Zerbrechliches Paradies

Das Wochenende war wunderbar. Alle werdenden Kräuterpädagogen hielten der Affenhitze stand und wir haben wieder viel gelernt, ausprobiert, erlebt und bestaunt. Wisst ihr, was Zeigerplanzen sind? Hier haben wir sie mal nach Lebensraum sortiert und die markierten Kräuter, das sind die Anzeiger für das jeweilige Biotop.

Kaum zuhause lege ich los: Womo packen, Hund zum Tierarzt, Britische Pfund abholen, … nichts vergessen? Ehrlich: Die Vorbereitung ist der schwierigste Teil der Reise. Mein Start wird dann erst einmal ein kurzer Fehlstart ;). Zum Glück kontrollieren mein Nachbar Fred und Paps nochmal alle Lichter am Womo und der Scheinwerfer vorne links macht keinen Muks. Na das fängt ja super an! Aber mit dem richtigen Werkzeug haben die beiden das schnell erledigt und die neue Glühlampe ist eingebaut.

Gegen 17:00 – bei abklingender Hitze – starten wir in Richtung Möhnesee. Den Übernachtungsplatz vom letzten Jahr möchte ich ansteuern und komme ohne Probleme ganz gemütlich durch. Nur die Temperaturen wollen nicht abklingen.

In diesem Jahr fallen mir allerdings die LKWs auf. Es gibt kaum einen Parkplatz an der Autobahn, auf dem sie nicht bist auf den Standstreifen der Auf- und Abfahrten parken. Einige bleiben auch liegen oder parken wild auf Wiesen oder PKW-Raststellen. Nicht nur, dass sie wie ein nicht enden wollender Güterzug meinen Weg begleiten, ich finde manchmal kaum eine Lücke zum Überholen, sie scheinen auch keine Möglichkeit zu haben, die vorgeschriebenen Ruhezeiten halbwegs sicher einhalten zu können. Zum Schutz hängen die Fahrer ihre Warnweste an das Heck ihrer Gefährte…oft genug ist das schon schief gegangen.

Gegen 23:00 kommen wir am Möhneturm-Parkplatz an und haben eine wunderbare Nacht.

Der nächste Tag beginnt mit einer Wanderung. Möglichst zeitig, die Luft ist noch kühl, machen wir uns auf den Weg. Wie schon im letzten Jahr, sind die Waldbestände gelichtet. Den Möhne-Turm lassen wir rechts liegen und wandern gleich drauflos. Ein eigens errichteter Klangwald erinnert an die Schäden, die 2007 der Wirbelsturm „Kyrill“ hier angerichtet hat. Weht der Wind aus einer besonderen Richtung, erklingen die Instrumente in schauerlich schönem Misklang.

Klangwiege

Auch in meinem Leben hat „Kyrill“ damals einiges durcheinandergewirbelt… naja, nicht direkt er, … und ich denke über die Zeit seither nach. Vieles war neu und ungewohnt, doch ich bin auch sehr dankbar für die Dinge, die sich seither in mein Leben geschlichen haben. „Veränderungen sind am Anfang schmerzhaft, in der Mitte chaotisch und am Ende wunderschön.“ Diesen Kalenderspruch habe ich unter anderem am vergangenen Donnerstag meinen Realschülern vorgelesen, als sie ihre Abschlusszeugnisse in Empfang nahmen und wenn ich von meinen Erfahrungen ausgehe, dann kann ich sagen: Genau so ist es ! 🙂

Während ich so sinnierend und ganz entspannt du den einsamen Wald wandere, Luna ab und zu etwas erschnuppert, die Gräser duften und die Himbeeren in dicken Trauben an den Sträuchern hängen, merke ich, dass ich mitten in einem Friedwald stehe. Wunderschön ist es hier, ganz natürlich und ruhig, nur das Rauschen der Blätter und Knistern der Äste auf die wir treten ist hier zu vernehmen.

