Heute bin ich zuerst wach, 6:30 Uhr passt. Der gestrige Abend war zwar kalt, aber wunderschön. Zusammengekuschelt saß ich mit Luna unter drei Decken im Womo und las das neue Buch von Juli Zeh “Über Menschen”mit viel Vergnügen. Doch was sich draußen abspielte war fast noch besser. Mein erster bemerkenswerter schwedischer Sonnenuntergang und die Holländereltern machten dazu ein Feuerchen. Grandios!

Auch heute hält ein Schutzengel die Hand über uns und alles ist soooo perfekt, aber von vorn.
Gegen 8:00 Uhr, nach gutem Frühstück und warmer Dusche im kalten Womo – ich mache zum ersten Mal im Sommerurlaub die Heizung an – fahren wir die restlichen 4km bis auf den Fulufjället-Parkplatz. da stehen zwar schon einige wenige PKW, aber weit und breit keine Menschenseele. So mag ich das. Die Mädels aus Weimar Land haben nämlich erzählt, dass es gestern recht voll gewesen sein soll. Wir zappeln los und Luna vorneweg:
Im unteren Bereich ist hier alles wunderbar angelegt. Hölzerne Stege führen über Flüsschen, kleine Schutzhütten laden zum Picknick ein und überall stehen Bänke an schönen Aussichten. An einer, mit Blick auf die Hauptattraktion des Parks, den Wasserfall, entfachen zwei Jungs gerade das erste Feuerchen des Tages.


Wurzlige Bäume, klares Wasser, weite Blicke und dann wieder gewundene Weg – paradiesisch, aber ich muss ja noch auf 200 m, denn ich habe ein Ziel. Nicht nur den Njupeskär – Schwedens höchsten Wasserfall (ingesamt 123m Fallhöhe – 70 davon senkrecht), sondern ich möchte Old Tjikko einen Besuch abstatten.
Der Weg dahin ist nicht immer leicht, z.T. Über Geröllfelder – und das bei meinem hervorragenden Gleichgewichtssinn. Aber schaut mal, die kleine Bergziege da, die hat Spaß.
Old Tjikko war einst ein Husky, aber nun trägt den Namen ein Baum, den der Geograph Leif Kullman entdeckte und nach seinem Hund benannt hat. ja aber wieso gibt man einer gewöhnlichen Fichte einen Namen? Weil dieses unscheinbare Gewäöchs der älteste Baum der Welt ist. Das Alter wird mit 9.550 Jahren angegeben und sogar der „Waldmeister“ Wohlleben war schon hier.

Die Fichte ist ca. 5m hoch und bildet wohl aller 600 Jahre einen neuen Stamm aus. Am Boden herum ist dichtes Astwerk, dass wie ein rundes kleines Bett wirkt und ansonsten hat sie sich eine Gegend ausgesucht, an der sonst eigentlich nicht so viele Bäume gedeihen.

Forscher haben das Alter an ihren Wurzeln erkannt und festgestellt, dass diese unterschiedlich alt sind. Das Wurzelgeflecht erweitert sich also, die Stämme müssen sich neu bilden. Obwohl die Gegend eigentlich unwirtlich und kahl ist, hatte Old Tjikko wohl alles was er brauchte, um so alt zu werden: Licht, Wasser, Luft, Boden, Ruhe und keine Menschen. Heute lass ich beim Recherchieren zum Nationalpark gleich auf der ersten Seite, dass der Weg zum Baum eine 8-tägige Tour durch schweres Gelände ist und nur mit erfahrenen Führern gemacht werden kann. das stimmt zwar nicht, ist aber zu verstehen, wenn man sieht, dass die Wanderer über die Absperrung ins „grüne Bett“ latschen und so schon ein Trampelpfad im Wurzelbereich entstanden ist…

Was der schon alles „erlebt hat“… unfassbar. Ich nehme mir ein bisschen Zeit, setze mich auf einen Stein und schaue ein fast 10000 Jahre altes Lebewesen an.
Allerdings findet das Luna megalangweilig und an Ehrfurcht denkst sie im Moment nicht. Fiepfiep, ich will weiter und das machen wir natürlich auch und laufen nun fast bequem aber vor allem waagerecht auf der Hochebene hinüber zu Wasserfall.
Unterwegs koste ich meine erste Moltebeere – lecker 🙂

