Regen

Was mache ich eigentlich im Caddy, wenn es Bindfäden regnet, so wie heute? Das ist eine gute Frage und ich war einigermaßen glücklich, noch im Medrouxer Häuschen im Trockenen zu sitzen, als ich über diese Frage nachdachte.

Der Vormittag ist zwar erst einmal nur bewölkt und die wenigen Regentropfen, oder besser der Sprühnebel können uns von einem Ausflug nach Pontivy, der nächst gelegenen Kleinstadt nicht abhalten.

Vorher stattet der Installateur des Hauses noch einen Besuch ab und trinkt nach Inspektion der reparaturbedürftigen Stellen noch einen Kaffee mit uns. Wieder verstehe ich fast nichts, aber dass Corona hier vielen Geschäften den Garaus gemacht hat und auf der Halbinsel Quiberon erneut die „rote Zone“ ausgerufen wurde, übersetzt mir Ruth. Nach einem Familienfest sind 10 Neuerkrankungen aufgetreten, was im Vergleich zur Einwohnerzahl beängstigend hoch ist. Sorgenvolle Gesichter in der Lippmannschen Küche.

Als sich der Monteur verabschiedet, fahren wir los. Ruth und ich lassen die Hunde lieber im Garten und können ungestört ein Stündchen durch das nette aber wenig spektakuläre Städtchen bummeln.

Einige kleine Gassen aus Fachwerkhäusern mit mittelalterlichen Fassaden erinnern daran, dass die Stadt dank einer Leder- und Tuchfabrikation eine glorreiche Zeit erlebt haben muss. Sie sind hübsch anzuschauen, aber leider haben auch hier viel Geschäfte geschlossen. Ob daran nur Corona Schuld ist, bleibt ein Geheimnis.

Auch die Bausubstanz bräuchte Menschen mit einem Herz für Architektur und einem gefüllten Geldbeutel.

Beeindruckend allerdings sind die Grünanlagen, die mit sehr viel Geschmack und Leidenschaft gepflegt werden.

Wir wandern durch die Stadt zur Kirche St. Joseph im neugotischen Stil, die Napoleon III durch ein persönliches Geschenk finanzierte Die Summe erwies sich allerdings als unzureichend und so gibt es keinen Kirchturm. Außerdem fehlt die Dekoration auf den Säulen. Der Kaiser hat die Stadt ziemlich geprägt und so wird sie Anfang der 19.Jhd. auch zur „Napoleonville“.

Der kleine Park rundherum ist recht schön und besticht durch seine alten Bäume.

Im 15.Jahrhundert baute hier eine der mächtigsten bretonischen Familien, die Rohans, eine Burg, die lassen wir aber links liegen und bewundern nur die Außenfassade.

Bild: https://www.tourismebretagne.com

Auf dem Heimweg kaufen wir noch ein paar Tomaten auf einem etwas heruntergekommenen Bauernhof. Hier baut gerade ein junger Mann seinen Bio-Gemüse-Verkauf auf und steht damit noch ganz am Anfang. Ein großer Laden soll entstehen. Heute bietet er aber seine Tomaten, Zucchini, Salat, Zwiebel, Kräuter und Kartoffeln noch in einer alten Lagerhalle an. Nichts destotrotz ist er sehr freundlich, lässt mich die verschiedenen Sorten kosten und ruft mir beim Abschied ein freundliches „Tschüss!“ hinterher.

Da sich der Himmel immer weiter verdunkelt, beschließen wir eine gepflegte Mittagspause zu machen und ich schnappe mir nach ihrer Empfehlung ein Buch aus Marietheres`Sammlung. „Marzahn – Mon Amour“ Geschichten einer Fußpflegerin von Katja Oskamp.

Niemals hätte ich dieses Buch gekauft. Nicht mein Thema, nicht meine Aufmachung und überhaupt… Fußpflegerin??? Aber mit welcher Liebe und Würde sie von diesem Beruf, den Menschen, dem Stadtteil erzählt und welche Lebenswege sich in diesem Bändchen auftun ist einfach herzerwärmend und wundervoll. Absolute Empfehlung.

Als ich aus der Marzahner Fußpflegewelt wieder auftauche und aus dem Fenster schaue gießt es. Die Regenrinnen laufen über die Fässer sind schon voll und die Natur jubiliert.

Was hier so ein Glück ist – auch der Gemüsebauer, der gestern die Pflänzchen in den Boden gebracht hat, wird jubeln – kann mir im Caddy den ganzen Urlaub verderben. Wo halte ich mich dann auf? Wo trockne ich meine Klamotten? Wohin mit einem durchnässten Hund? Wehmütig denke ich an mein Wohnmobil. Aber das hätte nicht an die beiden wunderbaren Stellplätze gepasst, die ich auf dem Hinweg gefunden hatte. Vorerst bin ich froh, dass die Wetter-App für die nächste Woche keinen Regen mehr anzeigt.

Was machen Frauen mittleren Alters wenn es regnet??? Jawoll: Rommé spielen. Und wir tun es mit Leidenschaft. 10 Runden, erst mit 40 auslegen und nur echte Reihen… Logisch, dass ich verliere 😉

Ruth beim Mischen

Zu später Stunde werden dann noch geheime Köstlichkeiten in Form eines 50%igen Calvados herausgeholt, der hier aus der Gegend stammt und nur für Eingeweihte erhältlich ist. Morgen werde ich auch ein Flasche auf ganz geheimen Wegen bestellen 😂

Nun erst einmal eine friedliche Nacht und bleibt alle gesund!!!

Unsere Rosa hinter der Schutzdecke gegen aufdringliche Junghunde

0 Gedanken zu „Regen“

  1. Ach liebe Marion, es ist wundervoll, jeden Abend deine Reiseberichte zu lesen. Das möge nie aufhören!
    Hab noch eine wunderbare Reise. Ich reise über deine Berichte gern mit!
    Liebe Grüße und fühl dich umarmt von Kathrin (Miau)

  2. Herrlich, meine liebe Marion… Dann freue ich mich schon auf ein Schlückchen Calvados bei dir vor dem Kamin… Hier hat es Gott sei Dank auch mal geregnet. Das hat der Natur gut getan. Du wirst bestimmt schönes Wetter bei deiner weiteren Reise haben. So ähnlich, wie ihr Rommee gespielt habt, habe ich das immer mit meinem Tantchen gemacht. Dann war das Spiel noch spannender. Wir haben beschlossen, zukünftig einmal im Monat einen Spieleabend zu machen. Auch mal zum Kegeln, Dart spielen… Komm gerne mit und sei dabei, wenn du magst… Hab weiterhin viel Freude und fühl dich gedrückt.

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