Blaugrün

Neben mir stehen am Morgen noch drei weiter Wohnmobile: einer aus Leipzig, einer aus Chemnitz und einer aus Apolda. Mitteldeutsche sind eben ein reiselustiges Völkchen.

Ein langes und sehr interessantes Gespräch allerdings habe ich mit einem Mann aus Schweden. Hundehalter kommen sich einfach schnell näher und wissen immer, worüber sie sich unterhalten können. An diesem Morgen ist allerdings das schwedische Schulsystem Gegenstand der morgendlichen Konversation. Der Mann erzählt – übrigens in hervorragendem Deutsch – dass sich in Schweden das private Schulsystem gerade in eine sehr bedenkliche Richtung entwickle. Es gäbe schon Schule in der Form einer GmbH mit Investoren, deren Sitz auf den Cayman Inseln wäre. Der Profit aus dem Schulgeld der wohlhabenden Elternhäuser scheint sich zu lohnen, was viele Schweden kritisch sehen. Vor allem, weil dadurch die soziale Schere noch weiter auseinander klafft und die Prämisse privater Schulgründungen eigentlich die Rückführung alle Profite in die jeweilige Institution ist… Naja in Skandinavien ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Und er, als geborener Stockholmer schwört auf das finnische System…

Zu Lappland und ob man da hinfahren sollte, kann er mir allerdings nichts sagen. Er war noch nie da. Lieber fährt er in die Alpen. Da könne man wenigstens gepflegt Essen gehen. 🙂

Frühstücks Platz – manchmal dient ein Womo auch als Sichtschutz.

Zuerst möchte ich mir das Glimmingehus anschauen. Es gilt als die am besten erhaltene Burg Schwedens und steht fast unverändert seit 500 Jahren an ihrem Platz. Mehreren mittelalterlichen Versuchen, die Burg zu sprengen und vielen Belagerungen hielt das Gebäude stand und heute kann man sich hier ein genaues Bild vom damalige Leben machen, wenn zeitgenössisch gekleidetes Personal den Besucher herumführt. Durch Garten und Hof kann man ohne Ticket und mit Hund schlendern und das tun wir auch. Verglichen mit deutschen Burgen ist das Glimmingehus dann aber doch eher bescheidenen Ausmaßes.

Das zweite heutige Ziel ist der Stenshuvuds Nationalpark.

Leider ahne ich schon am Parkplatz, was mich hier erwartet: Ich bekomme den letzten Stellplatz und eine ganze Menge Fußgänger machen sich gemeinsam mit mir auch den Weg. Kurz vor dem Start am Frühstücksplatz hatte ich mir dummerweise einen Zeh gestoßen, der mittlerweile dick und farbenprächtig blaugrün schimmernd angeschwollen ist. Das macht sich hervorragend im Schwedenurlaub, wenn man sich hauptsächlich wandernd fortbewegen will. Also ab heute nur noch schwimmen…

Ich humple also durch Eichen- und Hainbuchenwälder zum Aussichtsgipfel, indem ich knurrenden Hunden, keifenden Kindern, keuchenden Großstädtern und großen Steinen auszuweichen versuche, mein Zeh schick jedesmal ein Signal ans Großhirn, dass ich das möglichst bald beenden soll. Trotzdem kann ich die Umgebung auch ein bisschen genießen.

Oben auf dem Gipfel sitzt ein etwas anderes Mensch-Haustier-Gespann beim Picknick:

Wir wackeln also immer hinter den Massen her und nur auf den Nebenwegen gibt es ein bisschen Entspannung. So hatte ich mir Schweden ehrlich gesagt nicht vorgestellt, irgendwie ruhiger und vielleicht sollte ich mich doch auf den Weg nach Lappland machen, um den Menschenmassen zu entfliehen?

Unterhalb von Växjö liegt der Åsnen Nationalpark, viel Wasser und Moor. Da will ich vorerst hin. Ca. 150 km sagt der Tacho und beim Verlassen der Gegend um Kivik freue ich mich sehr, diese Entscheidung getroffen zu haben, denn neben einem Rummel auf dreckigem Feld mit angeschlossenem Markt parken unüberschaubare Automengen, die noch unüberschaubarere Menschenmengen ausspucken. Nix wie weg hier!

Ich komme bis Älmhult und kehre am dortigen See auf dem Campingplatz ein. Das Womo braucht eine Frischzellenkur und auch ich habe gegen 16:00 Uhr keine Lust mehr. Der Platz ist recht voll, aber ganz nett.

Neben dem Rezeptionshäuschen gehts an den Strand und auch ein gemütliches Restaurant ist vorhanden. Die Bewertungen klingen gut, aber heute wird der Omnia eingeweiht. Es gibt Tomaten-Morzarella-Hühnchen mit frischem Baguette – sehr lecker und reicht noch für die nächsten 4 Tage. Zum Glück hab ich einen Kühlschrank.

Auch ein WLAN-Passwort habe ich bekommen, aber das geht nur in der Nähe der Rezeption und so sitze ich im Abendlicht und versuche der Belagerung verschiedenster elternloser Kinder zu widerstehen, die hier nach und nach aufkreuzten. “Wie heißt der Hund? Kann er Tricks? Luna hop! darf ich Hasche mit ihm Spielen….” Dass ich hier sitze und schreibe, scheint niemanden zu stören… Zum Glück bin ich jetzt fertig und kann in mein abgeschiedenes Womo fliehen. Also doch Lappland….

4 Gedanken zu „Blaugrün“

  1. Meine liebe Marion, wieder so schöne Bilder! Du musst mir unbedingt erklären, wie das mit diesem Omnia funktioniert. Cooles Teil… Für deinen Zeh wünsche ich dir natürlich gute Besserung! Immer schön kühlen. Arnika hilft… Ich war gestern in der Kulturarena zum Marco Mezquido Trio. Ein quirliger, sehr talentierter Jazz-Pianist aus Spanien mit einem Cellisten und Percussionisten. War ein kurzweiliger schöner Abend. Hätte dir gewiss auch gefallen… Ich sende dir viele liebe Grüße in die Ferne, einen dicken Knuddler für Luna und passt schön aufeinander auf. 😊🙋🏻‍♀️

  2. Wieder ganz toll geschrieben und tolle Bilder.
    Anette hat dir ja schon gute Tipps für deinen Zeh gegeben,also spare ich mir meine.Du kriegst das schon wieder hin.
    Habe heute Carsta getroffen und viel geschnattert.
    Hab weiterhin viel Freude und tolle Erlebnisse.
    LG Susi

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