His Royal Highness

Schlechtwetterfront, was soll man machen. Zuerst fahre ich mal zum nördlichsten Punkt des britischen Festlands, Dunnet Head. Vielleicht kann man da doch ein bissl mehr sehen als erwartet, aber naja!

Da hilft nur eins: ab in geschlossene Räume. Ich suche mir „Mey Castle“ aus. Das zerfallene Schloss kaufte die Queen Mum 1952 dem damals mittellosen Besitzer für 100 Pfund Sterling ab. Einst war es der Sitz des Earl of Caithness (so nennt sich der Landstrich hier oben im Nordosten), nun musste Queen Mum das zerfallene Ding erst einmal ans öffentliche Strom- und Wassernetz anschließen. Jedenfalls war das – so erzählt es wohl auch die Netflix-Serie ”The Ceown” – eine willkommene Beschäftigung für eine 51-Jährige Witwe, die gerade ihre Krone an die Tochter weitergegeben hatte. Als alles fertig war, wurde der Ort für sie eine Art Zuflucht und nach ihrem Tod machten es sich Charles und Camilla zur Angewohnheit, regelmäßig für ein paar Tage im August hier zu wohnen. Dann wird das sonst als Museum eingerichtete Schloss für die beiden extra modernisiert, dem Standard angepasst. Danach baut man alles wieder als Museum zurück. Viele liebevolle Details aus dem hier oben im Norden sehr bodenständigen Leben der alten Dame sollen darin zu betrachten sein. Man sagt, in der Gegend war sie sehr beliebt. Also los, die Schilder zeigen den Weg, nur das letzte vor dem Abzweig, das ist abgehängt und ich komme nur bis zur Einfahrt.

Na klar, es ist August, Charlie und Camilla sind da, also kein Museum… Schade, bei dem Wetter hätte es gepasst. Und nun? So viel Auswahl ist hier nicht bei Shitwetter. Der nächste Ort heißt John O`Goats nach einem Holländer (Jan de Groot), der gemeinsam mit seinen Brüdern die erste Fähre hinüber zu den Orkneys eingerichtet hat. Aber was soll man da bei Dauerregen? Heute gibt es in Großbritanien übrigens die Le Jog Ralley, das bedeutet, die Teilnehmer fahren von Lands End im Südwesten des Königreichs einmal diagonal über die Insel bis hierher in den Nordosten. Die Initialen der Orte ergeben den Namen der Ralley, die hauptsächlich von Oldtimern gefahren wird und angeblich deren härteste Zuverlässigkeitsprüfung darstellt.

Ja und was mach ich nun? Einfach mal weiterfahren und gucken. Und siehe da, am Ende der Ortschaft weiße Zelte, ein großer Parkplatz… ”Mey-Highland-Games” – na das isses doch. Für 10 Pfund bin ich dabei und kann erst mal in Ruhe meine “Feldstudien” betreiben:

Wie immer bin ich ein großer Fan des Tanzwettbewerbs und vor allem die Kleinen sind zuckersüß, wie sie unter dem gestrengen Blick der Jurorin ihre Choreografien mit und ohne gekreuzten Degen am Boden vollführen. Ein einziger Junge ist dabei und lässt sich von Mutti noch mal vortanzen, ehe er bei den Mädels mitmacht.

Auch verschiedenste Stände gibt es, an denen man die ein oder anderen Leckereien bekommt oder über die Orstgeschichte informiert wird..

Am Stand der nördlichsten Destille steht sogar der Haus- und Hof-Einkäufer des Castle Mey (steht auf der Jacke ;))

Und dann gibt es auch noch ein Kulturprogramm. Besonders erstaunt bin ich über den Chor. Sah ich doch erst neulich den wunderbaren Film ”Mrs. Taylors Singing Club” mit Kristin Scott Thomas.

Darin wird gezeigt, wie sich Frauen britischer Soldaten zu einem Chor zusammenschließen und so die Angst um ihre Männer für ein paar Stunden zu vergessen. Im Abspann konnte man lesen, dass der Film auf Tatsachen beruht und es mehrere solcher Chorgründungen in GB gab und hier hatte ich doch tatsächlich einen solchen vor mir stehen. Als praktische, regendichte Bühne dient übrigens ein LKW. (militarywives choirs steht auf dem Plakat)

Natürlich geht es hier auch um die typischen Highland-Games: Hammerwurf, Baumstammweitwurf usw. Das gibt es auch, aber das Besondere ist, dass auch hier Kriegsveteranen mitmachen. Aus dem Rollstuhl wird die Kugel und der Stamm geworfen. Es gibt auch einen besonders abgesicherten Platz, von dem aus der Veteran etwas wirft und alle unterstützen ihn bei den Vorbereitungen.

