Wir schlafen wunderbar – Sarah hat mir das King-Size-Bett überlassen – aber gegen 7:00 müssen wir raus. Ich habe überall gelesen, dass man das beste Frühstück der Stadt bei „Mama`s“ bekommt und das wollen wir uns nicht entgehen lassen. Also stapfen wir siegesgewiss los und sind gegen 7:45 bei Mama. Da sieht es um diese Zeit aber schon so aus:
Hm, das kenne ich doch nur aus meiner Kindheit in der DDR…, aber wir sind brav und stellen uns hinten an. In meinem Reisführer las ich, dass es für die Menschen hier kein Problem ist, für gutes Essen auch mal anzustehen und das werden wir heute noch mehrfach erleben. Gleich vorn am Eingang zu „Mama`s“ ist der Washington Square und da tut sich ab kurz vor 8 Sonderbares. Asiatische Menschen, vornehmlich Damen ab 70 bewegen sich auf der Wiese und den Wegen in seltsam synchronen Abfolgen, kreisen die Arme, schütteln die Gelenke, massieren sich den Hals oder das Gesicht … Oft geschieht dies in Gruppen, manchmal mit Gegenständen wie Fächern bewaffnet, am Seltsamsten aber wirkt es, wenn jemand ganz allein sein Spielchen ausführt. Ich gehe näher an die Grüppchen heran und sehe: die chinesische Gemeinde bei der Morgengymnastik – ganz öffentlich, ohne Sportkleidung, teilweise noch mit dem umgehangenen Einkaufstäschchen und ausschließlich ältere Menschen. Komischerweise gibt es auch keinen eindeutigen Vorturner, alle scheinen die Übungsabfolge zu kennen und verziehen ärgerlich das Gesicht, wenn sie einen Fehler machen. Ich überlege laut, ob ich da mal mitturnen sollte, nehme aber wieder Abstand von dieser Idee als ich Sarahs Gesicht sehe…
Wir warten genau 90 Min. und dann werden wir in das kleine gemütliche Café eingelassen. Wenn Sonntagmorgen im „Stilbruch“ alle Tische besetzt sind, würde ich nicht warten – aber hier geht man wirklich erst wieder heim, wenn der Teller leer ist. So ist der Durchsatz höher und Mama kann 15:00 wieder schließen, weil sie genug verdient hat 🙂
An einer Theke stellt man sich wieder an und kann den Köchen beim Zubereiten der Pancakes, French Toasts, Omeletts und vieler anderer leckerer Dinge zusehen. Fantastische Kuchen und Rosinenbrote liegen in der Auslage, selbst gemachte Marmeladen und Fruchtsäfte werden angeboten und man weiß gar nicht was man bestellen soll. An der Kasse darf man dann aussuchen und bezahlen … „Kredticard? We only accept DEBIT!“ Waaaas?? Isss nich euer Ernst! Dieses doofe DEBIT ist mir hier schon öfter untergekommen. Ich muss zu Hause mal fragen, was das eigentlich ist und ob man das in Deutschland organisiert bekommt. Klingt eigentlich fast wie ec, ist aber wohl doch was anderes. – Da stehen wir hier nun schon fast 1,5 Stunden und dann sagt der uns ganz cool, dass ihm unsere Karte nicht gefällt. Ich suche und kratze zusammen – yeah – hier hast Du´s – cash – zum Glück! Und dann lassen wirs uns schmecken in „Mama`s“ wunderbarem Frühstückscafe:
Wir haben gehört das Samstag vormittags im Ferry Building am Embarcadero „Farmers Market“ sein soll. Das ist prima, denn die Märkte finde ich in jedem Land interessant, ob in Spanien, der Türkei oder Israel – dort zu beobachten was angeboten wir und wie die Leute einkaufen finde ich immer hochspannend. Auf dem Weg dahin laufen wir am Feuerwehrdepot vorbei und ich muss sagen: In Deutschland hebt mich dieses ganze Feuerwehrvereinsgetue überhaupt nicht an, aber das hier, das ist was anderes: blinkender Chrom, wunderbare Armaturen und jedesmal ein Ereignis, wenn so ein Teil an einem vorbeifährt. Kein Wunder dass sich die junge Lillie Hitchkock Coit Anfang des 20.Jhd. so für die Feuerwehr begeistern konnte, dass sie zum ihrem Maskottchen wurde, ihnen später 100000$ vererbte und ihr in SFO ein Turm gewidmet ist, der gerade leider renoviert wird und uns deshalb den genialen Blick auf die Stadt verwehrte.
