Mildes, trockenes Klima, Oleander, Mimosen, Eukalyptus und Feigen, prächtige Hortensienbüsche, kleine Granitsteinhäuschen, türkisblaues Meer rundherum… so ungefähr sollte mein persönliches Paradies aussehen. Aber so lange brauche ich gar nicht mehr zu warten… vom Pointe de lÀrcuoest starten täglich mehrere Boote da hin.
Zuerst weckt mich am Morgen im Hafen vom Paimpol ein wunderbarer Sonnenaufgang.

Und weil ich schon mal wach bin, mache ich mich auch gleich auf den Weg zum wenige Kilometer entfernten Boots-Startpunkt in Richtung Blumeninsel der Bretagne. Unterwegs gable ich noch ein superfrischduftendwarmes Brot auf und lasse mich zum gemütlichen Frühstück auf dem gut gefüllten Parkplatz nieder. Kein Mensch zu sehen. Die stehen hier schon ne Weile. Also wenn die alle auf der Insel übernachtet haben, dann wirds ja auch ohne Tagesbesucher ganz schön voll, Das 3,5 km lange und 1,5 km breite Inselchen bricht dann hoffentlich nicht komplett aus allen Nähten. Aber Stopp – entwickeln wir mal hier keine Phobien. Andererseits muss ich sagen, dass ich nicht so ganz verstehe, wie man auf diese Abmessungen gekommen ist… wo soll man denn hier soetwas messen:

Quelle: https://actu.fr/bretagne/ile-de-brehat_22016/trail-bapteme-du-feu-du-brehat-nature-run_7743134.html
Nicht nur die Insel selbst ist stark zegliedert, auch runderhum kommt man sich vor wie in einem Mini-Schärenmeer.

Mit 8:45 Uhr erwischen wir die erste Fähre der neuen „Sur Mer“-Line und sind mit 5,- für Hin- und Rücktour recht preiswert. Luna fremdelt erst ein bisschen, ob der lauten Motorengeräusche, legt sich dann aber ganz entspannt ab. Das kleine Schiffchen bringt uns in 10 min hinüber und im Hafen ist Ebbe. Deshalb haben die hier drei Anlegestellen (Cale 1-3) – wir landen an Cale 2.


Wir haben es hier mit einer autofreien Insel zu tun und deshalb stehen im Hafen auch Menschen mit Handwagen herum. Damit schiebt der galante Vermieter die Koffer der Urlauber zu Fähre, die dann mit einem freundlichen Winken verabschiedet werden. Außerdem kann man sich hier mit dem Fahrrad fortbewegen, was manchmal auf den engen Wegen in der Hochsaison zur Belastung werden kann. Deshalb die Dauerempfehlung: Nebenwege wählen!
Gegen 9:00 ist es aber am Hauptplatz des Inselstädtchens Le Bourg ganz angenehm. Einzelne Urlauber schlürfen einen Kaffe und der Obst- und der Fischstand werden aufgebaut.

Wir wandern weiter über die Insel und kommen nach mehreren Buchten an die schmalste Stelle, den Isthmus (Landenge). Dort gibt es nur ein kleines Brücklein, was den Nord- mit dem Südteil verbindet.

Die Brehatiner galten immer als beherzt und kühn und sollen schon um 1450 den Kabeljau im nördlichen Atlantik gefangen haben. Also in den Gewässern vor Neufundland. Hm… 1491 wurde der Kontinent doch erst entdeckt… Genau und deshalb gibt es ja die Geschichte, dass es ein betrunkener Kapitän von der Insel gewesen sein soll, der nach einigen Gläsern schweren Portweins dem nüchternen Kolumbus in einer Lissaboner Kneipe den Tipp mit der Route nach Amerika gegeben haben soll. Na gut, zwischen Neufundland und Kuba ist es dann doch noch ein kleiner Unterschied, aber sicher freuts die Insulaner.




Für mich sind aber die Pflanzen wirklich das Highlicht. Vor allem der Agapanthus. Ein Traum!

Aber auch die kleinen granitsteinernen Häuschen sehen wirklich gut aus und trotzen hier sicher im Winter manchem Sturm.


Irgendwo am Weg hat jemand zwei Stände aufgebaut und verkauft Brot und Gemüse mit einer Kasse des Vertrauens. Ich nehme Schokobrot, hmmmm, fürs nächste Frühstück.

Eine andere Familie hat auf dem Weg zur Nordinsel in ihrem Garten eine Hütte mit Crepes und Getränken aufgebaut. „Le Paradis Rose“ nennen sie es und das kleine Hüttchen ist vor Blumen nicht zu sehen.

So kann man sich hier auf der Insel den ganzen Tag wunderbar vertreiben. Ich mache Pause in einer Creperie in Bourg, lade meine Powerbank, was unendlich lange dauert. Bei 30% gebe ich auf, hatte aber Zeit, die einheimischen Rentner an der Bar zu beobachten. Sie trinken gekühlten Aperetif, haben fast alle ein Shirt an, auf dem „Insulair“ (Inselbewohner) steht und man kann wunderbare Studien machen. Ich verstehe kein Wort, finde aber die Rituale, Mimik, Gestik und Haltung super.
Gegen 16:30 fahre ich wieder zurück. Nun brauche ich nur noch Lebensmittel, einen Stellplatz und Strom. In La Roche-Derrien wird das alles angeboten, allerdings sind die vorhandenen Steckdosen schon besetzt. Neben mir ein altes großes Wohnmobil mit Länderkennzeichen BZH ??? und dem Aufdruck „it`s only Rock`n`roll“. Alle Fenster verdunkelt, Türe auf. Ich klopfe und in der Dunkelheit sitzt ein Mann. Freundlich erklärt er sich bereit mein Handy und den Akku zu laden und steckt meinen Verteiler in ein Knäuel aus drei anderen Verteilen und Kabeln. Der scheint viele elektrische Geräte in seinem Fahrzeug zu betreiben. Was das wohl für ein Typ ist… ein bisschen mulmig ist mir schon. Ich schaue nach: BZH steht für Bretagne statt F für Frankreich – okaaaay, wieder so ein Unabhängigkeitsding. Wers braucht!
Später komme ich dann aber noch auf die Idee, mir den Strom mit der anderen Nachbarfamilie zu teilen. Das klappt und die sitzten auch nicht so komisch im Dunkeln. So kommt es, dass ich heute mal ganz exklusiv einen Blogeintrag nicht mit der Handytastatur schreiben muss, sondern am Rechner tippen kann. Strom gibts und das Netz reicht sogar für einen Hotspot. Fast wie zu Hause.