Leichtigkeit und buntes Glas

Es hat sich gelohnt. Eigentlich ist das hier nicht der Traumstellplatz im Urlaub -so mitten in einer eher ungemütlichen Stadt, aber wir haben super geschlafen, hatten keinen Lärm und niemand jagte uns davon. Und was dann heute zu sehen war, darf man sich einfach nicht entgehen lassen.

Gestern sind wir am frühen Abend nochmal durch die Innenstadt gebummelt. In den Kneipen lief natürlich Fußball, das Johlen war bis zum Parkplatz zu hören. Und manche Public-Viewing-Gäste waren sogar mit dem Pferd da.

Am nächsten Morgen, Punkt 10:00 Uhr stehe ich am Eingang der Kathedrale und betrete dieses fantastische Bauwerk für eine freiwillige Spende. Ein Mix aus normannischer und spezieller gotischer Architektur erwartet mich und vor allem der Kreuzgang hat es mir wirklich angetan – und nicht nur, weil wir es natürlich hier wieder mit einem Harry Potter Schauplatz zu tun haben.

Es ist jetzt schon eine Wonne, aber wenn hier die Sonne scheint – und das tut sie heute leider nicht so sehr – ist das bestimmt ein Farbenmeer an den Wänden, denn rechts befinden sich auf zwei Ebenen fantastische Buntglasfenster:

Das Fächergewölbe darüber ist wunderschön, fast scheint es zu schweben, sieht aus, wie ein natürlich gewachsener Bogen und zwischendrin überall Blütenornamente. Wunderschön!!!! Wie man eine solche Leichtigkeit mit Stein erschaffen kann, ist mir ein Wunder.

An einer Seite des Kreuzgang befindet sich das Lavatorium, eine Art Waschraum. Zwar badete ein Durchschnittsmönch nicht mehr als drei mal im Jahr, die Hände wuschen sich die heiligen Herren allerdings mehrmals am Tag und zwar hier:

Dieser Teil des Kreuzgangs liegt im Osten und wurde 1350 erbaut. Damit ist er nicht nur in der Abtei der älteste erhaltene Teil, sondern der älteste erhaltene in der Welt überhaupt. Irgendwo sollen Mönche auch Teile mittelalterlicher Brettspiele in die steinernen Bänke geritzt haben – wenn mal Langeweile aufkam, so zwischen beten und studieren – aber die habe ich nicht gefunden.

Ich weiß nicht, wie lange ich hier staunend umher gewandelt bin, aber so fast allein hat das schon seinen besonderen Reiz… und ein Harry Potter Zitat muss ich im Kreuzgang jetzt doch noch loswerden: „The chamber of Secrets has been opened!“

Da rechts hat es gestanden…

Dann betrete ich den neueren, den gotischen Teil der Kathedrale. Überstrahlt wir er vom Großen Ostfenster, dem noch heute größten mittelalterlichen Kirchenfenster in Westeuropa, damals das größte der Welt. So groß wie ein Tennisplatz: 22m hoch, 12m breit ist dieses Wunderwerk von 1350 und 2/3 der Fenster sind noch im Original erhalten – also über 650 Jahre alt. Im 2.Weltkrieg baute man alle Scheiben aus, um sie vor der Zerstörung zu schützen und 1998 brauchte man 250000 Wattestäbchen, um es zu reinigen.

Auf verschiedenen Leveln ordnete man Figuren angefangen von der weltlichen bis in die himmlische Sphäre an und nutze hauptsächlich die damals teuersten Farben Rot und Blau.

Aber auch rund herum um das Deckengewölbe ist es lichtdurchflutet und offen. So filigran und doch stabil – was muss ein Mensch des Mittelalters empfunden haben, wenn wir, deren Augen schon ganz anderes gesehen haben, hier ehrfürchtig erstarren.

Schon allein für die verschiedenen Glasfenster könnte man hier einen Tag verbringen. Diese wunderschönen Arbeiten stammen aus dem 19.Jahrhundert. Und dann gibt es auch noch ziemlich neue vom Glaskünstler Thomas Denny.

Die blaue Kapelle beeindruckt mich nicht ganz so. Das ist mir wahrscheinlich zu abstrakt. Da erkenne ich nichts, erfasse seine Intention irgendwie kaum.

Anders dagegen die Fenster, bei denen er sich von Gedichten des aus Gloucester stammenden Ivor Gurney und Musik des Komponisten Gerald Finzi inspirieren ließ:

Die kleinen Fenster oben drüber sind übrigens mit alten Gläsern der Originalfenster gefüllt.

Diese Fenster findet man nich sofort und ich musste auch erst fragen. Hinter dem Großen Fenster ist noch eine weiter Kapelle angeschlossen – 1470 baute man hier noch die Lady-Chapel an. Dort wurde ich in einer winzigen Seitenkapelle fündig.

Lady Chapel

Ich laufe wieder zurück zum Haupteingang und nach all der Pracht kommt mir der normannische Teil der Kathedrale eher schlicht vor.