Nur von vorn, aber vielleicht erwisch ich morgen auch mal die Schokoladenseite eines solchen Gefährts mit allem Drum und Dran:
Und dann machts uns richtig Spaß – auf dem Farmers Market gibt es so viel zu sehen und die Musiker spielen und die Leute sind entspannt und sie stehen wieder an – z.B. für Filterkaffe, bei dem für jede Tasse ein neuer Filter in einen altmodische Porzellan-Melitta-Filter eingelegt wird – oder für leckere Kekse, Früchte, Säfte… und über allem steht Ghandi und passt auf, dass es hier auch ordentlich relaxed zugeht:
Wir bleiben, schlendern, sitzen, naschen und genießen den Tag – genau das, was die San Franciscaner auch so gern tun.
Nun sind wir hier leider nur für 3 Tage – oder vielleicht auch zum Glück, denn was Geldausgabe und Kalorienzufuhr betrifft, kann man das hier nicht all zu lange durchhalten – und wollen natürlich noch ein bisschen mehr sehen. Haigh Ashbury, das alte Zentrum der Flower Power Bewegung interessiert uns sehr und wir setzen uns in eine der antiquarischen Trams und zuckeln für 2$ bis fast hinaus in die Haigh Street. Das ist nun richtig was für meine Tochter – ein Laden cooler als der andere: Klamotten und Accessoires aller Stilrichtungen Punk, Metal, Gothic, Indienstyle, Flower Power…, Kunst, Tattoo, gemütliche und düstere Kneipen und vieles mehr, was das Herz eines Jugendlichen begehrt. Aber auch ich fühle mich wohl und verbringe mehr als eine Stunde bei der Anprobe in einem dieser Läden.
Mich begeistert allerdings mehr der Baustil der Häuser. Vor allem die „Painted Ladys“ am Alamo Square sind bekannte Beispiele für diesen victorianischen Stil, aber es gibt hier an jeder Straßenecke kleine Wunderwerke zu finden, die man gar nicht alle fotografieren kann. Am Alamo Square dann das was dieLeute hier an Wochenenden wahrscheinlich immer tun, wenn das Wetter mitspielt – und das tut es in California wahrscheinlich öfter: draußen sitzen, mit Freunden schwatzen, essen und die Stadt genießen:
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Alamo Square |
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Haigh Street |
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Haigh Ashbury |
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Seitenstraße der Haigh Street |
Wir schlendern also wieder in Richtung Hotel, setzen uns, als wir merken, dass es doch ganz schön weit ist in einen Bus und landen am Pier 39 Fishermans Warf – nun ja: Da stehen wir nun nicht so drauf – Touristen Nepp vom Feinsten und am Samstagabend Menschenmassen und deshalb verziehen wir uns schnell wieder in „unser“ North Beach zum Italiener und beschließen den Abend bei Bruschetta und nem leckren Apfel Walnuss Salat. Komischerweise kommen uns viele voll schicke Menschen entgegen und Sarah fragt den Kellner ob heute irgendwas Besonderes los sei. Ja irgendein Event wird schon sein, aber er sei ja nicht eingeladen und deshalb wisse er es nicht so genau… 🙂 Wir sind ganz schön müde, aber war das nicht ein wunderbarer Tag?! So kann es bleiben!!!!