Wir laufen am See entlang und ein Sprung ins kühle Nass gibt zumindest Luna ihre Lebensgeister zurück. Ich tappe weiter durch die zunehmende Hitze und komme am Jagdschloss der Freiherren von Donner vorbei. Leider ist es auch heute noch im Privatbesitz un man kann nur über den Zaun lugen.

Erbaut im Jahre 1891, bekam es im Laufe weiterer Umbaumaßnahmen 1911 sein heute noch erhaltenes Aussehen. Im umliegenden Waldgehege wurde ein Wildpark angelegt und seltene Tiere für jagdlich ambitionierte Adlige gehalten. Die Jagd diente dann zur Repräsentanz der Macht und zum Vergnügen des Adels und man lud regelmäßig dazu ein..

Auf dem Rückweg sammle ich noch Himbeeren satt. Etwas mühsam ist das schon, aber gemischt mit den letzten Blaubeeren von zuhause ergibt das ein frisches Mittagsmahl.

Hier kann man die Runde nachwandern.

Gegen 12:00 startet der Dicke und rollt bis zur Staumauer. Die hatten wir im letzten Jahr nicht angeschaut und bemerken heute, dass der Wasserstand beachtlich ist. Dort wo im letzten Jahr noch Sonnenanbeter im Sand (na ja eher Dreck) lagen, steht heute das Wasser. Hier erinnert auch ein kleines Denkmal an die Opfer der Bombardierung der Mauer im 2. Weltkrieg.

Nun muss ich aber auf die Piste. Noch fast 500km bis Calais und die Temperaturen steigen. Besonders im Ruhrgebiet macht das Fahren so überhaupt keinen Spaß. Alles was man sich nicht wünscht, scheint es hier zu geben: Dreck, Baustellen, Enge, Raser, kaputte Fahrbahnen… aber es gibt auch ein Schild am Gasometer in Oberhausen, direkt neben der Autobahn, das mein Herz höher schlagen lässt: Austellung „Das zerbrechliches Pardies“ bis November verlängert.

Hier ist das?!… Genial!!… Seit ich 2021 die Regenwald-Ausstellung mit meinen Schülern gemacht habe, würde ich gern hierher. Aber die Entfernung hinderte mich. So kaufte ich mir den Ausstellungskatalog und schaute mir Videos im Internet an. Diese Chance kann ich mir also nicht entgehen lassen und nehme die nächste Abfahrt. Auf die Umweltzone muss jetzt hier mal gepfiffen werden. Kaum einen Kilometer muss ich bis zum großen Parkplatz am Gasometer hineinfahren… und dort steht doch was mit Womos frei… oder??

Nun gibt es nur noch ein Problem: Luna. Die mehr als 30 Grad können sich innerhalb eines Autos rasch mal verdoppeln… was nu? Ich lass die Fenster offen und geh zum Kassenhaus fragen, ob man Hunde vielleicht mitnehmen kann. Fünf junge Leute sitzen am Tresen und erklären mir, dass das leider nicht gestattet ist. „Hätte dann vielleicht jemand von Ihnen Lust, auf eine ganz liebe Hündin aufzupassen…?“ Frage ich etwas zaghaft und ohne große Hoffnung auf Erfolg. Vier von den jungen Leuten meinen, das wäre nicht erlaubt, gehöre ja auch nicht zu ihrem Aufgabengebiet und so… na ja, hab ich mir schon gedacht…doch ganz links sitzt einer, der einlenkt… „Naja, was ist es denn für ein Hund?“ Man könne ihn doch nicht im Auto lassen… und tatsächlich erklärt sich der junge, freundlich Mann bereit, auf Luna aufzupassen. ich hole Hund, Wassernapf und Leckerlie, spendiere 5 Euro für die Kaffeekasse und strahle meine Retter an. „Sie sind der Erste, der das macht… bisher hatte ich noch nie Erfolg mit dieser Frage. Danke!!!!“

Und dann genieße ich entspannt die wunderschöne Ausstellung im alten Industriebau.