Über ein Brücke überquere ich den heranströmenden Bach und laufe bis an die „Absturzkante“ – meine Herren, was für ein Anblick. Eine kleiner Abstieg führt hinunter zu einem Platz mit Minilagerfeuerstelle und ich versuche gerade meine Knie zu überzeugen, mir beim Abstieg nicht den Dienst zu veragen, da hüpft so ein zwanzigjähriger Bengel mir nichts dir nichts den Abhang runter, Typ blond bezopfter Bergstudent und lächelt mich Freundlichkeit an: „Heihei“, der typische Schwedengruß tönt herüber und dann ist der auch noch so freundlich… Stimmt – ich bin neidisch, so flink werde ich in diesem Leben nicht mehr, aber die Freude über den Anblick teile ich mit ihm gerne und ein gleichzeitige „Wow“ beim Blick in die Tiefe macht uns beide Lachen. Nun habe ich sogar noch ein bergstudentgemachtes Bild von mir und Luna am 70m Abgrund 🙂
So schnell wie er da war ist er auch wieder verschwunden und ich kraxel – nicht ganz so schnell – den Abhang wieder hinauf. Der Rückweg läuft über die Höhe bis zum Abstieg am Parkplatz recht unspektakulär, nun treffe ich aber doch ab und zu ein paar Leute. So eine junge Familie, die gestern für 4 Tage hier hochgestiegen ist, in einer Hütte übernachtet und täglich mit den kids kleine Runden dreht. Dann kommt noch eine Familie mit zwei erwachsenen Kindern – ach ne, eins davon ist der Bergstudent, der läuft einfach den Weg mit seiner Familie nochmal, nachdem er alles ausgekundschaftet hat – nicht zu fassen – ich bin froh, wenn ich die Runde einmal ohne schlechte Laune hinter mich bringe… Unten treffe ich dann noch einen Mann, der sagt, wenn mir das hier gefallen hat, dann ist Lappland für mich keine Frage, sondern eine Pflicht! Oh Mist – ich hatte mich gerade dagegen entschieden. Nun stehe ich wieder am Anfang meiner Entscheidungsfindung …
Das war wunderbar! Aber was am Parkplatz jetzt los ist würde ich unfassbar nennen. Alles voll und die Straße hinunter noch mindesten einen Kilometer zugeparkt… „Der frühe Vogel…“

Nun soll es noch der Sonfjällets NP werden und danach Östersund. Dort wird dann die Entscheidung zwischen Lappland oder Südschweden ausgewürfelt. Wir fahren los.
5km weiter ein Badeplatz, den ich einfach für meine Mittagspause brauche… wunderschön und kein Mensch zum Baden da – logisch, bei den Temperaturen…

Unterwegs halte ich an einem Campingplatz und bitte den Besitzer, mein Wasser auffüllen, WC reinigen, Grauwasser leeren zu dürfen. Grauwasser? dafür hat er nichts. Alle seine Besucher machen einfach unterwegs mal den Hahn auf. Zitat: „Das ist doch nur vom Zähneputzen.“ Äh … ja, dann mal hier die 20 Kronen für die Reinigung und Tschüss.
Dann kommen wieder 70km Strecke, auf der ich wirklich autonomes Fahren bevorzugen würde. Da kann man ja ganze Pullover stricken.
Einen kleinen Zwischenstopp machen wir in einem kleinen Örtchen nach Sveg. Remsgården ist ein alten Bauernhof, dessen Gebäude fast alle noch auf ihrem Platz stehen, auf dem sie der Zimmermann von 1714 bis ins 18.Jahrhundert hingesetzt hat. Niemand ist hier und auch das kleine Café ist geschlossen. Und so schlendere ich über den herrlichen Hof. Im Hauptbaus sind wunderschöne Bemalungen angebracht – ich kann sie leider nur durchs Fenster bewundern. Und das Holz der Häuser sieht aus, als hätte es wie die „Vasa“ schon einige hundert Jahre im Schlamm verbracht: schwarz wie verbrannt.
Und dann gehts die letzten 14 km hoch zum Nationalpark. Und dieses mal nicht nur Schotterpiste, sondern z.T. Auch noch Waschbrett, wenn ihr wisst, was ich meine. das macht einen wahnsinnig und ich fahre max. 10km/h und finde zum Glück einen wunderbaren Stellplatz für die Nacht. da muss ich noch nicht mal gegen die NP-Regeln verstoßen, denn das Übernachtem auf den NP-Parkpülatz ist eigentlich verboten und hier ist noch kein NP-Gebiet. Bingo. Alles da: Schutzhütte, Feuerstelle, Bank mit Tisch, Ausblick auf den Berg und ein umgefallener Baum… leider im Sumpfgebiet, meine Socken triefen nach der Holzsammelaktion.
Aber: Voila! Unser Feuerholz.

Dann laufe ich noch 20m in die andere Richtung und finde eine abgerodnete Lichtung mit massenweise Totholz, schön trocken und einfach nur zum Aufheben. Mein erstes Schwedenfeuer – selbstentzündet. Klasse. An diesem Abend werde ich noch 3 Mal Holz holen müssen, denn das Feuer ist so gemütlich.
Außerdem schenkt mir die Abendsonne ein wunderbar goldenes Licht und das eine ganze Stunde lang.