Natürlich hatte es Heinrich VIII auch auf dieses Kloster abgesehen, aber eine Tatsache bot dem Gebäude Schutz: das Grab eines seiner Vorgänger, Edward II befindet sich in der Kathedrale. Dieser ungeliebte und heimtückisch ermordete König hatte von seinem Nachfolger Edward III mal ein fantastisch geschmücktes, mit Diamanten bestztes und goldfarben bemaltes Grab bekommen. Heute halten zwei Engel den Kopf eines nun nur noch aus Stein bestehenden Grabmals.

Seit einer halben Stunde ist meine Parkzeit überschritten. Jetzt muss ich aber los. Und Lunchen freut sich auch sehr mich zu sehen. So starten wir in den neuen Tag und fahren nun aber wirklich nach Wales. Ein kleiner Spaziergang im Dean Forest ist zwar unspektakulär, aber für Luna das reinste Vergnügen. Einmal nicht hingesehen und ab sofort hat unser Auto den unschlagbar nervenden Geruch von Rehpups… nachdem sich meine Lady mit großem Vergnügen in selbigem gewälzt hat…

Wir fahren ins Wye Valley und eigentlich will ich im Puzzle Wood wandern. Aber das ist ganz anders, als ich mir das vorgestellt habe: Hier verlangt man Eintritt, ein großer Reisebus steht neben vielen Autos auch schon da und, nachdem ich das wahrscheinlich noch zähneknirschend akzeptiert hätte, sind Hunde in diesem Wald verboten. Da kann er auch noch so sehr an Mittelerde erinnern, wie der Reiseführer verspricht, wir sind raus und weiter.

Tintern Abbey im River of Wye Tal liegt abgeschieden im Grünen und hat mäßigen Besuch. Einst eine der reichsten Abteien fiel sie – genau – H 8 zum Opfer – wem sonst. Viele Steine sind aber noch am rechten Platz, weil sie früher so abgelegen war, dass die Bauern keine Steine für ihre eigenen Häuser klauten – da lohnte der Weg wohl nicht…

Heute gönne ich mir ein Mittag mit Abbey-Blick. Das Anchors Inn lockt mit guten Speisen, tollem Außenbereich und noch einer guten Idee. Die Parkgebühren werden hier gleich verrechnet und die Nacht über darf man auch stehenbleiben, wenn man etwas verspeist.

Na das klingt doch super. Und dann wandern wir noch eine Runde am Fluss entlang, vertreiben uns die Zeit beim Ballspielen auf der herrlich großen Wiese und ich schreib Blog über das Kneipen-WLAN im Garten. Perfekt – sogar die Sonne lässt sich noch blicken. Einfach Urlaub…

Kommt gut durch die Nacht 🙋🏻‍♀️🐶🇬🇧

6 Gedanken zu „Leichtigkeit und buntes Glas“

  1. Guten Morgen, liebe Marion, ein Gruß aus der grauen Bretagne! Nun hast du Wales erreicht und bist schon voll toller Eindrücke und Erlebnisse!
    Die Kathedrale gestern, wirklich unglaublich diese Baukunst! Kann und möchte mir auch nicht vorstellen, wie alles geschaffen wurde! Und dann diese traumhaften Glasfenster, Wahnsinn! Der Kreuzgang sehr beeindruckend!
    Nun wünsche ich dir viel Freude in Wales ! Pass auf dich und Lunchen auf, deine Bretagnemamie und Luckylady🐕

    1. Das war wirklich sehr beeindruckend und verhältnismäßig wenige Besucher – also ganz nach meinem Geschmack. Luna hat sich leider immer noch nicht wieder eingekriegt… jeden Morgen ist sie im Womo ängstlich… 😨 über den Tag wirds besser und abends schläft sie entspannt ein. Nur der Morgen ist irgendwie blöd. Ich geb ihr viel Zeit und hoffe, es gibt sich wieder..
      Liebe Grüße 🙋🏻‍♀️🐶🇬🇧

  2. Liebe Marion, ich war sehr beeindruckt von der Kathedrale und bin immer wieder begeistert über die vielen Detailinformationen in deinen Berichten. Ich bleibe an deinem Blog dran und freue mich auf die nächsten Einträge. Hab weiter eine schöne Zeit.

  3. Ja, die Details. Die mag ich einfach sehr und gerade hier in UK legen sie viel wert darauf. Man findet sie in den Heftchen und auf Schildern… aber natürlich auch im Reiseführer 😃 ich bin da gern auf der Suche und freu mich, wenn es euch gefällt ❤️

  4. Liebe Marion,
    wirklich beeindruckende Bilder von dieser wunderschönen Kathedrale. Und witzig, dass du schon wieder einen Filmdrehort entdeckt hast…
    Es macht wieder ganz viel Freude, deinen Blog zu lesen…
    Seid lieb gegrüßt!

  5. Liebe Marion,
    ich kann mich nur anschließen.
    Ganz toll, wie du schreibst, so informativ, lebendig,…das weckt die reiselust.
    Viele schöne eindrücke weiterhin und pass gut auf dich/euch auf.
    Liebe grüße
    Karena

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert