Nix für schwache Nerven

Nix is mit Wandern. Es schüttet und stürmt immer noch. Na dann bleiben wir halt mal lange liegen… So bis 7:00 Uhr 😜

In einer kleinen Pause zwischen Starkregen und Landregen wagen wir uns doch vor die Tür. Mit Leine! Hier gibt es wieder sehr viele Hasen und Schafe und ein strenges Schild ermahnt den nachlässigen Hundehalter, dass man seinen Liebling auch ohne Gnade abknallen würde: Dogs can be shot… oder so stand da wirklich drauf. Luna is not amused.

Das sieht nach einem Schlechtwettertag aus. Naja solls ja geben in Schottland. Übrigens kann man den Leuchtturm mieten, wenn man Lust hat, sich hier vorn vom Wind mal richtig durchrütteln zu lassen.

Wir zuckeln los und ich biege erst einmal falsch ab und lande im Nirgendwo. Hier ist Sackgasse und ein paar griesgrämige alte Schotten gucken mich komisch an, denn es ist auch ihnen nicht ganz klar, was ich hier will. Hier ist nämlich nix. Das erinnert mich an eine Stelle aus dem Buch “500 Meilen Schottland“, in dem ein Arzt und ein Designer in einem Jaguar XJ Coupe aus den 70gern hier die Küstenstrasse NC 500 entlangfahren. Optisch sehr ansprechend gemacht, ist es doch die Frage, was hier oben in Norden des Landes die Realität der Menschen ist und ob dies ein Jaguar symbolisiert…

Allerdings gibt es im Buch ein kurzes Interview mit der alleinstehenden Mutter und Sozialarbeiterin Morag, die ihnen über Airbnb ein Zimmer vermietet hat. Diese sagt: “Das größte Problem hier im schottischen Norden ist nicht das fehlende Geld.…. Man kommt hier mit sehr wenig aus. Das größte Problem ist, wenn die Einsamkeit, die sich bei unserer geringen Bevölkerungsdichte leicht einschleicht, zu Alkoholismus führt.“ (500 Meilen Schottland von M.Kröher/C.Seeling)

Daran muss ich denken, als aus dem Haus da vorn ein alter Mann tritt, aus dem unaufgeräumten Vorgarten ein Gatter zieht, es fallen lässt, wieder im Haus verschwindet und mich keines Blickes würdigt. Der Putz blättert ab, überall liegen irgendwelche Drähte und Zäune… und ich such mit der Fotoapp nach romantischen Motiven zum Erfreuen. Natürlich befinden wir uns in Schottland und nicht etwa in Syrien oder an anderen traurigen Plätzen der Welt. Doch manchmal sollte man sich vielleicht nicht wundern, wenn der fröhliche Touristenblick nicht erwidert wird.

Auch wenn kein Badewetter ist – an dieser Bucht halten wir an und Luna tobt durch den Sand. Regen lässt auch die Farben der Bilder oft schöner erscheinen und an diesem Ort ist das wirklich so.

Die Strassen sind weiterhin sehr eng, schlängeln sich mit für den “Dicken“ anspruchsvollen Steigungen von bis zu 25% durch Täler und über Hochebenen und der Wind scheucht die Regenschauer vor sich her. Neben der Straße stürzen sich nach dem Regen übervolle Bäche ins Tal und manch überwältigender Ausblick bleibt heute für mich unter Nebelschwaden verborgen. Die Wege oft sehr schmal und auch die Ausweichbuchten nicht immer für zwei Womos nebeneinander geeignet. So ungefähr ist das Fahrerlebnis… mit dem “Dicken“ nichts für schwache Nerven. Hier ein paar Eindrücke:

Was machen mit einem solchen Tag: Lecker Essen gehen. Tabret – ein Ort mit 3 oder 4 Häusern liegt an der Küste, erreichbar natürlich wieder mal über eine Single-Track-Road und bietet laut Reiseführer neben Bootstrips zur Vogelinsel Handa auch ein kleines aber feines Fischrestaurant. Na das ist doch mal ein Ziel. Davor überqueren wir aber die Kylesku Bridge, die erst 1984 eine Fähre über den Loch Cairnbawn ersetzte und von der Queen persönlich dem Verkehr übergeben wurde. Normalerweise eröffnen sie herrliche Blicke in die Wahnsinnsumgebung … aber heute halt nicht.

In eben erwähntem Buch sieht das natürlich etwas ansprechender aus (da sieht man auch den schicken Jaguar 😂):

In Kylesku hat übrigens der klein John immer mit seiner Tante Urlaub gemacht. Nachname: Lennon.

Nun aber ab ins Fischrestaurant. „The Shorehouse“ in Tarbet. Nach einigen schmalen Kurven komme ich in der wunderschönen Bucht an.

Die Fähre hat zwar geschlossen, aber wenn ich 30 Minuten warte, hat der freundliche Kellner einen Platz im knuffigen Kneipchen. da drehe ich doch mit Luna erst mal noch eine Runde durchs Dorf und begutachte die 3 Häuser.

Leider ist die Fähre geschlossen

Dann bekomme ich meinen Platz und bestelle frischen Lachs. Ein Gedicht und wie gemütlich. Welches Glück ich hatte, merke ich an den Besuchern, die abgewiesen werden. Hier geht es nicht um Masse. Die leckeren Speisen werden zwar nicht verschenkt, aber es soll auch Spaß machen und den hat der junge Mann, der uns freundlich bedient, auf alle Fälle.

Draußen pladdert der Regen und drinnen ist es sooo gemütlich. Einen Kaffee und einen Schokoladenkuchen gibts auch noch und ich kehre sowas von glücklich ins Womo zurück, wo mich mein Lunchen schon freudig erwartet.

Weiter gehts durch diese fantastische Landschaft im schottischen Norden, die auch bei diesem Wetter ihre Reize hat.

Die nächste Brücke ist schon etwas älter und eine der Steinbrücken des 19.Jahrhunderts, die für den Norden Schottlands so große Bedeutung hatten. Der Straßen- und Brückenbau-Pionier Thomas Telford hat mehrere davon im frühen 19.Jahrhundert in ganz Nordschottland errichten lassen. Es soll viele Hunderte geben. Erst dadurch wurde es möglich Wirtschaft und Handel in die entlegenen Gebiete zu bringen. Ein Exemplar haben wir nun also vor uns: die Laxford Bridge.

Beinahe hätte ich sie übersehen, aber dann kehre ich noch einmal um und entdecke gleich daneben einen kleinen aber feinen Stellplatz mit angeschlossenem Wanderpfad am Wasser entlang.

Kurzer Blick aufs Handy – Netz steht – das wird unser Platz für die Nacht. An dieser Stelle biegen die Touristen links, also über die Brücke nach Norden ab. Dafür wirbt auch ein großes Schild am Straßenrand: “Come to the North!“ Den kürzeren Weg ins Landesinnere nach Lairg gibt es rechts. Nachts ist es hier aber ganz bestimmt ruhig. Jetzt aber nochmal raus für meine Hundedame und auch für mich wirds schön, denn in wenigen hundert Metern mündet der River Laxford in die Laxford Bay, eine Art Fjord im zerklüfteten nördlichen Küstenstreifen Schottlands.

Da sind wir nun also schon ein ganzes Stück gekommen und haben viel gesehen. Damit keiner den Überblick verliert – auch ich nicht – hab ich mal ein bisschen gemalt. Und wer es noch etwas genauer möchte… der rote Punkt sind wir – Guts Nächtle.

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