Auf drei Etagen sind hier Fotografien, Videos, Installationen zum Thema Erde vereint. Zuerst wird die Schönheit gefeiert. Hier auf dem Bild von Giuseppe Mario Famiani sieht man die geballte Kraft und des Ätna bei seinem Ausbruch 2015.

Tim Laman stellt sein Foto eines jungen Orang Utans aus, der 30m über dem Waldboden an einer Würgefeige klettert. Die Kamera platzierte er dazu mit Fernauslöser in dem Baum, nachdem er das Tier mehrere Tage beobachtet hatte.

„Sie schwimmt um ihre Leben“. So hat Solvin Zanki sein Bild der kleinen Oliv-Bastardschildkröte genannt, die am Morgen gerade erst am Strand von Costa Rica aus dem Ei geschlüpft ist und nun mit ihren ca. 6cm Körpergröße im Meer überleben muss.

Auf dem Bild „Eierdieb“ von Sergey Gorshkov flitzt ein Polarfuchs in Ostsibierien durch den Schnee. Die Ankunft der Schneegänse ist für die Füchslein der Startschuss für ein Festmahl, denn Gänseeier sind eine Delikatesse.

Auch die „Wunderkerzen im Cerrado“ von Marcio Cabrai lassen den Besucher erstaunen. Diese Blüten einer Wildblume erstrahlen im Schein der untergehenden Sonne und wirken hier im Gasometer durch den großen Glasprint besonders farbenfroh.

Aber dieses Paradies ist bedroht und deshalb widmet sich der zweite Ausstellungsteil diesem Thema. Erschreckende und verstörende Bilder zeigen den Wandel, die Ausmaße unserer Umweltzerstörung. Nicht nur dies ist deprimierend, sondern auch, wie lange wir schon wissen, was wir tun und nichts ändern…

Plastikgefängnis von John Cancalosi

Manche Fotografen habe allerdings auch ein Augenzwinkern auf die Veränderungen im Gepäck.

Das Highlight befindet sich allerdings im dritten Stock des Gasometers. In dem 100m hohen Luftraum des Gasometers hängt eine riesige Weltkugel mit einem Durchmesser von 20m. Hochaufgelöste Satellitenbilder werden durch mehrere Projektoren darauf aufgebildet und wir sehen die Erde aus der Perspektive eines Astronauten.

Aber auch Ozeanströmungen, Temperaturunterschiede, Flugverkehrslinien und die Entstehung der Kontinente sind animiert. Ein ca. 10 minütiges Programm lässt uns staunen und auf Kissen liegend in einer Art Amphitheater die Zeit vergessen.

Läuft man um die Erde herum, geben kleine Bildschirme zusätzliche Erläuterungen. Außerdem kann man mit einem Fahrstuhl noch weitere 7 Stockwerke nach oben fahren und den Planeten in der Draufsicht sehen.

Diese fantastische Installation lässt kaum einen kalt und man fühlt sich ein bisschen wie die Astronauten der Apollo 8, die am Heiligabend 1968 dieses Bild machten, dass den Blick der Menschheit auf ihren Planeten veränderte und zur Ikone wurde. „Wir sind den ganzen weiten Weg gereist, um den Mond zu erforschen. Und was wir tatsächlich entdeckt haben, war die Erde.“, sagte der Fotograf Bill Anders nach diesem Erlebnis.

„Earthrise“ NASA 1968

Ganz beseelt komme ich zum Ausgang zurück und nehme meine Luna von einem fröhlich lachenden jungen Mann in Empfang. Beide hatten viel Spaß miteinander, Luna bekommt ein Lob für gute Erziehung und so war es doch das Paradebeispiel einer Win-Win-Situation. Leider haben wir uns geeinigt, kein Foto zu machen, denn er hat ein bisschen Angst, dass sein Arbeitgeber davon erfährt… Eigentlich gehört sich für ihn eine Sonderprämie, denn erstens wäre ich sonst nicht reingegangen und zweitens spricht das doch absolut für die Firma. Toll gemacht, junger Mann!

