Die Nacht war fantastisch in dieser Abgeschiedenheit neben der Abtei. Außer uns stehen am Morgen noch drei Camper da – es ist schließlich erst Nebensaison, da geht später sicher mehr.

Meine kleine Hundedame hat immer noch Probleme, morgens in die Spur zu kommen. Sie weckt mich zwar nicht mehr wie zuhause spätestens 6:30, das ist super, ich darf bis fast 8:00 schlafen, aber sofort noch dem Augenaufschlagen ist Panik angesagt. Ich geb ihr Zeit, beruhige sie und wir drehen die erste Runde, danach wirds besser. Die Gründe sind mir völlig schleierhaft.
Wir sind nun also in Wales und so wie Schottland oder Irland hat dieser Landstrich sich eine gewisse Eigenständigkeit bewahrt. Das merkt man zuerst an der Sprache. Alle offiziellen Schilder sind zweisprachig: Englisch und Walisisch, was eigentlich Kymrisch bedeutet, denn Cymru ist die originale Bezeichnung dieses Landstrichs. Kymrisch ist mit mehr als 1500 Jahren eine der ältesten Sprachen Europas und gehört zu den keltischen. Das Klingonische in Star Trek, aber auch das Elbische aus Tolkiens Romanen soll davon beeinflusst sein. Obwohl nur noch etw 600000 Menschen die Sprache beherrschen, sind das anteilig wohl doch mehr als in Schottland oder Irland, wo auch verwandte keltische Sprachen wieder im Kommen sind. Auch der Rote Drache lässt das Herz der Nation höher schlagen und befindet sich seit 1959 auf der grün-weißen Flagge. Er symbolisiert die Kraft der Waliser, die die Engländer (den weißen Drachen) geschlagen haben.
Also: Croeso y Gymru – Willkomen in Wales
Nach dem gemütlichen Frühstück starten wir in Richtung Chepstow Castle. Das sind die imposanten Reste einer normannischen Festung, die 1070 erbaut und dann 600 Jahre lang bis zur Zerstörung bewohnt und immer wieder verändert wurde.

Auf eine Anhöhe über dem Wye thront diese terrassenförmig angelegte Burg unweit der Mündung und diente so als Absicherung der Grenze von Wales, hat also neben dem Drachen wichtige Aufgaben im Kampf gegen die Feinde übernommen. Besonders beeindruckend ist für mich die mit 800 Jahren älteste Tür Europas. Bis 1962 verschloss sie als Haupttor den Burgeingang und genießt jetzt in einer Seitennische den Ruhestand. Wer da wohl schon alles geklopft hat?





Weiter gehts in Richtung Cardiff, seit 1955 Hauptstadt von Wales. Das Schloss muss sehr schön sein, aber ich habe keine Lust auf Stadt und möchte Luna ungern allein lassen. Deshalb entscheide ich mich für das St. Fagans National Museum of Histories, ein Freilichtmuseum am Rande Cardiffs, in dem Hunde erlaubt sind. Jeder walisische Schüler hat wohl mindestens einmal an diesem Ort vorbeigeschaut, behauptet jedenfalls mein Reiseführer und auch heute sind wieder einige Klassen unterwegs. Die Idee ist, alte Häuser aus ganz Wales zusammenzutragen und gemeinsam wieder aufzubauen. 60 einzigartige Gebäude aus verschiedenen Epochen sind so vereint und dazu kommt noch das St. Fagans Castle aus dem 16.Jhd., das sowieso schon hier stand.

So lerne ich die Begriffe Cockpit und Tollhaus doch noch einmal ganz neu kennen. Dieser Rundbau hier ist also ein Cockpit. Extra für Cockfights (Hähnenkämpfe) wurde er erbaut und diente nach deren Abschaffung erst als Schlachthaus und dann als Garage. So vielfältig lassen sich heutige Cockpits nicht verwenden. Ob da wohl auch manchmal „Hahnenkämpfe“ drin stattfinden?


Das Tollhaus ist natürlich keine Irrenanstalt … obwohl … sondern ein Tollhouse (Zollhaus), sozusagen ein Finanzamt – also doch… – und die Steuergesetze passten leider auch damals nicht unbedingt auf einen Bierdeckel.



Außerdem gibt es z.B. noch ein komplettes Workmens Institute (Berufsschule), eine Bäckerei, die sogar Brot anbietet, eine Minikirche, ein Hotel, einen Gemischtwarenladen und eine Schmiede.






Wir laufen zum kleinen Castle mit hübschem Gärtchen. Kaum Menschen verirren sich in diesem Teil und man merkt dem Anwesen vor allem bei den Gewächshäusern an, dass finanzielle Unterstützung vonnöten ist.


Auch der Buchsbaumzünsler ist den hiesigen Gärtnern sicher ein Begriff:

Nach den fantastischen Gärten, die ich in den letzten Tagen gesehen hab, lässt mich der eher kalt und wir nehmen bald die nächste Abbiegung zurück zum Parkplatz.

