nacht und seid lieb gegrüßt von meiner Bank an der Kirche in Hjelmseryd.

Blick von der Picknickbank

PS. „Ryd“ heißt übrigens klar und „Hult“ ist Holz. 90%  aller Orte in Småland haben eines dieser Worte im Namen. Logisch: Klares Wasser und viel Holz vor der Hütte.

8 Gedanken zu „4 Sterne Küche“

  1. Liebe Marion, wir sind auch gerade im Urlaub auf Rhodos, aber ich freue mich jeden Tag auf deinen Blog.
    Bei uns ist es sehr heiß, man spricht hier von einer Hitzewelle, und man kann es eigentlich nur im Wasser aushalten. Deine Bilder „kühlen“ mich ein wenig runter und wecken die Neugierde auf einen Wohnmobilurlaub. Lars Amelie und ich wünschen dir noch eine tolle Zeit und bis bald, sicherlich beim Chor.

    1. Hallo nach Rhodos, ja da liegen einige km und vor allem Grade auf dem Thermometer dazwischen. Ich hab die Fleecejacke beim Frühstück an 😉 Es freut mich, dass du auf meiner Reise auch dabei bist, da macht das Schreiben noch mehr Spaß, wenn man weiß: Alle warten schon auf den nächsten Post 😅 Seid lieb gegrüßt und erholt euch gut und bestimmt gibts auch ein Schattenplätzchen gegen die Hitze 🙋🏻‍♀️🐶

  2. Ach…ich glaub ich will azch wieder los…wunderschön und wie immer, wunderbare Unterhaltung! Genieße es weiterhin und schreib fleißig weiter!
    LG Alex

  3. Herrliche Bilder, meine liebe Marion. Die Landschaft ist wirklich phantastisch in Schweden. Natur pur. Und dazwischen immer wieder witzige Bauwerke wie den Glockenturm nahe der Kirche. Cool finde ich ja, dass man technisch dort so gut ausgestattet ist und du jetzt so unkompliziert dein eigenes WLAN hast. Lieben Knuddler an Luna und sie soll die schwedischen Tiere nicht jagen… Und dickes Lob an deine Küche. Melonen Käse Salat. Lecker… Habt einen schönen Tag und liebe Grüße aus der Heimat.

    1. ja meine liebe Netti, die Küche ist schon wirklich bemerkenswert. heute gab es Hühnerfrikassee mit Reis und Tomatensalat. Luna war begeistert über die Hühnchenteile, die beim Kochen immer mal “zufällig” nach unter fielen. Also so ganz überall ist es mit der Netzabdeckung auch in Schweden nicht perfekt. Gestern am Kirchlein hatte ich keins, aber überhaupt nicht schlimm!! Jetzt gibt es wieder welches 🙂 Sei lieb gegrüßt aus dem herrlichen Sverige.

  4. Liebe Marion, das ist ja wieder eine wunderbare Reiselektüre. Traumhafte Fotos !!!!! Ich spüre direkt die Ruhe und die Natur die dich umgibt als wäre ich dabei. Ist leider nicht der Fall aber nächste Woche fahren wir auf Hiddensee. Dann geht es uns ähnlich. Genieße alles weiterhin mit deiner Luna und deinem fahrenden 5 Sterne Häuschen. Ich freue mich auf die nächsten schönen Zeilen und die tolle Fotos in deinem Blog. Sei lieb umarmt aus der Ferne von Susi

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