Nachts halb 12 im Urwald

Der Johnston Canyon gilt als das schönste Ziel im Bow Valley. Nun … aber das Bow Valley ist nur ein ganz kleiner Teil des Nationalparks, ob das da was zu bedeuten hat? Viele Menschen strömen täglich (zumindest am Wochenende, da bin ich nämlich hier) auf die angeschlossenen Parkplätze und überfüllen sie hoffnungslos. So stehen am Strassenrand auch noch mehrere 100 Meter geparktes Blech. Allerdings noch nicht um die Uhrzeit, zu der ich starte. Gegen 7:30 bin ich mit einigen Wenigen auf den Stegen, die von dicken Eisenträgern gehalten werden am Canyonrand unterwegs.

_DSC0859

Die Sonne schafft es morgens noch nicht bis in die Tiefe vorzudringen und es fühlt sich noch ein bisschen kühl an, wenn man hier wandert. Am Eingang in die Schlucht gibt es auch ein kleines Cafe und mein Campground ist gleich gegenüber – äußerst praktisch. Zum Glück haben die sich hier bei den Stegen für undurchsichtige Betonplatten und nicht für Gitterroste entschieden, sonst wäre meine Wanderung für heute schon beendet. Und jetzt geht es erst zu den Lower Falls …

_DSC0869

dann zu den Upper Falls …

_DSC0923

und zu den noch upperen Falls, was, wie ihr euch denken könnt wieder mal mit Höhenmetern verbunden ist…

_DSC0935

Ich hasse diese fiesen Teilchen, aber heute fallen sie mir gar nicht so schwer. Und ich weiß jetzt auch warum: dieses stupide „Immer weiter höher und irgendwann nach 5 Stunden ist man dann auf dem Gipfel“ geht mir echt auf den Senkel. Hier ist das anders. Immer mal wieder gibt es einen Schleichweg zu entdecken. Der führt dann hinunter an den Fluss, zu einer anderen Perspektive oder, und das war hier das Allerschönste, in eine tolle Höhle. Da schrubbt man am Ende viel mehr Höhenmeter, aber es ist nicht so langweilig.

_DSC0914-Bearbeitet

Ganz oben angekommen, haben wir sogar das Glück, dass um diese Uhrzeit der Sonnenstand einen kleinen Regenbogen zaubert

_DSC0938

.

Wer jetzt, nach 120 Höhenmetern, immer noch nicht genug hat, kann weitere 3km und fast ebenso viele HM überwinden und noch zu den „Inkpots“ wandern. Ich hab nicht genug und oben angekommen muss ich gestehen, das Geschnaufe hat sich gelohnt. Die Inkpots sind so kleine Teiche aus den ganz sachte Blubberblasen aufsteigen, die nach oben hin in glänzende Perlen zerplatzen. Der Boden ist sandig  und durch die Bewegung wabert der Sand wie dünner Seidenstoff. Dazu noch die wunderbar blaue Farbe… das hat was Meditatives und ich könnte da stundenlang zuschauen.

Am Fluss daneben kann sich der müde Wanderer die Füße kühlen und die Landschaft bewundern. (verzücktes „Hach!“)

_DSC0956

Wieder auf halber Strecke angekommen hat sich der Andrang an den Falls vervielfacht und ich glaube, wenn ich jetzt erst gestartet wäre, hätte es nur halb so viel Spaß gemacht. Die schmalen Stege sind echt voll und was hier alles so hochgeschleppt,-geschoben, -getragen, -gezerrt wird… neben Kinderwagen, Rollstühlen, verschiedensten Hunden ist es vor allem auch das Schuhwerk, was mich sprachlos macht. Da ist von Badelatschen bis zu Absatzschuhen so ziemlich alles dabei… Trotzdem, scheene wars!

_DSC0970

Jetzt ist es Mittagszeit und auch ganz schön warm – hatte ich erwähnt, dass ich schon tagelang gnadenlos blauen Himmel hab 🙂 ? – und ich mache erst mal eine Pause mit genüsslicher Dusche und leckerem Essen und … ja … ner gepflegten Runde Mittagsschlaf 😉

 Als es dann auf dem Campground wieder voller wird, starte ich meinen Camper und mache mich auf den Weg nach Banff. Das ist hier die touristische Hochburg, die namensgebend für den gesamten Nationalpark ist. Am Tag kriegen mich dort keine zehn Pferde hin, aber jetzt hoffe ich doch auf ein bisschen weniger Andrang an der „Gondola“.

IMG_4487

Die überwindet für einen saftigen Ticketpreis 700 Höhenmeter in 8 Minuten … so mag ich das!! Und ich kann dabei auch noch die Aussicht auf das pomfortionöse Banff Springs Hotel genießen.

IMG_4490-2

Und der Ausblick oben ist grandios.

_DSC0975

Im voll ausgestatteten Ankuftsmultifunktionsgebäude befinden sich neben einem Cafe, ein Restaurant, ein Bistro, ein Schnulliladen, eine Ausstellung, ein Kino mit Kurzfilm über Banff, mehrere Terassen… uvm. Da kann man schon mal vom stressigen Aufstieg am Feuerchen entspannen 😉

_DSC0978

Oder man läuft über die Holzplanken zum Sansons Peak mit der kleinen Wetterstation. Das eröffnet immer weitere grandiose Ausblicke und ich denke bei mir: „Geld kann man auch für blödere Sachen ausgeben!“

_DSC0982
_DSC1031
… irgendwie auch eine Art von Selfi 🙂
_DSC1022
_DSC1018
_DSC1014-2

Eigentlich wollte ich den Sonnenuntergang hier oben erleben, aber das dauert noch 2 Stunden und so entscheide ich mich für die Vermillions Lake Road. Mehrere Fotografen haben sich schon in Erwartung einer schönen Abendstimmung dort versammelt und lassen sich auch von der großartigen Mückenversammlung nicht in die Flucht schlagen. Und das mit gutem Grund:

Ein junger Franzose erzählt mir noch, dass man hier auch nachts den Sternenhimmel mit Milchstrasse gut fotografieren könnte. Klingt verlockend, aber als 22:30 die Dunkelheit immer noch nicht ausreicht um einen grandiosen Sternenhimmel zu sehen, mache ich mich müde und zerstochen auf den Heimweg. Ich hab ja noch fast 30 km. Nachts halb 12 durch den „Urwald“… wenn mir jetzt ein Bär, ein Elch oder sonstwas vors Gefährt springt… aber keine Panik – alles gut. Kurz nach Mitternacht krabble ich in die Koje und bin erledigt, aber glücklich.

4 Gedanken zu „Nachts halb 12 im Urwald“

  1. 🤔 Du hättest auch Fotografin werden können 📷
    Ich bin beeindruckt. Der Regenbogen……….. 👍🏻u.s.w. 👏
    Und du schreibst das auch alles so, dass man glaubt, man wäre dabei gewesen ☺Super Reiseberichte

  2. Wow, wow und nochmals wow… Susi hat Recht, liebe Marion. Fotografin oder Reisereporterin wären auch Berufe für dich…. Das Regenbogenbild und die Sonnenuntergangsbilder sind besonders beeindruckend. Würdest du einen Fotoband veröffentlichen, ich würde ihn kaufen… Ich bin in Gedanken bei dir und wünsche dir weiterhin viel Spaß…

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert