Rote Hügel

15 Millionen Liter reinsten Schottischen Single Malt Whiskys gehen jedes Jahr verloren. Warum? Sie verdunsten einfach. Der Hauptanteil an der Geschmacksbildung liegt bei den Fässer in denen das Getränk reift. Eichenfässer zumeist. Sie haben die wunderbare Eigenschaft, dass sie Flüssigkeiten nicht hinauslassen, Luftzufuhr und Verdunstung sind allerdings möglich. Und so kommt es, dass z.B. in diesem Fass, abgefüllt in der Glenfiddich-Brennerei im Jahre 1957, nur noch ein Viertel der Flüssigkeit vorhanden ist (Siehe Markierung) – der Rest des edlen Gesöffs ist einfach verdunstet.

Nun fragt man sich, was wohl ein Schluck aus diesem Fass, des Glenfiddich Jahrgang 57 kostet. Für eine ganze Flasche müsste man laut Auskunft des Tourguides 400.000 Pfund hinlegen, der Schluck also um die 1000 Pfund.Kkeiner der anwesenden Schätzenden kommt auf diese utopische Summe und ich frage mich, was denn nun in den nächsten Jahren mit dem Inhalt des Eichenfasses wirklich passiert? Kauft das jemand, verdunstet es weiter vor sich hin….??? Wer weiß?

Ich habe also doch noch einmal an einer Destille angehalten, einfach, weil sie so schön aussehen, diese Brennereien, eine hübscher als die andere. Außerdem begegnen sie einem hier auf Schritt und Tritt, sogar mitten im Wald. Luna hat gerade noch die letzte Rebhunhjagd zu verdauen – zack schon wieder eine…

Am Weg findet sich auch noch ein anderes Gewerbe: die Speyside-Cooperative. Für die besonders vielen Destillerien, die sich in der Nähe des Flusses Spey gegründet haben, werden hier die richtigen Fässer produziert. Man könnte auch dabei zusehen, aber erst wieder 12:00, das ist mir zu spät und ich fahre weiter zur Glenfiddich-Destille.

Das sind die bei Glenfiddich schneller. Nach nur 20 Minuten habe ich eine Führung erwischt und schon kannst losgehen in wahrscheinlich DER Brennerei überhaupt. Das ist übrigens eine Firma, die seit Beginn an familiengeführt ist und darauf ist man auch mächtig stolz.

Das Gründerehepaar wurde in Bronze verewigt und warum sitzt Miss Grant? Ganz einfach – sie war größer als Mister Grant.

Auch hier sind die Zutaten gleich und die Rezepte nicht anders, allerdings lässt man Malzen und macht diesen Schritt nicht mehr selbst.

In den Washback schäumt und gärt es. Würde man hier kosten, dann tränke man eine Art Starkbier.

Seit 2019 hat die Destille ein neues Brennhaus errichtet und schafft damit 10.000.000 Millionen Liter im Jahr – der umfangreichste Ausstoß in ganz Schottland. Damit ist sie die erfolgreichste und bekannteste Brennerei weltweit. Wir betreten also die ”Kathedrale des guten Geschmackes” und dürfen nur bis an den ersten Behälter herantreten. Weiter gehts nicht und auch Fotos sind nur von hier erlaubt…

Auch heute für mich der schönste und beeindruckendste Ort: die Warehouses. Da liegt das älteste vorhin beschriebene Fass. Was mich verwundert ist, dass in meinem Reiseführer steht, ein Whisky können bei zu langer Lagerung im Fass seinen geschmacklichen Höhepunkt überschreiten und zu sehr nach Holz schmecken. Zwischen 10 und 20 Jahren wäre optimal… Die Jahre, die er dann in der Flasche zubringt, werden im Übrigen nicht mitgezählt, denn da bleibt das Aroma stabil (wenn die Temperatur stimmt und kein Sonnenlicht den edlen Tropfen zerstört). Andererseits sind wir ja bei dem hier schon weit über die Zeit. Das kann mir sicher ein Experte unter euch erklären, zu fragen war ist zu feige…

Was ich auch nicht wusste: Es ist ungleich preiswerter, den Whisky in Burbon-Fässern zu lagern. Die bekommt man schon für 200 Pfund das Stück. Sherry-Fässer sind ungleich teurer, weil heute kaum noch einer Sherry trinkt. Die Produktion ist gering, also fallen auch nicht so viele gebrauchte Fässer an. Dafür legt man dann zwischen 1500 und 2000 Pfund pro Stück hin.

Neben den klassischen Sorten und Reifungsgraden muss sich jede Brennerei auch immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Und so gibt es hier eine Linie, auf der kein Alter steht: „Experiment“ steht auf dem Etikett und man weiß nie, was sich dahinter verbirgt. Hier mixt der Taste-Master verschiedene Sorten der Marke Glenfiddich, unterschiedliche Alter und Finish-Aromen zu einem neuen Geschmack zusammen. Trotzdem ist dies noch kein Blended-Whiskey, aber ein Marketinggeck, denn auch Whiskeys mit einem Jahr Reifung können drin stecken – so der Tourguides. Die Flasche kostet dann aber auch „nur“ 30 Pfund.

Vier Proben gibt es zu testen und ich nehme wieder die „Fahrer-Edition“ im kleinen Glasfläschchen. Mit Begeisterung höre ich allerdings dem jungen Mann zu, wie er vom Geschmack des Getränks schwärmt. Vanille, grüner Apfel, Annanas… und den 18 Jährigen beschreibt er mit „Christmas in a Bottle“. Das ist sehr schön und die junge Frau bei Glenmorangie hat das nicht so blumig rübergebracht. Toll, wer das wirklich so genießen kann!

Draußen auf dem Hof hat übrigens ein findiger Angestellter ein altes Washback-Fass und einen Oldtimer zu einer neuen Kombination zusammengebastelt. Nett sieht es aus.

Gleich neben dem Parkplatz der Destille ist eine alte Schlossruine zu besichtigen… oder besser gesagt geschlossen… wegen Baufälligkeit. Aber keinen stört es, wenn man trotzdem drin herumwandert. Früher kostete das mal 6 Pfund, heute musst du halt selbst das Risiko tragen, dass dir ein Stein auf den Kopf fällt.

Einen Tipp des Tourguides möchte ich aber noch gern umsetzen. Dufftown – sozusagen die Hauptstadt der Speyside-Whisky-Region – beherbergt einen Eisladen mit preisgekröntem Whisky-Eis. Na dann nix wie hin.

Dufftown – früher trug es den Namen Balvenie – ist eigentlich nur eine Kreuzung und in der Mitte steht ein Turm, der Clocktower von 1839. Die Glocke darin wird mit einem heimtükischen Spiel des Sheriffs von Banff in Zusammenhang gebracht und heißt im Volksmund „Glocke, die MacPherson erhängt“. Letzterer war nämlich um 1700 eine Art Robin Hood der Gegend – stahl den Reichen, gab den Armen. Als er dann gefasst und zum Tode verurteilt wurde, reichten die Bürger ein Gnadengesuch ein, das bis zu einer bestimmten Uhrzeit beantwortet werden sollte. Als das Schreiben noch unterwegs war, stelle der Sheriff und Todfeind McPhersons die Uhr eine Stunde vor und als die Glocke schlug, war dessen letztes Stündlein gekommen. Der Gnadenerlass kam zu spät.

Ich komme auch ein bisschen zu spät, denn die Eisdiele ist geschlossen – total zu wie es aussieht, aber beim genaueren Hinsehen erfahre ich: die sind nur umgezogen in ein kleines niedliches Cafe, was nebenbei noch Handgemachtes verkauft und eine herzliche Frauenrunde in seinen Räumen beherbergt. Sie sitzen im Kreis um einen Tisch, trinken Tee und haben Spaß. Ein einziger Mann ist dabei und alle freuen sich, als ich mir die Whisky-Eis-Sorte „Sweet & sexy“ auswähle. Wirklich lecker und mit echtem Whisky, wie die Verkäuferin betont – nicht nur Flavor… hat auch Prozente 😜

Wunderschön ist es hier, hügelig und im Sonnenlicht voll frischer Farben. Die Glenlivet-Destille lassen wir rechts im Tal liegen und rollen das Gelnlivet am River Livet entlang in Richtung Tomintoul. Kein wunder, dass in so schöner Landschaft, ruhig, idyllisch, gelassen und lieblich ein so wunderbares Getränk entsteht, das die Menschen schon seit Jahrhunderten begeistert. Mein Bedarf an Brennereibesuchen ist allerdings gedeckt, obwohl es hier es wirklich Schlag auf Schlag geht. Sicher haben einige der 15 Millionen Liter verdunsteten Whiskys auch hier die Luft gesättigt, denn ich habe das Gefühl das Aroma ist ständig präsent.

Kurz danach übertreten wir die Grenze zum Cairngorms Nationalpark und ich suche einen Wanderweg nahe Tomintoul aus. Walk 8 bei der Bridge of Avon. Wir schaffen das genau 45 Minuten, dann ist Schluss. Es ist 15:00 und die Sonne brennt immer noch unbarmherzig. Da der Weg nur am Anfang durch einen Wald geht, ist das für uns beide nicht optimal. Wir sind das auch einfach nicht mehr nicht gewöhnt. Weder Sonnenhut noch Sonnenbrille hab ich griffbereit und stehe nun hier ganz unvorbereitet in der Hitze… dann lieber weiter zu Walk 7.

Der geht immer am Fluss entlang. Besonders schön sind die Berghänge. Die erstrahlen im herrlichsten karminrot der blühenden Heide. Manche sind komplett davon überzogen. Einfach fantsastisch, daran kann man sich gar nicht satt sehen.

Am Flüsschen Avon finden wir dann auch eine wunderbare Stelle für die Nacht. Über eine kleine Brücke gehts zum Parkplatz, daneben ein Fischerhüttchen und gleich frisches Flusswasser zum Nachfüllen meines Tanks. Da ist die warme Dusche für morgen früh gleich gesichert. Luna hat noch ihren Spaß an den Schafen, Kühen und Pferden. Aber auch Fasane, Rebhühner und kleine Eichhörnchen kreuzen unseren Weg. So ungefähr stelle ich mir das Paradies vor. Nur Internet müsste es noch geben. 😜

Da verschiebe ich meinen Blogeintrag halt auf morgen früh. Nun gieße ich mir aber doch mal einen der Whiskys ein. Ich versuche zu schmecken… Vanille, grüner Apffflll…. Da bekomm ich erst mal einen Hustenanfall. Aber ein bisschen leckerer wird’s. Zwei Pröbchen gönne ich mir und dann bin ich zu müde. Liegestuhl in Rückenlage, Luna an die Leine, Bach rauscht, Sonne am sinken, Hals einmal durchgewärmt… zum Einschlafen taugt das Zeug. Kommt gut durch die Nacht.

2 Gedanken zu „Rote Hügel“

  1. Whisky verdunstet…. Das ist wirklich eine Tragödie. Aber dein Bericht war sehr, sehr schön und aufschlussreich. Und das Eis hat bestimmt sehr lecker geschmeckt…. Ich finde auch, dass Destillerien so etwas alt ehrwürdiges und dennoch modernes haben und schon alleine von der Optik begeistern. Danke, dass man durch dich ein kleines bisschen mit dabei sein konnte…. Seid lieb gedrückt!

    1. In den Lagerhallen merkt man es ganz deutlich. Da wird man schon vom Atmen betrunken 😂 Aber dass das solche Mengen sind, hätte ich nicht gedacht.

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