Leider darf man mit Hund nirgendwo hinein, weshalb ich nichts Genaueres berichten kann, aber für den ersten Eindruck und die Einstimmung auf die walisische Kultur war es ganz schön. Allerdings habe ich solche Art Museum auch schon liebevoller und mit umfangreicher gestalteten Details gesehen.
Nun ist die Frage Wasser oder Landschaft? Die Antwort lautet: beides. Im Porthkerry Country Park kann man das haben. Westlich von Barry zieht dieser sich durch Wiesen und Wälder, am Bächlein Nant Talwg hin bis zur Dams Bay. Herrlich ist es an diesem Ort. Wir nehmen den Waldparkplatz und es gibt Quality-Time fürs Hundetier, ein kleines Mahl und einen besonderen Luxus: Mittagsschlaf.




Bis zum Strand sind wir nicht gekommen, weil man da nicht übernachten darf. Deshalb versuche ich es an einem anderen Ort ganz in der Nähe: dem Cold Knap Beach. Und tatsächlich gibt es dort direkt am Bristol Channel die Knap Car Terrace, eine kleine Uferstrasse, auf der man kostenlos stehen und sogar übernachten darf. Vier andere Camper und ein paar Angler wussten das auch und ab und zu kommen noch Abendgäste vorbei, aber es bleibt gemütlich. Wir wandern noch ein Stündchen bei Ebbe am Strand entlang, genießen dann unseren Rundumblick zum Wasser und betten unser müdes Haupt auf die bequemen Kissen des Dicken.


Einziger Makel: kein Internet. Und so wird der geneigte Leser wohl noch ein bisschen warten müssen.

Es stürmt und regnet – ich wache auf und kann nicht aufstehen. Lunas Kopf liegt schwer auf meiner Brust und sie schläft tief und fest – es ist 9:00 und ich kann mich nicht erinnern, wann ich in den letzten 6 Jahren, seit sie bei mir ist, jemals so lange geschlafen habe.

Aber bei dem Sauwetter ist das ja wohl auch nicht so schlimm. Wir lassen uns Zeit, trainieren ein bisschen morgendliches Beruhigen im Womo – was mit einem ziemlichen Berg Leckerli auch ganz gut gelingt und dann drehen wir – bei nachlassendem Sprühregen – eine wunderschöne Runde am Strand.



Die Ebbe hat Sandbänke freigelegt und so müssen wir nur kurz über die dicken Kiesbänke. Luna ist fröhlich und entspannt, jagt Möwen und sogar auf einen Schwan ist sie draufgehopst, aber der scheint das gewöhnt zu sein und schüttelt sie einfach ab.


Bei andauerndem Regen fahren wir weiter über Swansea zum kleinen Örtchen Mumbles. Das ist ein historisches Seebad am Eingang zur Halbinsel Gower. Aber heute ist es scheinbar eine ziemliche Baustelle. Die komplette Promenade ist aufgebaggert. Am Ende des Örtchens ragt am historischen Pier der Felsen Mumbles Head in den Bristol Channel. Oben drauf thront ein kleiner Leuchtturm.



Bei gutem Wetter soll sich hier die ganze Stadt tummeln, aber heute sieht man noch nicht mal Swansea auf der anderen Seite der Bucht und mein Handy hat Probleme, bei dem Sprühregen auf der Linse scharf zu stellen. Wahrscheinlich war auch die berühmte Tochter der Stadt in ihrer Kindheit oft hier: Catherine Zeta-Jones – die Schauspielerin – ist hier geboren. Berühmte Waliser gibt es noch mehr: Batman-Darsteller Christian Bale, Shirley Bassey, Laura Ashley, Georg Everest, Anthony Hopkins, Tom Jones und der Nationaldichter der Waliser Dylan Thomas, dessen Bootshaus ich besichtigen möchte.

Wir suchen uns einen Parkplatz am Wasser und da hier mal ausreichend Netz ist schreibe ich einfach meinen Text, schau aufs Wasser und freu mich, dass es heller wird und man doch langsam Swansea erkennt.
Unser nächstes Ziel steht schon fest: Rhossiliy Bay – der schönste Strand der Umgebung und Sieger der Wahl zum besten Picnic-Spot Englands. Wenn das nichts ist 🙂
Wieder ein toller, erlebnisreicher Tag… Mit Lunchen, das ist wirklich ulkig. Vielleicht erschnuppert / wittert sie gerade vollkommen neue, unbekannte Gerüche? Gut, dass du sie immer beruhigen kannst…
Das mit der ältesten europäischen Tür ist wirklich cool. Solche Fakten beeindrucken mich auch immer wieder…. Dieses Freilichtmuseum mit den verschiedenen alten Häusern hätte mich auch interessiert. Ein bisschen wie die Bauernhäuser in Rudolstadt, zumindest von der Idee her…
Liebste heimatliche Grüße!
Ja genau, mich hat es auch an unsere Freilichtmuseen erinnert. Die alte Tür war wirklich beeindruckend und man sah dem Holz schon an, dass die Jahrhunderte und die Nutzung es glatt geschliffen hatte wie das Wasser es bei Treibholz tut. Herrlich sich vorzustellen, was diese Tür schon alles erlebt hat 😃