Einmal Waschen und Föhnen

Nach all der Aufregung – hier auf dem Platz gab es nämlich noch Hasen und Schafe, die Luna mit Vergnügen jagen würde, wenn ich da nicht mein Veto einlege – jedenfalls ist am Abend dann bei meiner Hundedame relativ schnell “Licht aus!“ angesagt. Ich nehme mir ein Buch und genieße die Panoramaaussicht in meinem Hotel. Draußen kann man wegen der Mücken leider nicht mehr sitzen, aber auch so ist es megagemütlich.

Auch der Morgen ist ein absoluter Genuss. Zum Glück sind wir wieder zeitig munter und sehen die Sonne hinter den Bergen empor steigen.

Das eigentliche Ziel, das langgestreckte Dörfchen Achiltibuie lasse ich nun doch rechts liegen und biege nach links auf die “Wee Mad Road“, die “kleine verrückte Strasse“, eine Single Track Road die sehr kurvenreich und hügelig, außerdem nur für Autos bis 8m Länge zugelassen ist. Zum Glück bin ich ja nur 6m lang. Auf gehts! Tschüss du schöne Bucht 🙋🏻‍♀️🐶

Magisch ist diese Gegend, einsam und unfassbar schön. Neben engen Schluchten tun sich wieder weite Blicke ins Land auf und die Gipfel im Hintergrund ragen bis in den Himmel. Ab und zu ein paar vereinzelte Häuser, immer Schafe und ansonsten Gras und Stein und Wasser.

Manchmal mutet es wieder an, als wäre man in Schweden. Ab und zu schält sich ein verschlafener Camper aus seinem Van und nur nur selten muss ich in die Buchten ausweichen, um den Gegenverkehr passieren zu lassen.

Am Culag Wood halten wir für eine kleine Gassirunde an. Da haben die Kinder der Grundschule, die man hier auf dem Bild sieht ein grünes Klassenzimmer und mehrer Wanderwege angelegt, z.B. den “Are you brave enough way.

Ich merke, dass ich mein eigentliches Ziel verpasst habe und fahre 3km zurück. Dort gibt es den Wanderweg zu den Falls of Kirkaig. Aber zuerst stärken wir uns, dem Blick kann ja wohl kaum einer widerstehen.

Der Weg soll 2,4 Meilen lang sein, was ja erst einmal nicht viel klingt, am Ende waren es doch 11 sehr schöne Kilometer. Erst schlängelt sich der Pfad immer am Fluss entlang, bis er auf ein kleines Hochplateau ansteigt. Links und rechts wächst Farn und Heide und ergibt ein Farbspiel aus grün, silbergrau, braun und lila.

Oben angekommen kann man zurück bis zum Meer schauen. Wenige Wanderer sind unterwegs und die ersten treffen wir am Wasserfall. Der ist nicht besonders hoch, sieht aber sehr schön aus, wie er sich in das große Felsbecken ergießt.

Nun kann man noch eine Runde zum Fionn Loch anschließen. Auch hier wandern wir zuerst am immer noch sprudelnden, dann immer ruhiger werdenden River Kirkaig entlang.

Dieser hat sich irgendwann mal einen Durchbruch vom Loch Fionn geschaffen, den man da hinten erkennen kann.

Beherrscht wird die ganze einsame Szenerie allerdings von einem Berg, dem Creag a Choire Mhoir. Ganz präsent erhebt er sich aus der flachen Umgebung, mitten aus dem Moor. Letzteres bekommen auch unsere Füße sehr deutlich zu spüren. Luna hat schon lange schwarze Socken an und ich muss genau schauen, ob der Untergrund nicht zu schlammig ist. Am besten auf Steine treten, das ist am sichersten. Zum Glück hatte ich am Morgen die Wanderstiefel noch einmal gut eingesprüht.

Hier ist es nun wirklich absolut still und verlassen und fast verwundert es, das Boot als menschliches Überbleibsel auf dem kleinen Weiher zu sehen.

Der Rückweg ist doch länger als gedacht und langsam finden meine Bandscheiben es deutlich besser auf federndem Waldboden zu gehen, als von Stein zu Stein zu hüpfen. Wir fahren weiter nach Lochinver und ich bin ein bisschen traurig, dass ich den einsamsten Buchladen Schottlands nicht gefunden habe. Im Reiseführer steht nämlich einer hier oben in dieser Verlassenheit beschrieben… den hab ich wohl übersehen.