Da der Regen zunimmt und Prinz Charles erst für 15:00 Uhr angekündigt ist, ziehe ich mich mit einem leckeren, gerade erworbenen Stück Kuchen in das Womo auf einen heißen Kaffee zurück – Schotten lösen das anders.

Großformatiger Sponsor ist übrigens das Atomkraftwerk, was man im Programmheft unschwer erkennen kann., Da hat wohl jemand was gut zu machen und auch die Anzeige dient sehr deutlich der Image-Pflege.

Ein letztes Event noch, dann kommt der Prinz. Die Hunde-Show. Da lass ich Luna mal lieber im ”Hotel”, das ist der Aufregung zu viel. Hierbei stellt sich der geneigte Hundebesitzer nach vorheriger Anmeldung mit seiner Fellnase im Kreis auf, eine Dame geht herum, streichelt jeden Hund und dann bekommen drei davon einen Preis… nach welchen Kriterien? Keine Ahnung, aber alle haben ihren Spaß.

So, die Gesichter werden strenger, im Royal Tent wird es unruhig, es geht auf 15:00 Uhr zu und pünktlich 14:58 beginnt die Pipe Band.

Ich denke ja, der Prinz kommt aus dem Zelt, aber er überrascht mich beim Filmen von rechts im Auto, aber seht selbst:

Der Prinz fährt vor – er lenkt übrigens höchstpersönlich – und wird von den Wichtigen begrüßt. Dann verschwindet er im Zelt und das Volk steht im Regen. An seiner Seite ein Dame … aber Camilla ist es nicht…???

Ich hatte ja damit gerechnet, dass er als “The Chieftain” ein paar Sätze an die Anwesenden richtet, aber nix. Nur die Mädels vom Soldatenfrauenchor bekommen ein paar warme Worte. Die stehen ja auch da, kurzärmelig im kalten Regen und singen für ihn in der Kälte. Also ich habe nun auch genug gesehen und werfe nur noch einen kurzen Blick auf die Heusackwerfer und dann nix wie ins Trockene.

An einen Punkt fahren wir heute noch, da kann Luna auch nochmal raus: Duncansby Head. Wunderbare Klippen bilden hier ein fatastisches Ambiente in dem sich die verschiedensten Seevögel zuhause fühlen. Bei klarer Sicht kann man die komplette Südküste der Orkneys hinüber über den Pentland Firth betsaunen. Die in den Orkneys liegende natürliche Bucht Scappa Flow bot als natürlicher Hafen schon vielen Schiffen Sicherheit.

Am Ende des ersten Weltkrieges war sie allerdings Schauplatz eines traurigen Spiels. Im November 1918 internierte man in diesem Hafen 74 hochseetüchtige Schiffe incl. 4500 Mann Besatzung der unterlegenen deutschen Kriegsmarine. Als dann in Versailles der Friedensvertrag unterschrieben war, gab Admiral Ludwig von Reuter den Geheimbefehl ”Paragraf 11”. Das bedeutete, dass sich die gesamte internierte Flotte selbst versenken sollte, um die Schiffe und Waffen nicht in die Hand des Feindes gelangen zu lassen. Das gelang im Großen und Ganzen und die dabei ums Leben gekommenen Soldaten waren die letzten sinnlosen Opfer des Krieges – sieben Monate nach der deutschen Kapitulation.

Heute kann man gegenüber auf dem Festland zum Glück nur noch genießen. Die herrliche Natur, auch bei schlechtem Wetter. Deshalb hier ein paar Eindrücke. Bis morgen, kommt gut durch die Nacht.🙋🏻‍♀️🐶

2 Gedanken zu „His Royal Highness“

  1. Liebe Marion, ich lese jeden Tag deine Berichte mit Begeisterung und auf deinen Bildern sieht das Wetter gar nicht so schlecht aus. Prinz Charles trifft man ja auch nicht jeden Tag. Schick doch mal ein bisschen von dem Regen nach Thüringen. Ich wünsche dir weiterhin eine tolle Zeit in Schottland. Liebe Grüße Kordula

  2. Das freut mich, liebe kordula 🥰🥰🥰 Das Wetter war nur zwei Tage wirklich schlecht. Ansonsten haben wir einen lustigen Wechsel ☔️☀️
    Wenn du mich noch ein paar Tage begleitest, freue ich mich sehr. Liebe Grüße 🙋🏻‍♀️🐶🏴󠁧󠁢󠁳󠁣󠁴󠁿❤️❤️❤️

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