Overflow

Je näher ich den Rocky Mountains komme, umso deutlicher werden zwei Dinge:

  1. Die Landschaft ist unfassbar schön!!!
  2. Der Touristenansturm nimmt deutlich zu.

Der Weg nach Golden, über den Roger Pass bis hin zum Yoho Nationalpark eröffnet ständig neue Blickwinkel auf mächtige Gebirgszüge, nur leider gibt es kaum Haltepunkte mit gutem Ausblick und deshalb keine Fotos. Ich lasse gute Musik laufen, singe lauthals mit und lasse die Herrlichkeit einfach wirken.

Es ist immer noch der TCH #1 auf dem ich neben einem breiten Fluss mit unzähligen Kiesbetten fahre, dem man gut ansehen kann, wieviel Wasser er im Frühjahr aufnehmen musste. Mein erster Stopp soll der Emerald Lake werden. Am Anfang der Stichstrasse kann man aber einen ersten lohnenden Halt an der Natural Bridge machen. Hier zwängt sich der Kicking Horse River durch eine natürliche Felsbrücke und lockt damit schon mal einige Besucher an. Trotzdem ein imposanter Anblick und ein Fotomotiv allemal.

3 km weiter endet die Straße am Emerald Lake und dort ist es mittags um eins kaum noch möglich, einen Parkplatz zu ergattern. Ich muss zweimal Anlauf nehmen und finde etwas … nun sagen wir mal Mittelprächtiges am abfallenden Straßenrand. Das Womo steht – die Schnauze vornweg – abschüssig an der Strassenböschung… so gefühlt im 45 Grad-Winkel 😉 und ich mache mir am See ständig Gedanken, ob ich das auch wieder rückwärts auf die Strasse geschoben kriege. Aber wie war das…? Frontantrieb? rückwärts? das war doch irgendwie gut… na wir werden sehen.

Jetzt erstmal der See. Traumhafte Kulisse, tiefblaues Wasser, ein paar rote Kanus drauf und ein kleines Cafe an der Brücke… das hätte man sich für eine Kitschpostkarte nicht besser ausdenken können. Und dann schaut mal – das Wetter dazu, einfach toll… nur eben finden das alle…

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Dann halte ich an den Spiraltunneln. Spiraltunnel??? was soll dass denn sein? Optisch wahrlich kein Hochgenuss, aber doch eine witzige Angelegenheit: Da das Gefälle des Kicking Horse Passes, an dem die Gleise für die beliebte kanadische Eisenbahn verlegt wurden zu hoch ist, hat man sich folgende Konstruktion überlegt:

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Durch diese spiralförmigen Tunnel wird das Gefälle reduziert und die Strecke ist befahrbar. Weil die Züge aber hier so extrem lang sind, sieht man die Loks am unteren Tunneleingang schon wieder herauskommen, währen die letzten Wagons am oberen Eingang erst hineinfahren. Ganz schön weit weg vom Ausguck, aber die Leute waren auch hier in Massen vorhanden, besonders, da gerade ein Zug kam. 

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Der nächste Abzweig: Lake O`Hara. Parkplatz… viele Autos.  Kein Mensch da? Das ist verdächtig! Was ist hier los? Der Reiseführer macht mich schlau. In das traumhafte Gebiet um den Lake O`Hara gelangt man nur über die 12km lange stramm ansteigende aber ziemlich langweilige Fire road oder mit einem Bus Shuttle, das lange im Voraus reserviert werden muss. Dann wandert man weitere 11km um den herrlichen und vor allem weitgehend menschenleeren See und muss dann wieder 12 km zurück. Also defintiv nix für mich! Schade! Da oben soll es traumhaft schön sein. Ach vielleicht frag ich ja morgen nochmal im Info-Service. Vielleicht habe ich ja doch noch Glück und erwische ein Ticket.

Nun ist es schon später Nachmittag und ich muss mich um einen Stellplatz kümmern. Freies Stehen geht nun in den Nationalparks wirklich nicht. Deshalb hab ich schon im Yoho NP mal geschaut, aber entweder geschlossen oder voll. Hm, wenn ich die Anzahl der Camper so sehe… ohne Buchung wirds bestimmt schwierig. Also versuche ich es gleich beim Overflow in Lake Louise. Das sind große Parkplätze, von denen die Tagesbesucher per Busshuttle in die Zentren oder an die Highlights gebracht werden, wenn dort alles voll ist. Die Shuttle sind hier ausrangierte Schulbusse.

Ich finde einen Platz, bezahle meine 10,80 CAD in einem Briefumschlag des Vertrauens und mache einen Schwatz mit dem 80jährigen Amerikaner, der sein Mobil gleich neben mir parkt. Er kommt aus Ohio und ist mit seiner „Social Assistent“ unterwegs und meint damit seine Frau. Nein, er sei noch nie verheiratet gewesen, aber mit dieser smarten Frau sein er nun schon ne Weile zusammen. Er wisse, wo man Frauen kennenlernt: In der Kaufhalle. Am Inhalt des Wagens sei zweifelsfrei zu sehen: Singel oder verheiratet? Kinder? Reich oder arm? Enkel oder Haustiere? usw. Im übrigen seien Frauen sowieso die smarteren Wesen, seine im Besonderen. Wenn seine Landsleute das schon mal eher begriffen hätten, dann wäre jetzt auch nicht so ein …. das habe ich dann doch nicht ganz verstanden, irgendwas mit crazy … an der Macht.

Nun muss er aber mal rein, seine Frau trinkt ihm sonst noch die ganze Cola weg 😉

Abends koppeln die beiden dann noch ihren alten PKW ab, der hinten am Womo baumelt und fahren „in die Stadt“… oder wer weiß wohin.

Der Platz wird immer voller und die letzten Großraummobile stellen sich noch in den Mittelgang. Da passt dann nix mehr rein! Als dann auch noch 3 deutsche Familien mit zig Kindern im verbleibenden Raum Fußball spielen und ihre Campingstühle als Tore benutzen, suche ich nach einer Lösung.

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Der große Platz neben uns, auf dem nachmittags noch die PKW standen ist zwar staubig aber leer. Warum soll man denn nicht auch da stehen können – ich bin eh früh am Morgen weg, weil ich mir Lake Louise nicht mit Tausenden teilen will… Also nix wie rüber. Und während die Tertris-Mobile noch ne Ladung Staub abbekommen, stehen 4 Wohnmobile allein auf weiter Flur und haben ihre verdiente Ruhe. Gute Nacht.

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  1. Ich weiß genau, welche Musik bei dir im Wohnmobil läuft… 🙂 Und übrigens hat der Amerikaner Recht. Wir Frauen sind die smarteren Wesen… Ich drücke dir die Daumen, dass du noch ein Ticket für den Lake O` Hara ergattern kannst…

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