In Lochinver gibt es eine Ver- und Entsorgungsstation für Womos, allerdings kostet der Spaß 9 Pfund, aber besser als 30 auf einem engen Stellplatz. Die sind hier übrigens größtenteils “Fully booked“ – aber wer will das schon, wo man doch hier so wunderbar frei stehen kann. Auch den Einkauf erledige ich im ortsansässigen „Spar“ und freue mich auf die nächsten Sandstrände, die der Reiseführer als “Geheimstipps“ handelt: Achmelvich- und Clachtoll-Beach. Weit gefehlt. Das ich so etwas in Schottland erleben muss… Da kommt man auf der einspurigen Strasse vor Verkehr schon kaum hin und dort angekommen, leuchten bei mir sofort ohne Nachzudenken die Rückfahrscheinwerfer in hellstem Weiß. Hammer! Nix wie weg! Noch nicht mal für ein Foto hab ich da Zeit. Nicht das ihr mich falsch versteht. Auch hier wachsen natürlich keine Bettenburgen in die Höhe, aber Campingplätze eng an eng und 9 Pfund für 3 Stunden Parkgebühr… So etwas hatte mir die junge Frau, die mit ihrer Familie zum Angeln an unserer letzten Bucht übernachtet hat schon gesagt. Warum diese beiden Strände so angesagt sind, kann keiner nachvollziehen. Wahrscheinlich ist die existierende Infrastruktur hier der Grund. Sowas gibts in Achnahaird natürlich nicht.

Da brauch ich erstmal ne Pause und halte neben einem anderen Womo auf dem nächsten Aussichtsparkplatz.

Eine Doppelpackung Sandwichs aus dem „Spar“ wird eröffnet und erst einmal Pause gemacht. Vielleicht kann ich ja hier übernachten. Und weil der Untergrund so schräg ist, benutze ich zum ersten Mal die Auffahrkeile. Also raus, untergeschoben, rückwärts rangiert und gerade. „Aber was liegt denn da auf dem Boden?“, frage ich mich, als ich wieder reinkomme und mich auf das zweite Sandwich freue.

Oh Mann, dieses verfressenes Hundetier. Nur die Spinatblätter sind fein säuberlich beiseite gelegt. Nun aber mal raus beweg dich! Und… sowas kannste gar nicht erfinden … hat doch draußen jemand ne große Portion Hundefutter hingeschmissen. Luna kommt von einem Fressparadies ins nächste.

Die Tür vom Nachbarcamper geht auf und raus kommt ein ziemlich dicker Glatzkopf mit genauso dickem Hund. Grimmig geht er grußlos an mir vorbei. Hm, das soll mein Abendnachbar werden. Außerdem halten hier ständig Leute und schauen sich die Infotafeln an. Ganz schön unruhig, Straße nicht weit weg und für Luna wenig Auslauf. Ich pack also wieder zusammen und fahre weiter zum Leuchtturm.

Herrlich ist es hier und weit weg von den Massen an den eben beschriebenen Stränden. Am Leuchtturm findet sich sofort ein guter Platz zum Overnightparking und ich öffne die Tür: Was liegt da genau vor meinem Eingang??? Hundefutter, ungefähr 2 Kehrbleche voll. Das weiß ich deshalb so genau, weil ich sofort das Kehrblech geschnappt habe und Luna davon abhalten konnte, diese Massen auch noch in sich reinzustopfen. Sicher hat sie gedacht, sie ist jetzt im Schlaraffenland angekommen. Als ich die letzten Trockenfutterstückchen eingetütet habe, ergreife ich aber schlagartig die Flucht, denn jetzt haben sie mich wirklich am Wickel: die berühmt-berüchtigten schottischen Midges. Da hilft nix, die kennen nur “Attacke!!!“ und immer mitten ins Gesicht. Schnell ins Womo und alles verriegeln.

Nicht mal den Leuchtturm kann ich heute noch fotografieren. Und den 3km langen Wanderweg zum Nadelfelsen “Old man of Stoer“ – nicht zu verwechseln mit dem „Old man of Storr“ auf der Insel Skye – ja den Wanderweg heb ich mir bei der Mückeninvasion für morgen auf.

Dann schlägt das Wetter um und wir werden die ganze Nacht wunderbar durchgerüttelt, hier in exponierter Lage. Einmal Waschen und Föhnen würde ich sagen. Trotzdem schlafen wir bei diesem gleichmäßigen Rauschen bestimmt super. Kommt gut durch die Nacht.

1 Gedanke zu „Einmal Waschen und Föhnen“

  1. Oh, so schön war das wieder zu lesen. Und das herrliche Grün überall. Hier ist es ringsherum trocken, trocken, trocken… Schick doch bitte die Regen- und Gewitterwolken mal in die Heimat, ja?! Seid lieb gedrückt und schläft gut.

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