Nun wirds noch ein bissl anstrengend, fahren, Übernachtungsplatz suchen….aber gegen 23:00 Uhr kommen wir nach zwei Fehlversuchen am Strand (die beliebten Höhenbegrenzer sind wieder aufgebaut) dann doch noch auf einem schönen Picknickplatz zum Übernachten an.

Herrliche Ruhe – Licht aus – Frühstück – Morgenrunde – Fähre 10:35 – Blog schreiben unter Deck und bald legen wir im Vereinigten Königreich an. ich freu mich 🙂

11 Gedanken zu „Zerbrechliches Paradies“

  1. Liebe Marion, es ist schön, in deinem Blog wieder deine Reise verfolgen zu können. Ich freue mich darauf und wünsche dir und Luna eine tolle Zeit. Wir probieren in diesem Jahr auch Womo-Urlaub und wollen nach Norwegen, wenn möglich bis auf die Lofoten. Liebe Grüße Kordula

  2. Liebe Marion,
    ein ganz toller Einstieg zu Deiner Reise!
    Wir wünschen Dir noch viele schöne Erlebnisse und freuen uns jetzt schon ein bisschen dabei zu sein😊.
    Bis bald- liebe Grüße an Lulu🐶
    von Elisabeth, Magdalena und der gesamten Bande🥰

    1. Liebe Grüße zurück an die Bande, schön, dass ihr wieder dabei seid und vielen Dank für die Leckereien. Das Dosenbrot ist megalecker und die Nudeln heb ich mir für einen besonderen Moment auf 🙂 Seid herzlich gegrüßt 🙋🏻‍♀️🐶

  3. Liebe Marion, auch ich freue mich wieder dich auf deiner Tour lesend begleiten zu können.
    Ich wünsche dir und Luna eine tolle Zeit und viele wunderbare Momente, die du mit „den Lesern“ teilen kannst.
    Bis bald mal, vielleicht beim Chor? Sylvia

    1. Liebe Sylvia, lieben Dank für die Grüße und ganz viel Spaß beim Lesen. Gerade stehen wir in Dover auf dem Kreidefelsen, schauen auf die Schiffe im Hafen und lassen die Seele baumeln. Herzliche Grüße zurück

  4. Liebste Marion, ich habe mich sehr auf deinen Blog gefreut, weil es immer ein bisschen wie dabei sein ist. Du schreibst herrlich anschaulich und machst tolle Bilder. Danke für diese wunderbaren Impressionen! Die Ausstellung in Oberhausen ist echt mal ein Tipp…. Ich wünsche dir eine gute Überfahrt und ein freundliches Ankommen in England. Lieben Knuddler an dich und Lunchen

    1. Danke meine Beste und man ch freue mich, dass du auch wieder mit dabei bist. Gerade sitzen wir und chillen auf den Kreidefelsen von Dover… hier gibts völlig neue Erfahrungen für uns: Schauer und Temperaturen unter 30 Grad 😜 Liebe Grüße in die Heimat 🙋🏻‍♀️🐶

      1. Liebe Marion,
        es ist wieder so schön deine Reise/Erlebnisse/
        Impressionen…mit zu verfolgen. Einfach toll wie du schreibst!
        Ganz liebe Grüße aus Kühlungsborn
        Karena

  5. Guten Morgen Marion
    ich bin ganz begeistert von deinem Blog und freue mich darauf dich zu begleiten.
    Du hast eine wunderbare und kurzweilige Art zu schreiben und deine Bilder sind fantastisch.
    Ich wünsche dir eine stimmungsvolle Reise mit vielen Naturerlebnissen und interessanten Begegnungen. Bis bald im September Sabine🙋‍♀️🌻

    1. Liebe Sabine, schön dass du mit dabei bist und es dir gefällt. Das Tausengüldenkraut wurde auf dem Dover Kreudefelsen von floraincognita identifiziert 😉 Ein Bild stelle ich in die Gruppe und wenn ich noch eins finde, bringe ich es dir mit 👍 Liebe Grüße

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